Die Hirsche im Kreiswald vermehrten sich unkontrolliert Der Wald, das Wild, die Wut

Bitburg-Prüm · Das Rotwild nagt im Kreiswald Bitburg-Prüm die Bäume ab. Graf Ferdinand von Westerholt jagt selbst in der Nähe und sagt: Hier würden seit Jahren zu wenige Hirsche geschossen. Ist da was dran?

 Fühlt sich „allein auf weiter Flur“: Graf Ferdinand von Westerholt glaub, dass im Kreiswald, nahe seines Jagdreviers, zu wenig Rotwild geschossen wird.

Fühlt sich „allein auf weiter Flur“: Graf Ferdinand von Westerholt glaub, dass im Kreiswald, nahe seines Jagdreviers, zu wenig Rotwild geschossen wird.

Foto: TV/Christian Altmayer

Wenn Graf Ferdinand von Westerholt in der Kanzel sitzt, laufen ihm immer öfter Hirsche vors Visier. Manch einen Jäger würde es sicher freuen, den König des Waldes häufiger im Revier anzutreffen. Schließlich gilt es als „Waidmannsheil“, eines der majestätischen Tiere zu schießen. Doch den Adeligen ärgert es eher, dass die Population des Rotwildes in der Gegend wächst. Denn als Waldbesitzer sieht der Adelige im Hirsch auch einen Schädling.

Denn Hirsche „schälen“ Bäume, wie es im Försterjargon heißt. Sie knabbern die Rinde ab. Dadurch verlieren die Pflanzen ihre Schutzschicht gegen Parasiten. Die Rotfäule und andere Pilze haben folglich leichtes Spiel. Und Bäume und wertvolles Holz verfallen.

Wenn es nach von Westerholt geht, muss der Hirschbestand in der Gegend daher erheblich reduziert werden. Was Aufgabe von Jagdpächtern ist. „Ich fühle mich da aber recht allein auf weiter Flur. Es gibt einfach viel zu viel Rotwild“, sagt der Graf, dessen Revier sich vom Schloss Hamm über etliche Hektar in westliche Richtung erstreckt.

Der Grund für die Misere aus Sicht von Westerholts: Der Nachbar schieße nicht genug. Und dieser Nachbar ist ausgerechnet der Eifelkreis Bitburg-Prüm. Denn das Revier nebenan gehört der Kommune. Die rund 153 Hektar Forst zwischen Weidingen, Berkoth und Neuerburg sind nach Verkäufen anderer Flächen die letzten Meter Wald im Besitz des Eifelkreises. Was für den größten Landkreis von Rheinland-Pfalz und auch im kommunalen Vergleich nicht besonders viel ist.

Dennoch könnte dieser sogenannte Kreiswald mehr Geld einbringen, sagt von Westerholt, wenn man dort nicht derart das Rotwild gewähren ließe: „Da wird derzeit ein Vermögen vernichtet.“ Aufgefressen von Hirschen und Rotfäule.

Das Problem ist im Landratsamt bekannt. Auch bei der Kreisverwaltung spricht man von „zunehmenden Schälschäden“, Beurteilt die Lage im kommunalen Forst aber zumindest etwas optimistischer: Der Wald sei grundsätzlich recht gesund. Nur rund ein Prozent der Fläche weise „schwere Schälschäden“ auf, zehn Prozent sei leicht beschädigt.

Nun sei im Frühjahr allerdings frischer Verbiss aufgetaucht. Vor allem der für den Forstbetrieb wertvolle Bestand an Douglasien, Buchen und Fichten sei in diesem Jahr zunehmend dem Wild unter die Zähne gekommen. Und aufgrund der steigenden Populationen „könnte sich diese Situation verschlimmern“, räumt Pressesprecher Thomas Konder ein.

Für von Westerholt „ein selbstproduzierter Schaden“. Und weil der FDP-Politiker die Verwaltung hier auch in der Pflicht gegenüber dem Steuerzahler sieht, hat er das Thema auch schon im Kreistag angesprochen: „Die müssen dafür sorgen, dass das aufhört.“ Und das könne nur aufhören, wenn der Rotwildbestand nicht weiter wachse, sondern schrumpfe. Sprich: wenn mehr geschossen wird.

Doch das ist keinesfalls unstrittig. Kreisjagdmeister Gerd Grebener etwa kennt auch andere Gründe für schwere Schälschäden als nur eine hohe Hirschpopulation: „Rotwild ist das sensibelste Wild, das wir in der Eifel haben. Und daher auch sehr störungsanfällig.“ Zum Schälen von Bäumen neige es vor allem dann, wenn es gestört werde.

Wenn also etwa lärmende Quads oder Motorräder durch den Wald bretterten oder Spaziergänger mit nicht angeleinten Hunden hindurch marschierten, ziehe sich das Wild zurück. Es verlasse dann auch zur Futtersuche kaum mehr das Versteck und nage die Rinde der Bäume an, um zumindest irgendetwas zu fressen zu finden, oder zu äsen, wie der Jäger sagt. Demnach könne es also sein, sagt Grebener, dass eine vergleichsweise kleine Herde in einem Wald großen Schaden anrichte.

Was in diesem Fall helfen würde, wären dann nicht höhere Abschussquoten, wie sie von Westerholt für den Kreiswald fordert. Sondern im Gegenteil: Ruhezonen für das Wild, wo die Tiere ohne Störung auf Futtersuche gehen können. „Dafür setzt die Jägerschaft sich schon seit Langem ein“, sagt Grebener: „Doch eingeführt werden sie nirgends.“

Gleichwohl müssen in der Regel Jagdpächter dafür haften, wenn in einem Wald Schäden entstehen. Und auch der Kreis gedenkt wohl nicht auf diesen sitzen zu bleiben. Im August, sagt Pressesprecher Konder, stehe erst mal eine Schadensbewertung im Kreiswald an. Aus dieser Berechnung werde sich dann auch „gegebenenfalls eine Forderung an den Jagdpächter ergeben“.

Neue Abschussquoten könnten dem Waidmann darüber hinaus auch blühen. Allerdings erst 2021, nach der turnusmäßigen Wildzählung im Gebiet. Denn vorher sei es schwer, dem Jäger nachzuweisen, dass er wirklich zu wenig geschossen habe.

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