Der Wilhelm Tell des Katholizismus

Bitburg · Der Schweizer Theologe und Kirchenkritiker Hans Küng hat beim Eifel-Literatur-Festival in der Stadthalle Bitburg vor etwa 800 Menschen gesprochen. Das Publikum erlebte einen Streifzug durch sein Leben und seinen Glauben.

 Schweizer Theologe und Philosoph: Hans Küng. TV-Foto: Stefanie Glandien

Schweizer Theologe und Philosoph: Hans Küng. TV-Foto: Stefanie Glandien

Bitburg. Ein Kirchenrebell? Der distinguiert wirkende ältere Herr, der im dunklen Anzug die Bühne in der Bitburger Stadthalle betritt, entspricht so gar nicht diesem Bild. Doch der 84-jährige Schweizer Theologe setzt sich weltweit seit mehr als einem halben Jahrhundert für eine Reform der Kirche und für einen zeitgerechten Glauben ein.
Vor ausverkauftem Saal spricht er mit ruhiger, tiefer Stimme fast zwei Stunden lang über sein Leben und seinen Glauben. Moderiert wird das Gespräch von Festivalorganisator Josef Zierden.
Der begrüßt Küng zuvor als größten, meistgelesenen Autor unserer Zeit, als Reformer und Sprachrohr moderner Christen und bezeichnet ihn als den "Wilhelm Tell des Katholizismus". Mehr als 60 Bücher habe er geschrieben, kaum eins sei darunter, mit dem er nicht mit der Amtskirche angeeckt wäre. Auch heute sei er noch nicht übertrieben altersmüde. Bei diesem Satz huscht ein Lächeln über Küngs Gesicht.
Konzil nach hinten interpretiert


Mit seinen Ansichten hält er auch an diesem Abend nicht hinterm Berg. Nicht alles sei schlecht, es gebe viele gute Pfarrer. Jedoch: "Wenn die Erneuerung der Kirche angestrebt worden wäre, wären wir heute weiter." Doch das Konzil sei nach hinten interpretiert worden. Man tue so, als ob die mittelalterliche Kirche wieder Maßstab sei. "Die katholische Kirche leidet am römischen System, das ausgerichtet ist auf einen päpstlichen Autoritarismus." Er sei gespannt, welcher der Bischöfe mal den Mut habe, etwas zu sagen. Küng vermutet, dass es unter den Kirchenoberen sehr wohl Papstkritiker gebe, die jedoch Angst hätten, sich in der Öffentlichkeit zu äußern.
Was dann passieren kann, musste der Schweizer Professor schmerzhaft am eigenen Leib erfahren, als ihm 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen wurde.
Dabei verband Joseph Ratzinger, heute Papst Benedikt XVI., und Hans Küng eine lange Freundschaft. 1966 holte Küng Ratzinger nach Tübingen. "Ich fand ihn sympathisch, mochte seine schüchterne Art", erinnert sich der Theologe. Der Schnitt war die Studentenrevolte in Tübingen. "Das war für ihn ein Schock. Alles, was von unten kam, war für ihn gefährlich", sagt Küng. Die Papstwahl sei für ihn ein schlimmer Moment gewesen. "Ich hätte nie gedacht, dass sie den Großinquisitor zum Papst machen würden."
Trotzdem haben sie Kontakt gehalten. Papst Benedikt XVI. empfing seinen Chefkritiker sogar zum Gespräch. "Wir haben Briefverkehr, aber wir gehen verschiedene Wege", sagt Küng.
Immer wieder verweist der Autor auf seine Bücher zu verschiedenen Themen. Seine persönliche Weltansicht findet sich in seinem Werk "Was ich glaube". Darin richtet er sich an Menschen, die auf der Suche seien, die nichts anzufangen wissen mit dem Traditionalistenglauben römischer und protestantischer Herkunft.
Als Vorzeigechristen bezeichnet sich Küng nicht. "Ich halte mich nicht für einen besonders guten Christen, sondern halte das Christentum für besonders gut." Sein Prinzip lautet, jeden so anzuerkennen, wie er ist. "Auch Skeptiker haben ihr Recht." Doch auch Naturwissenschaftler hätten nicht auf alles eine Antwort. "Über den Urknall können die nur spekulieren, dafür haben wir die religiöse Wahrheit in der Bibel." Gott sei für ihn der Ursprung von allem, eine ungeheure Wirklichkeit, die wir nicht erfassen können.
Der Streifzug durch sein Leben, seinen Glauben und seine Lebenseinstellung hinterließ beim Publikum sichtlich Eindruck. Mit Applaus im Stehen bedankten sich die Zuhörer beim Schweizer Theologen, der anfangs noch seine Freude ausgedrückt hatte, es endlich mal in die Eifel geschafft zu haben.
Weitere Veranstaltungen auf www.eifel-literatur-festival.de
Tickets: TV-Service-Center Bitburg, Wittlich, Trier.

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