"Der Gauleiter des Gaytals"

BITBURG/GAYMÜHLE. Vor dem Bitburger Schöffen-Gericht muss sich ein Polizeihauptkommissar verantworten, dem unter anderem nationalsozialistische Äußerungen vorgeworfen werden. Da der 50-Jährige mit einem Blutbad im Gaytal gedroht haben soll, kontrollierten die Beamten alle Prozessteilnehmer mit Metalldetektoren.

Die Justizbeamten des Bitburger Amtsgerichts mussten vorVerhandlungsbeginn gegen den angeklagten Polizeihauptkommissarsicherstellen, dass keiner der Prozessbeteiligten und -besucher"unerlaubte Mitbringsel" wie etwa Messer oder gar Pistolen mitsich führte. Denn nach Zeugenaussagen hatte der Angeklagte mit einem "Blutbad" im Gaytal gedroht: Wenn sich einer gegen ihn stellen oder gar vor Gericht aussagen würde, dann ginge er "mit einem Maschinengewehr durch den Ort", beschrieb eine Zeugin, wie der Polizist gedroht haben soll.

Angeklagter bestreitet Blutbad-Drohung

"Stimmt nicht", kommentierte der zurzeit suspendierte Polizeihauptkommissar Helmut J. die Vorwürfe. Der Angeklagte ist Beamter des Polizeiausbildungsinstituts Linnich, in der Nähe von Jülich (Aachen). Zusammen mit seiner Frau besitzt der 50-Jährige einige Ferienhäuschen in Gaymühle, die er vermietet. Auch er selbst verbringt im Eifelort seine Ferien sowie zahlreiche Wochenenden.

Ungewöhnlich an seinen Mietverhältnissen ist, dass scheinbar alle seiner Mieter eine kriminelle Vergangenheit haben: "Bereits vor Unterzeichnung des Mietvertrags sagte mir J., dass ich vorbestraft bin. Er sagte mir, dass er Einblick in meine Strafakten hatte", gab eine Zeugin zu Protokoll. Nach diversen weiteren Zeugenaussagen nahm J. als Polizist "immer Einsicht in die Strafregister" seiner künftigen Mieter, um sie mit diesen Informationen unter Druck zu setzen - so der Vorwurf.

"Wir mussten für ihn Arbeiten verrichten", sagte eine Zeugin. Einen anderen Mieter soll J., nachdem er sich Informationen bei seinem zuständigen Datenschutzbeauftragen verschafft hatte, als "Kinderschänder" geoutet haben. Ferner soll J. Gegenstände aus den Wohnungen der Mieter entwendet haben und unerlaubt private Fahrten mit dem Dienstwagen anlässlich eines "Fahr- und Sicherheitstrainings" zur Eintreibung der Miete absolviert haben.

Doch damit nicht genug: Der Polizist soll sich zudem als "Gauleiter des Gaytals" präsentiert haben, sogar von seinem "privaten KZ-Lager mit Schrankenzufahrt" gesprochen haben.

Auch wird ihm vorgeworfen, dass er Behinderte als "Asoziale" bezeichnet habe, "die zwangssterilisiert werden sollten". "Alles nur ein dummes Missverständnis", erklärte der Angeklagte. "Lediglich eine Diskussion bei einem Grillabend wurde falsch interpretiert", erklärte J., der während der Zeugenaussagen zeitweise geschockt, zeitweise gelangweilt wirkte.

Seine beiden Verteidiger betonten, dass der Polizist im deutsch-israelischen Jugendwerk sehr aktiv sei und ihm "solche Nazi-Parolen fremd" seien. "Ich habe selbst eine behinderte Adoptivtochter und stehe mit beiden Füßen auf dem Boden der deutschen Grundordnung und bin lange CDU-Mitglied", ergänzte J. seine Anwälte. Diese ermahnte der Vorsitzende Richter Udo May einige Male wegen ihrer "Vernehmungen auf rheinische Art", wie einer der Anwälte seinen Umgang mit den Zeugen umschrieb.

Polizist soll Behinderten gewürgt haben

Nach Ausführungen der Staatsanwaltschaft soll J. einen behinderten Jungen mit einem Handkantenschlag und einem Stock geschlagen und gewürgt haben. Der vermeintliche Grund: Der Junge soll mit seinem Freund an der Steinmauer des Haus des Polizisten Eidechsen gesucht haben und dabei einige Steine losgelöst haben.

Des weiteren wird J. vorgeworfen, dass er zu Unrecht einen Mann verdächtigt habe, den er wegen Fahrens ohne Führerschein angezeigt hatte. Der Angeschuldigte war jedoch freigesprochen worden. "Doch alles stimmte, was J. hier vor Gericht gesagt hatte", betonten die beiden Verteidiger. Zu diesem Punkt werden unter anderem der Direktor des Bitburger Amtsgerichts, Werner von Schichau, und der zuständige Urkundsbeamte als Zeugen gehört.

Ursprünglich waren zwei Verhandlungstage für den Prozess angesetzt. Doch wegen der mehr als 30 geladenen Zeugen war die Verhandlung in der geplanten Zeit nicht zu bewältigen und wurde nach acht Stunden ausgesetzt. Die Zeugenvernehmungen werden voraussichtlich im Juni fortgesetzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort