Die Abriss-Prämie

Bitburg · Weil es in vielen Gemeinden leer stehende und unbewohnbare Gebäude gibt, hat der VG-Rat nun ein Förderprogramm verabschiedet. Mit bis zu 5000 Euro soll der Abriss gemeindeeigener Bauten bezuschusst werden. Ganz unumstritten ist dieses Programm allerdings nicht. Denn was einmal weg ist, ist weg.

 Denkmalgeschützt ist dieses Haus in Hütterscheid. Doch wenn hier nichts unternommen wird, fällt es irgendwann zusammen. TV-Fotos (2): Uwe Hentschel

Denkmalgeschützt ist dieses Haus in Hütterscheid. Doch wenn hier nichts unternommen wird, fällt es irgendwann zusammen. TV-Fotos (2): Uwe Hentschel

Foto: Uwe Hentschel (uhe) ("TV-Upload Hentschel"

Bitburg. William Shakespeares Sonett 66 gibt es in weit mehr als 100 deutschen Übersetzungen. Die meisten davon findet man in Büchern. Und eine hinter einem Bauzaun. Diese Übersetzung wurde vor Jahren in den Putz einer Hauswand in Gindorf eingraviert. So, wie es aussieht, war der intellektuelle Anspruch des Hausherrn stärker ausgeprägt als sein handwerkliches Geschick. Denn der Bauzaun dient nicht etwa dem Schutz des Sonetts, sondern dem der Bevölkerung. Das Haus macht nämlich keinen guten Eindruck.
Gebäude in einem schlechten Zustand gibt es in Gindorf gleich mehrfach. Und in vielen anderen Dörfern auch. Weshalb die CDU-Fraktion in der Verbandsgemeinde (VG) Bitburger Land Ende 2015 einen Antrag zur Einrichtung eins kommunalen Förderprogramms mit dem Arbeitstitel "Abriss" eingereicht hatte (der TV berichtete).
Es gibt auch kritische Stimmen


"Das Förderprogramm soll den Abriss langjähriger Leerstände fördern, bei denen sonstige Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung ausgeschöpft sind und die nicht mit sonstigen Fördermitteln abgerissen werden können", heißt es in der Präambel eines Satzungsentwurfs, der nun ein halbes Jahr später den Mitgliedern des VG-Rats zur Abstimmung vorliegt. Gemäß dieser Satzung soll der Abriss gemeindeeigener Gebäude unter bestimmten Voraussetzungen (siehe Extra) mit bis zu 5000 Euro bezuschusst werden, wenn damit eine qualitative Aufwertung innerhalb des Orts erreicht werden kann.
Bereits in der jüngsten (nicht-öffentlichen) Sitzung des Hauptausschusses wurde darüber beraten - und dies, wie im Nachhinein berichtet wird, ohne Einwände. Aus diesem Grund rechnet Verbandsbürgermeister Josef Junk bei der anstehenden Abstimmung über die Satzung auch nicht mit größerem Diskussionsbedarf. Den gibt es aber dann doch.
"Ich finde es schade, dass es dazu keine öffentliche Diskussion gibt, denn ich glaube, dass die Meinungen durchaus kontrovers sind", sagt Carsten Lenz von den Grünen. Er jedenfalls sehe die Gefahr, dass dadurch Gemeinden leer stehende, aber möglicherweise dennoch erhaltenswerte Häuser aufkauften und abreißen ließen, ohne zu wissen, wie es danach mit der Fläche weitergehen soll. Lenz, der nach eigener Aussage genau das bereits erlebt hat, vermisst in der Satzung ein städtebauliches Konzept als Voraussetzung für den Abriss, um wildem Abreißen vorzubeugen.
"Ich spreche den Ortsgemeinden die Kompetenz zu, dass sie am ehesten urteilen können, wo die Reise hingeht", sagt dazu Thomas Etteldorf, Fraktionssprecher der CDU. Und auch Josef Junk will den Vorwurf, "ohne Sachverstand unterwegs" zu sein, nicht auf sich sitzen lassen. Gerade im Bitburger Land gebe es viele gute Beispiele für eine erfolgreiche Dorferneuerung. "Von daher kann ich die Ängste nicht verstehen", so Junk. Ähnlich sehen das auch andere Ratsmitglieder aus den Reihen von SPD und FWG, die sich zu Wort melden.
Letztlich wird das Programm mit zwei Gegenstimmen verabschiedet. Der Wolsfelder Ortsbürgermeister Heinz Junk (FWG), in dessen Gemeinde in den vergangenen Jahren viele historische Gebäude aufwendig saniert wurden, sieht das Vorhaben eher kritisch: "Eine Förderung für den Umbau wäre für mich viel sinnvoller als ein Abriss-Programm."Meinung

Absolut richtig
Keiner will, dass historische Bausubstanz willkürlich abgerissen wird. Diese Zeiten sind vorbei. Aber baufällige Bruchbuden, wie es sie in jedem Ort gibt, sehen nicht nur hässlich aus, sondern blockieren meist auch die weitere Entwicklung des gesamten Umfelds. Hier mit einer Abriss-Förderung die Gemeinden zu unterstützen, ist absolut richtig. Besser ein schicker Platz oder ein regionaltypischer Neubau als diese Bruchbuden, die wirklich keiner braucht. d.schommer@volksfreund.deExtra

 Bei diesem Haus in Gindorf scheint das Umbauvorhaben in einer Sackgasse geendet zu sein.

Bei diesem Haus in Gindorf scheint das Umbauvorhaben in einer Sackgasse geendet zu sein.

Foto: Uwe Hentschel (uhe) ("TV-Upload Hentschel"

Den Zuschuss für den Abriss beantragen können ausschließlich Gemeinden, wenn sie selbst Eigentümer der Immobilie sind. Voraussetzung ist, dass es sich bei dem Gebäude um ein leer stehendes, nicht mehr sanierungswürdiges Wohn-, Wirtschafts- oder Ökonomiegebäude handelt. Das Gebäude muss älter als 50 Jahre sein. Der Zuschuss beträgt 75 Prozent der förderfähigen Kosten, maximal 5000 Euro pro Objekt. Bei "exponierten Gebäuden" ist eine Aufstockung des Zuschusses um weitere 50 Prozent möglich. "Bei einer späteren Wiederbebauung ist die Gestaltung mit der Verbandsgemeindeverwaltung abzustimmen", heißt es in der Satzung. Dabei soll geprüft werden, ob der geplante Neubau im Einklang mit den Zielen des regionaltypischen Bauens steht. uhe

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