Der Mann, der sagt, wann gewählt wird

Er entscheidet darüber, ob die Wahlen am 7. Juni stattfinden oder ob sie verschoben werden. Michael Bertrams ist höchster Richter in Nordrhein-Westfalen. gebürtig stammt er aus Schleiden.

Schleiden/Telgte. Er ist der höchste Richter in Nordrhein-Westfalen und entscheidet am kommenden Mittwoch darüber, ob die Kommunalwahl am 7. Juni stattfindet oder verschoben wird. Die Politiker im Land fiebern diesem Termin entgegen.

Wann gewählt wird, das entscheidet ein Mann, der 1966 sein Abitur am Städtischen Gymnasium in Schleiden machte. Die Rede ist von Michael Bertrams aus Telgte, geboren am 23. Dezember 1947 in Waldbröl. Er wurde 1994 im Alter von 46 Jahren der jüngste Präsident des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.

Vielen Schleidenern dürfte sein Vater ein Begriff sein, der Kunsterzieher Paul-Gerhard Bertrams, der am Städtischen Gymnasium unterrichtete. Paul-Gerhard Bertrams war in Düsseldorf unter anderem Meisterschüler von Otto Pankok, der von den Nazis Arbeitsverbot erhielt und sich nach Pesch in die Eifel zurückzog.

Er war als freischaffender Künstler und Restaurator tätig. Er betreute alle bedeutenden romanischen Kirchen im Rheinland, war für die erste Restaurierung von Schloss Brühl zuständig. In der Nachkriegszeit konnte ein freischaffender Künstler nicht viel verdienen.

Und da er und seine Frau Waltraud den kleinen Michael ernähren mussten, ging Bertrams 1957 als Kunstlehrer nach Schleiden. Am "Städtischen" war Michael Bertrams jahrelang der einzige evangelische Schüler. "Ich erlebte eine sehr katholische Welt vor dem II. Vatikanum", erinnert sich der durch seine Eltern stark christlich geprägte Richter. Aber im Kreise seiner neuen Freunde fühlte er sich in der "katholischen Welt" sehr wohl. Seine Eltern sangen im Chor der Basilika Steinfeld.

Michael Bertrams Frau Eva-Maria und seine Kinder Angela (32), Lehrerin in Berlin, und die Zwillinge Verena (28), Lehrerin im Münsterland, und Rechtsreferendar Stefan sind alle katholisch getauft.

Michael Bertrams kann aus dem Stegreif noch viele Namen seiner alten Lehrer nennen. Zu den Erdkundelehrern Heinrich und Sigrid Lessenich, die mit seinem Vater befreundet waren, pflegt er noch heute Kontakt.

Die musikalische Begabung der Eltern übertrug sich auf Michael Bertrams. Er beherrscht heute noch die Geige. Er spielte Bratsche im Schulorchester und erinnert sich an Auftritte bei Amtseinführung des damaligen Hellenthaler Gemeindedirektors Werner Rosen oder zur Einweihung des Erweiterungsbaus des Michael-Gymnasiums in Bad Münstereifel, als er vor Joseph Kardinal Frings spielte.

Er spielte Bratsche im Schulorchester



Seine Frau und seine Töchter spielen Geige, sein Sohn Cello.

2007 starb Paul-Gerhard Ber-trams im Alter von 80 Jahren. "Mit dem Tod meines Vaters ging für mich ein ganz wichtiger Gesprächspartner verloren. Er fehlt mir immer wieder. Er hat mir auch immer viel darüber berichtet, was in der alten Heimat passiert", sagt Michael Bertrams, nach dem Ministerpräsidenten und Landtagspräsidenten dritter Mann im Lande. "Seine Leidenschaft an der Kunst, der Literatur, der Theologie und der Philosophie hat sich auf mich vererbt. Mein Vater war unglaublich belesen."

Als der Vater noch lebte, kam Michael Bertrams noch regelmäßig in sein Elternhaus in der Dronkestraße. Als der Vater starb, war die Mutter gesundheitlich in schlechter Verfassung. "Die Ärzte haben ihr das Leben gerettet", erinnert sich Bertrams an das Jahr 2007, als er seine Mutter nach Telgte holte, wo sie seitdem in der Nähe der Familie in einem Seniorenheim lebt.

Seitdem kommt der vielbeschäftigte Präsident des Verfassungsgerichtshofs nicht mehr so häufig nach Schleiden. Es zieht ihn aber oft ans Grab seines Vaters auf dem Friedhof an der evangelischen Kirche.

Michael Bertrams promovierte 1989 in Münster zum Thema "Die Prognosenentscheidung im verwaltungsgerichtlichen Asylverfahren". 1974 wurde er Parlamentarischer Assistent im Deutschen Bundestag, 1975 Richter am Verwaltungsgericht Köln, 1982 am Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen und 1990 am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Seit 15 Jahren ist er erster Mann am Oberverwaltungsgericht Münster. Die jetzt anstehende Entscheidung, über die er sich, so Bertrams, natürlich derzeit nicht äußern könne, sei nicht die schwierigste seiner Laufbahn. Ihm sei wichtig, dass die Bürger Vertrauen in die Organe der Rechtspflege hätten. Deshalb müssten die Urteile transparent sein.

Viel Wissenswertes

über Michael Bertrams ist in einem Kreisjahrbuch-Artikel von Werner Rosen aus dem Jahr 1998 zu lesen.

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