Der Trend zum Selbstgemachten

Stadtkyll · In den 1980er Jahren lag Stricken eine Zeit lang im Trend, dann wurde es ruhig um diese althergebrachte Form der Handarbeit. Mittlerweile kündigt sich aber der nächste Strickboom an. Sechs Frauen in Stadtkyll haben aber schon abseits des Zeitgeistes vor fünf Jahren einen Strickzirkel gegründet

 Regelmäßiger Strickzirkel: Rosa Heinen, Maria Simon, Annemie Müller, Evelyn Valet, Christiane Nürnberg und Gisela Harings treffen sich einmal im Monat um zu klönen und gemeinsam zu stricken. TV-Foto: Frank Auffenberg

Regelmäßiger Strickzirkel: Rosa Heinen, Maria Simon, Annemie Müller, Evelyn Valet, Christiane Nürnberg und Gisela Harings treffen sich einmal im Monat um zu klönen und gemeinsam zu stricken. TV-Foto: Frank Auffenberg

Stadtkyll. Zwei rechts, zwei links, eine fallen lassen - ist dies das A und O der Strickkunst? Seit dem großen Strickboom in den 1980er Jahren - damals wurden mit dem Einzug der Grünen sogar im Bundestag die Nadeln geschwungen - ist eine ganze Generation herangewachsen, die kaum mehr weiß, dass "rechts, links, fallen lassen" nichts Grundlegendes ist, sondern höchstens ein exotisches Muster vieler - mitunter sogar wirr - platzierter Löcher ergibt.
Das Wissen übers Stricken ist mit dem angestaubten Image lange in Vergessenheit geraten. Damit sollte aber langsam Schluss sein denn: Die Kunst des gekonnten Maschenschlags ist zurück. Stricken liegt wieder im Trend.
In Stadtkyll hat eine Gruppe von sechs Frauen die Zeichen der Zeit schon früh erkannt. Sie treffen sich seit fast fünf Jahren monatlich bei einem selbst gegründeten Strickzirkel. Wer hier an ältere, schweigende Damen, eine Tasse Tee und kratzige Wolle denkt, liegt ziemlich falsch. Mit biederem Handwerk hat der Strickzirkel nämlich nur wenig zu tun, wie die Runde bei ihrem letzten Treffen im Haus von Evelyn Valet bewies.
Entspannung und Geselligkeit


Bei gutem Rotwein und in bester Stimmung tauschen sich die Frauen eher am Rande übers Stricken aus. Zwar bringe diese gemeinsame Leidenschaft sie einmal im Monat zusammen, sagt Evelyn Valet, das heiße aber nicht, dass die Handarbeit alleiniges Thema der Treffen sei: "Gestrickt wird quasi nebenbei."
"Es ist einfach eine unglaublich entspannende Beschäftigung, bei der es sich auch sehr gut quatschen lässt", sagt Christiane Nürnberg. "Stricken ist, so wie wir es machen, eben etwas sehr Geselliges", ergänzt Annemie Müller. Mit der stillen Beschäftigung für Mädchen und Frauen in alten Zeiten hat das nur sehr wenig zu tun - heute wird gemeinsam gestrickt und gerüchteweise sogar gemeinsam mit Männern. "Wir haben zwar noch keinen in unseren Strickzirkel aufgenommen, aber tatsächlich stricken wohl auch immer mehr Herren", sagt Müller.
Neben vielen anderen Klischees ist auch die gute, alte selbst gestrickte Socke beim neuen Stricktrend etwas in den Hintergrund geraten. Moderne Strickarbeiten ähneln eher Designerstücken aus Hochglanzmagazinen als zweckmäßiger Funktionswäsche. Besondere Aufmerksamkeit kommt beispielsweise Nürnbergs knallrotem Mantel entgegen, den sie zur Hälfte fertig gestrickt hat. "Eigentlich war er als Jacke geplant", verrät sie - eine spontane Entscheidung, die während der Arbeit fiel.
Auch in puncto Inspirationsquelle gehen die modernen Strickerinnen neue Wege. Wurde früher noch gespannt auf das Erscheinen einschlägiger Magazine gewartet, um auf eine zwar zeitgemäße, aber doch eingeschränkte Anzahl von Strickmustern zurückgreifen zu können, steht heute förmlich das Know-how der Strickbegeisterten der ganzen Welt im Internet bereit.
Besser als Modezeitschriften


"Das Angebot im Netz ist schon sehr groß. Für meine Näharbeiten habe ich eine eigene Seite und fand irgendwann zufällig meinen Weg zu Strickseiten", sagt Evelyn Valet. Wenn man wisse wo, stehe einem quasi die ganze Strickwelt offen - für jeden Geschmack sei andauernd etwas Neues im Internet zu finden. "Ehrlich, ich finde es besser, als in Modezeitschriften zu blättern. Es macht einfach mehr Spaß", sagt Valet.
Ganz anders geht Rosa Heinen an die Arbeit. "Irgendwie mag ich keine Vorlagen, ich blätter\' gerne in Magazinen und Büchern, schaue mir auch an, was meine Freundinnen so machen, aber dann kommt die eigentliche Idee - zumindest bei mir - von selbst", erklärt sie.
Für wen man stricke? Für sich selbst, Freunde und Familie. "So viel wie ich stricke, könnte ich gar nicht selber tragen", sagt Annemie Müller und lacht. Verkaufen? Die Damen sind sich einig, dass das zumindest bei Stricksachen kaum Sinn habe. "Die Stücke wären wohl einfach zu teuer. Meine Näharbeiten biete ich schon auf Da Wanda, einer Handarbeitsplattform an, für Strickarbeiten würde man aber sicherlich nie einen gerechtfertigten Preis bekommen", sagt Valet (siehe Extra). Reich werde man mit Stricken sicher nicht, merkt sie an und ergänzt: "Aber sicher ein bisschen zufriedener."Extra

Unzählige Weblogs, quasi öffentlich zugängliche Notiz- und Tagebücher im Internet, widmen sich der Strickkunst. Einsteiger finden auf www.nadelspiel.com gute Video-Anleitungen für verschiedene Techniken. Die Mode der 1940er, ´50er und ´60er Jahre steht bei www.beswingtesallerlei.blogspot.de im Mittelpunkt. Allgemeines und Konkretes zum Thema Stricken gibt es auf: www.schoenstricken.de. Auch Männer finden im Internet ihren eigenen kleinen Bereich auf www.maleknitting.de. Handgefertigte Kleidung wird auf der Verkaufsplattform www.dawanda.de angeboten. aff

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