Die hart erkämpfte Landeshilfe

Lissendorf/Jünkerath · Sie war vor fast 20 Jahren ein perfektes Finanzierungsmodell: Die sogenannte Vorausfabrik der Eifeler Fleischwaren GmbH in Lissendorf. Dann aber rissen schwere Baumängel die Ortsgemeinde ins Schuldenloch. Jetzt gewährt das Land, das jahrelang Finanzhilfe verweigerte, eine Geldspritze von 900 000 Euro und steht für 60 Prozent der Schulden gerade.

 Die Vorausfabrik: Die Finanzierung stürzte die Gemeinde ins Schuldenloch. TV-Foto: Archiv/Vladi Nowakowski

Die Vorausfabrik: Die Finanzierung stürzte die Gemeinde ins Schuldenloch. TV-Foto: Archiv/Vladi Nowakowski

Lissendorf/Jünkerath. Die Vorausfabrik in Lissendorf galt vor knapp 20 Jahren, als der Gemeinderat den Bau beschloss, als beispielhaftes Modell zur Unterstützung der ortsansässigen Wirtschaft.
Das Prinzip: Die Gemeinde gründet eine Struktur-Fördergesellschaft, errichtet für einen Unternehmer ein passendes Firmengebäude. Die Finanzierung geschieht jeweils zur Hälfte über ein zinsloses Darlehen des Landes und ein Kommunaldarlehen zulasten der Ortsgemeinde.
Der Firmeninhaber hat dadurch in den Anfangsjahren eine deutlich geringere Belastung - verpflichtet sich aber, für das Gebäude Miete zu zahlen und es nach einem Zeitraum von fünf bis sieben Jahren zu kaufen.
In Lissendorf war das die Eifeler Fleischwaren GmbH, die sich am Ortsrand einen Erweiterungsbau errichten ließ. Der Preis: gut 2,5 Millionen Euro. Im Jahr 2000 nahm das Unternehmen in der Halle die Produktion auf.
Und dann geriet das Ganze zum Desaster: Denn schon bald stellte man an der Halle erhebliche Baumängel fest, ein Produktionsstopp drohte, man zog vor Gericht, eine Sanierung hätte einem Gutachten zufolge eine halbe bis 1,25 Millionen Euro gekostet.
Gemeinde in der Kreide


Das vorläufige Ende vom Lied: Ein Teil der Schäden wurde von den Baufirmen nachgebessert, andere, weniger gravierende, blieben. Die Firma kaufte schließlich die Halle zum verminderten Preis von einer Million Euro. Dieses Geld ging ans Land - und die Ortsgemeinde stand mit 1,5 Millionen in der Kreide.
Nachdem dann Lothar Schun die Amtsgeschäfte als Ortsbürgermeister von Karl Weber übernommen hatte, versuchte er immer wieder, die Landesregierung zu finanzieller Unterstützung zu bewegen. Es half nichts: Mainz erteilte regelmäßig Absagen. Im Jahr 2011 etwa verweigerte der damalige Innenminister Karl Peter Bruch den schuldlos in die Schulden geratenen Lissendorfern Hilfe aus dem sogenannten Ausgleichsstock, dem Nothilfefonds des Landes, weil es anderen Gemeinden noch schlechter gehe und diese vorrangig zu behandeln seien. Stattdessen verwies er die Gemeinde auf den Kommunalen Entschuldungsfonds, der 2012 eingerichtet wurde, und empfahl der Ortsgemeinde, auf diesem Weg Geld zu sparen. Schun blieb dennoch dran, erhielt aber vor einem Jahr auch von Malu Dreyer, inzwischen Ministerpräsidentin, eine Absage.
Der Gemeindechef wandte sich anschließend an Diane Schmitz, die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll. Die VG-Chefin, als frühere Kämmerin in Alfter eine Expertin in Finanzfragen, setzte sich ebenfalls hin und verfasste ein detailliertes Schreiben ans Innenministerium, in dem sie die desolate Lage der Gemeinde (mehr als 2,5 Millionen Euro Gesamtschulden, fast 2500 Euro pro Bürger) darlegte und um Geld aus dem Ausgleichsstock bat. Außerdem spannte sie den Gemeinde- und Städtebund ein, dessen Verbandsdirektor Winfried Manns sich gemeinsam mit dem stellvertretenden GStB-Landesvorsitzenden Aloysius Söhngen, zugleich Bürgermeister der VG Prüm, zu Verhandlungen nach Mainz begab.
Die neue Initiative hatte schließlich Erfolg: Ende Juli erhielt die darbende Gemeinde erfreuliche Post von Innenminister Roger Lewentz: Es gibt nun doch Hilfe. Denn mittlerweile erkannte man, dass in Lissendorf eine, so heißt es im Landesfinanzausgleichgesetz, "außerordentliche Lage im Einzelfall" vorliege. Also erhält die Gemeinde nun 900 000 Euro, 60 Prozent der Gesamtschulden aus der Fabrik-Havarie. Und damit verringert sich die Belastung - für die die Gemeinde nichts konnte - auf nun noch 500 000 Euro.
Extreme Lage erkannt


Die Bürgermeisterin zeigt sich glücklich über diesen Ausgang, bei dem ein Großteil der Schulden getilgt werden kann. "Und die Bürger müssen nicht mehr länger diese Belastung tragen", sagt Diane Schmitz.
Ortsbürgermeister Lothar Schun ist ebenfalls froh darüber, dass die gemeinsame Anstrengung dazu geführt habe, "dass das Land unsere extreme finanzielle Notlage anerkannt hat und Hilfe leistet". Und er dankt allen, die sich für diesen Ausgang eingesetzt haben: Denn ansonsten "wären wir aus meiner Sicht nicht mehr in die Lage gekommen, auch nur halbwegs eine Selbstverwaltung auszuüben".
Meinung

Dranbleiben lohnt sich
Das Beispiel Lissendorf zeigt: Man darf nicht aufgeben, wenn man mit dem Land verhandelt, und hört man auch noch so oft ein Nein. Man sollte außerdem dabei die Reihen schließen, wie es Orts- und Verbandsgemeinde getan haben. Und sich dann die richtigen Fachleute suchen, in diesem Fall beim Gemeinde- und Städtebund. Am Ende steht der verdiente Lohn der gemeinsamen Mühe. Das macht zwar nicht alles wieder gut - aber es nimmt der Gemeinde Lissendorf einen guten Teil ihrer schweren Last. fp.linden@volksfreund.de

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