Die Einsamkeit des Übersetzers - In Bitburg kämpft der ehemalige Bundeswehr-Helfer aus Kabul allein

Bitburg/Kabul. · In Afghanistan hat er als Übersetzer für die Bundeswehr gearbeitet, die Taliban sehen ihn seitdem als Feind. Jetzt hat Mohammad Osman Arefi Zuflucht in Bitburg gesucht - doch er findet keine Arbeit. Und er fühlt sich von dem Arbeitgeber im Stich gelassen, für den er auf den Straßen Kabuls sein Leben riskiert hat.

 Mohammed Osman Arefi in seinem spärlich eingerichteten neuen Zuhause in Bitburg.

Mohammed Osman Arefi in seinem spärlich eingerichteten neuen Zuhause in Bitburg.

Foto: Eileen Blädel

Der Flug von Afghanistan nach Deutschland war für Mohammad Osman Arefi eine Reise vom Krieg in den Frieden - aber auch in eine Welt, die von einer neuen Angst vor der Zukunft geprägt ist: Fernab seiner Heimat ist der 52-Jährige, der jahrelang als Übersetzer für die Bundeswehr in Kabul im Dienst war, in Bitburg auf der Suche nach Arbeit - und das bislang vergeblich.

Sein Land hat Mohammad Osman Arefi im März 2014 verlassen. Denn nach dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan war die Furcht vor Racheakten der Taliban groß: Die einheimischen Dolmetscher standen aufgrund ihrer Nähe zu den ausländischen Militärs im Visier der Aufständischen. Und so ließ Mohammad Osman Arefi die einen Sorgen hinter sich - um sie durch andere ersetzt zu sehen.

Mit seiner Frau und seinen vier Kindern lebt Arefi in einem kleinen Haus in Bitburg - die Miete ist eigentlich zu hoch, sagt er. Beim Amt - von dem er 1000 Euro im Monat bekommt - habe er deshalb auch für dieses Zuhause kämpfen müssen, erzählt er. Dafür verzichtet die Familie auf andere Dinge, und wenn es sein muss, dann "essen wir ein bisschen weniger", sagt er.

10.000 US-Dollar Abfindung hat ihm die Bundeswehr gezahlt. Mehr als die Hälfte - 6000 US-Dollar - verschlangen die Flugtickets, die Arefi und seine Familie nach Deutschland brachten. Dort angekommen, hört er von seinem früheren Arbeitgeber nichts mehr. Er habe erwartet, dass man nach ihnen frage, sich kümmere, sagt Arefi: "Aber es gab keinen Kontakt." Arefi fühlt sich allein gelassen: "Wir kennen hier niemanden."

In Afghanistan war das anders. Nachdem Arefi als Journalist unter anderem für die Regierungszeitung in Kabul und als stellvertretender Büro-Verwalter des Chak-a-Wardack Hospitals gearbeitet hat, begann seine Zusammenarbeit mit den deutschen Soldaten: Er war Mitbegründer des ISAF Free Radio und arbeitete für ein UNO-Projekt als Produzent im Rundfunk. Von 2004 an war er mit der Bundeswehr tagtäglich auf den Straßen Kabuls unterwegs: "Wir haben Patrouillen gemacht, Informationen getauscht, ich war bei Kontrollen von Fahrzeugen, bei Hilfen in zivilen Schulen oder wenn es um den Aufbau einer Militärschule ging, gefragt", erzählt er. "Als Dolmetscher waren wir sehr bekannt. Wir hatten auch Auftritte im Fernsehen."

Die Dolmetscher waren wichtig für die Arbeit der deutschen Soldaten - das bestätigt Thomas Kolatzki, Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr: "Ich bezeichne die afghanischen Ortskräfte - aus eigener Erfahrung - oft als Schlüssel zum Erfolg."

Doch die Angst, abends nicht mehr nach Hause zurückzukehren, sei allgegenwärtig gewesen, sagt Arefi. Er erinnert sich an einen Anschlag auf deutsche Militärangehörige, den er miterlebt hat: "Die Soldaten wollten nach Hause, zurück nach Deutschland. Mit dem Bus waren sie unterwegs zum Flieger. Viele sind verletzt worden, einige getötet. Zwanzig Meter ist das Fahrzeug ins Feld geschleudert worden."

Und Bitburg, sagt Arefi, "ist wirklich sehr schön. Aber es ist schwer - besonders für meine Frau." Sie spricht kein Deutsch und will jetzt einen Sprachkurs machen. Seine Kinder gehen zur Schule - seine älteste Tochter aber musste ihren Ehemann in Kabul zurücklassen. "Und ich weiß nicht, was aus ihnen wird", sagt Arefi, der sich selbst fragt, wie er seine Tage hinter sich bringen soll: "Immer nur zuhause zu sein, das ist schwer für mich." Weil sein afghanischer Führerschein in Deutschland nicht gilt, geht er jetzt zur Fahrschule. Und er schreibt Bewerbungen. Das Wichtigste sei für ihn, eine feste Arbeitsstelle zu finden: "Egal was" - damit gibt sich der Mann zufrieden, der im Krisengebiet ein so wichtiger Helfer der Deutschen war.

Die Bundeswehr wirbt bei ihren eigenen Soldaten für ein Patenschaftsprogramm: Die sollen die ehemaligen afghanischen Ortskräfte bei der Eingewöhnung in Deutschland unterstützen - zum Beispiel beim Spracherwerb, bei der Wohnungssuche und im Alltag. Als Arefi davon hörte, schrieb er an das Bundesministerium: Dieses Programm sei ein wichtiger Schritt und er würde gerne daran teilnehmen - doch bis heute hat er keine Antwort erhalten.

Und so versucht er, sich allein im Alltag zurechtzufinden. Er denkt oft an die Zeit in Kabul zurück. "Aber die ist vorbei", sagt er. Und immer noch ist er entschlossen: "Wenn die mich in Afghanistan brauchen: Ich bin bereit." Nicht nur, weil er dort eine Aufgabe hatte: "Heimat ist Heimat", sagt er. Doch ob eine Rückkehr jemals möglich sein wird, weiß er nicht.Extra

Für die Bundeswehr sind nach Angaben von Sprecher Thomas Kolatzki derzeit 565 afghanische Ortskräfte in Afghanistan eingesetzt. Ende Januar 2012 waren es noch rund 1400. Das sind nicht nur Übersetzer, sondern zum Beispiel auch Handwerker, Fluglotsen oder Kraftfahrer. Nach Abzug der deutschen Soldaten gibt es nun für die Ortskräfte die Möglichkeit einer Aufnahme in Deutschland. Die Bundesregierung prüft jeden Einzelfall genau: Besteht für die Helfer eine Gefahr, bekommen sie eine Aufnahmezusage. 320 Ortskräfte sind bisher nach Deutschland eingereist - und mit ihnen ihre Familienangehörigen: 746 an der Zahl. eib

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