Die Bärte wachsen wieder

Die Haare mancher Männer in der Eifel werden länger. Nicht weil der Sommer so kalt ist, sondern weil im Februar 2008 in Wallersheim zum fünften Mal die Passionsspiele aufgeführt werden.

 Willi Schneider spielte 2002 die Hauptrolle des Jesus. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Willi Schneider spielte 2002 die Hauptrolle des Jesus. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Wallersheim. Die Regenwolken huschen über den Himmel, es weht ein mittelkräftiger Wind, ab und zu blinzelt die Sonne hervor. Ruhig ist es im Dorf, kein Mensch ist auf der Straße. Aber die Ruhe trügt. In Wallersheim geht das Fieber um: das Schauspielfieber. Die Passionsspiele sollen im kommenden Jahr zum fünften Mal über die Bühne gehen. Und die Proben haben bereits begonnen.Die Passionsspiele in Wallersheim haben längst einen guten Ruf über die Landesgrenzen hinaus. Aus Luxemburg hat sich bereits der erste Bus angemeldet, dabei stehen die Aufführungstermine gerade mal fest. Die Idee zu den ersten Passionsspielen hatte der mittlerweile verstorbene Pfarrer Paul Kirsch. Anlass war sein 25. Dienstjubiläum im Jahr 1987. Damals wünschte er sich, zusammen mit der Dorfgemeinschaft etwas Außergewöhnliches auf die Beine zu stellen. "Das ist absurd, nicht möglich, weit weg von der Realität", waren damals die ersten Reaktionen, erinnert sich Hans Fomin, der zusammen mit einem achtköpfigen Team die Passionsspiele nun leitet. Doch getreu Kirschs Motto "geht nicht, gibt‘s nicht", machten die Wallersheimer, Fleringer und Büdesheimer das Unmögliche wahr.Text hält sich strikt an biblische Vorlage

Das Textbuch konzipierte Pastor Kirsch, und es soll auch genau so beibehalten werden, da sind sich die Organisatoren der neuen Spiele einig. Grundlage sind die vier Evangelien, aus denen zum Teil wörtlich zitiert wird. "Die Passionsspiele sind kein Theater. Sie bieten religiösen Tiefgang. Wir halten uns strikt an biblische Geschehnisse, fügen nichts hinzu und lassen auch nichts weg", sagt Fomin. 2002 gab es zuletzt Passionsspiele. 2007 sollten eigentlich die nächsten sein. Doch die damals provisorisch errichteten Gebäude waren marode. Umkleide, Toiletten und Zuschauertribüne mussten neu gemacht werden. Die Aufführung wurde um ein Jahr verschoben. Mit Rücklagen, Spenden und viel Eigenarbeit haben Freiwillige nun alles neu geschaffen. "Der Bau eines Einfamilienhauses wäre dagegen ein Klacks gewesen", sagt Fomin, wenn er sich allein an die Formalitäten erinnert, schließlich wollten Bistum und Behörde mitreden. "Wir haben das auch gemacht, damit die Passionsspiele auch in Zukunft Bestand haben", sagt Klaus-Peter Pauls, der zusammen mit Joachim Nitsch Regie führt. Zweite nervenaufreibende Aufgabe war die Besetzung von 110 Rollen, davon 60 Sprechrollen. "Sie glauben gar nicht, wie viel ich in der letzten Zeit telefoniert habe", sagt Pauls, der nun froh ist, dass die Proben beginnen konnten. Nun heißt es für die Männer: "Haare wachsen lassen." Nicht überall geht das problemlos. Der Spott der Kollegen ist einem schon mal sicher und sorgt auch für die eine oder andere Anekdote. So erinnert sich Pauls daran, dass er, als er den Part des Jesus gespielt hat, im Supermarkt mal ganz komisch angeguckt wurde. "Mit langem Bart und Haaren sah ich aus wie ein Wilder. Da warf die Kassiererin schnell mal einen Blick in mein Portemonnaie, ob ich auch Geld dabei habe", erinnert er sich schmunzelnd. "Deshalb ist wichtig, dass die Leute wissen, dass in Wallersheim wieder Passionsspiele sind, damit sie nicht denken, wir wären Gangster", sagt Fomin. Religiöser Anspruch ohne Pommes und Bratwurst

 Jesus muss sein eigenes Kreuz tragen: Die Darstellung des Leidens von Jesus rührte nicht selten Besucher zu Tränen. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Jesus muss sein eigenes Kreuz tragen: Die Darstellung des Leidens von Jesus rührte nicht selten Besucher zu Tränen. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Neben echten Bärten und bibelfesten Texten wird in Wallersheim auch sonst viel Wert auf den religiösen Charakter der Passionsspiele gelegt. "Bei uns gibt es keine Kulissenschieberei", betont der Regisseur. Auch auf die Bockwurst in der Pause müssen die Zuschauer verzichten. "Die Menschen sollen auf das Gesprochene, das Wort Gottes, achten. Da brauche ich keine antiken Säulen im Hintergrund", meint der ehemalige Wallersheimer Bürgermeister. Die Darsteller sind keine gelernten Schauspieler. Ein Vorteil, wie Fomin findet: "Sie sollen so spielen, wie sie fühlen." Und dass ihnen das in der Vergangenheit gelungen ist, zeige die Reaktion vieler Zuschauer, die zum Teil zu Tränen gerührt aus der Vorstellung kommen, beobachtete Pauls. "Das ist für uns ein Zeichen, dass sie begriffen haben, worum es geht."Hintergrund Die Passionsspiele in Wallersheim werden 2008 zum fünften Mal in der Pfarrkirche St. Nikolaus in Wallersheim aufgeführt. Das Passionsspiel ist die Verkündung der Heilsbotschaft. Dargestellt wird das Leiden und Sterben Jesus Christus. Aufführungen gibt es vom 16. Februar bis zum 21. März 2008. Infos im Internet unter www.passionsspiele-wallersheim.de.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort