Der Charme des Morbiden

LAHR. Als Familie Trost-Justen 1994 das eingestürzte Bauernhaus aus dem Jahre 1812 kaufte, traute ihnen keiner zu, dass sie es jemals in einen bewohnbaren Zustand versetzen könnten. Doch vor zwei Jahren haben Manfred Trost und Ruth Justen es geschafft.

Der "unberührte Charme des Morbiden" sei es gewesen, der ihn sofort fasziniert habe, sagt Manfred Trost. Entdeckt hat er das Haus durch Zufall auf der Durchreise von seiner Heimatstadt Köln nach Trier. Ein Tankabstecher führte ihn dabei durch Lahr. Aufgeregt erzählte er abends seiner Frau: "Ich habe heute ein Haus gesehen, das dir bestimmt gefallen wird." Mit dem Wohnhaus zusammen bilden zwei große Stall- und Nebengebäude aus dem 16. und 17. Jahrhundert eine Hufeisenform, die den Innenhof umgibt. Ein herrschaftlicher Anblick. Doch drinnen sah es anders aus. Für Teile des Gebäudes war bereits eine Abrissverfügung erteilt. Drei Zimmer des Haupttraktes waren eingestürzt. "Es war eigentlich lebensgefährlich, was wir gemacht haben", gesteht Trost. Aber ihr Architekt Franz Niespor sprach ihnen immer wieder Mut zu. Da das ganze Projekt viel teurer wurde als gedacht, hat die Familie immer nur schrittweise weitergebaut. So wie das Geld gerade gereicht hat. Zehn Jahre Bauzeit für das Haupthaus

Erst einmal haben sie einen Teil eines eingestürzten Nebengebäudes hergerichtet, um dort wohnen zu können. Ins Haupthaus sind sie erst vor zwei Jahren nach zehnjähriger Bauarbeit eingezogen. Ruth Justen ist begeistert von dem Haus. Die hohen, großen Räume sind bei vier Kindern genau das Richtige. "Wir können uns hier alle gut verteilen. Jeder kann seine Ruhe haben", sagt sie. Manfred Trost und Ruth Justen war es wichtig, die bäuerliche Gemütlichkeit des Hauses wieder herzustellen, seinen Charme zu erhalten und - wo sinnvoll - mit neuzeitlichem Wohlstand zu kombinieren. Auch hier habe ihnen ihr Architekt sehr geholfen. Außerdem habe der Kreisdenkmalpfleger Michael Berens ihnen viel Mut gemacht. "Sonst hätten wir bestimmt aufgegeben", gesteht Justen. Neben großem Durchhaltevermögen waren auch die finanziellen Hilfen aus der Dorferneuerung wichtig, um das Projekt voranzutreiben. Obwohl sich Trost intensiv mit der Geschichte des Hauses auseinander gesetzt hat, gibt eines ihm noch immer Rätsel auf. In der Wand zwischen Flur und Wohnzimmer ist ein kleines Fenster von 30 mal 30 Zentimeter Größe und 70 Zentimeter Tiefe mit Holzrahmen eingelassen. Ob sich immer eine Glasscheibe hierin befand, kann Trost nicht sicher sagen. Es gibt mehrere Vermutungen über den Zweck dieses Fensters. Auf einem alten Foto steht auf dem Hof eine Postkutsche. Vielleicht war in dem Haus einmal eine Poststation, und das Fenster war eine Art Post-Schalter. Oder aber es diente als Essens- oder Geldausgabe für die Bediensteten, die mit ihren schmutzigen Schuhen nicht in das Haus sollten. Für Letzteres spricht, dass die alten Möbel in dem Zimmer hinter der Wand auf ein Büro schließen ließen. Oder ist das mysteriöse Loch in der Wand für all' dies vielleicht doch zu klein? Vielleicht findet sich jemand, der Familie Trost hilft, das Rätsel zu lösen. Leben Sie in einem denkmalgeschützten Haus und haben Lust, uns über Ihre Motivation zu dieser Wohnweise zu erzählen? Dann mailen Sie uns ein paar Stichworte an d.schommer@volksfreund.de. Wir freuen uns.

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