Mehr Toleranz Die interkulturelle Woche in der Eifel

Bitburg/Prüm · In Sachen Integration ist Deutschland weit gekommen. Aber vieles läuft bis heute nicht optimal. Wo es in der Eifel noch hakt und was jeder von uns dazu beitragen kann.

 Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Caritasverbands Westeifel setzen sich, auch außerhalb der interkulturellen Woche, tagtäglich für Toleranz und Integration ein. Die proaktive Familienberaterin Irmgard Olk (links), Nnennaya Okeke vom Jugendmigrationsdienst (Mitte) und Maike Potgeter vom Migrationsfachdienst (rechts).

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Caritasverbands Westeifel setzen sich, auch außerhalb der interkulturellen Woche, tagtäglich für Toleranz und Integration ein. Die proaktive Familienberaterin Irmgard Olk (links), Nnennaya Okeke vom Jugendmigrationsdienst (Mitte) und Maike Potgeter vom Migrationsfachdienst (rechts).

Foto: TV/Alexander Wittlings

Diesen Sonntag startet wieder die bundesweite „Interkulturelle Woche“. Unter dem Motto „#offen geht“ gibt es überall im Land Aktionen rund um das Thema Integration, Toleranz und Nächstenliebe. Auch in der Eifel. Der Caritasverband Westeifel hat zusammen mit der Gleichstellungsbeauftragten Marita Singh und der Integrationsbeauftragten Gunda Gercke-Stolzenbach ein Programm auf die Beine gestellt, um Menschen in der Region zusammenzubringen.

„In der Woche soll Integration gelebt werden“, sagt Singh. „Migration bedeutet auch, etwas mit den Menschen gemeinsam zu machen, sich an einen Tisch zu setzen und zu sagen: Ihr lebt nicht neben uns, wir leben mit euch.“

Dabei sei es nicht immer einfach in der Eifel Anschluss an die Gesellschaft zu finden, sagt Nnennaya Okeke vom Jugendmigrationsdienst der Caritas. Ein großes Problem für Geflüchtete sei die schlechte Infrastruktur. „Den besten Einstieg hat man immer dort, wo man andere Menschen treffen kann“, sagt Okeke. „Egal ob im Sport- und Musikverein, auf der Arbeit oder in der Schule. Mit je mehr Menschen man in Kontakt kommt, desto schneller wird man auch ein fester Teil der Gesellschaft. Die allerwenigsten Geflüchteten haben jedoch ein Auto. Ohne vernünftige Bus- und Bahnanbindungen bleiben diese Menschen isoliert.“

Auch Corona habe hier viel kaputt gemacht, sagt Maike Potgeter vom Migrationsfachdienst der Caritas. Der direkte Kontakt sei essentiell für die Menschen, die neu zu uns kommen. Manches habe man über Online-Angebote ausgleichen können. Aber auch hier bereite der schlechte Netzausbau in der Eifel Probleme. Einige Geflüchtete, zum Beispiel im Bereich Speicher oder Spangdahlem, würden daher gerne näher nach Bitburg oder Trier ziehen. Solche Anträge hätten jedoch selten Erfolg, sagt Potgeter. „Viele fühlen sich allein gelassen. Diese Menschen kommen zu uns, denken sie haben das Elend endlich hinter sich, nur um teilweise ohne jeglichen Anschluss zu vereinsamen.“

Wen die Isolation besonders treffe, seien die Frauen, erklärt Potgeter. „Während die Männer eher zum Arbeiten oder Einkaufen vor die Tür gehen, bleiben die Frauen oft mit den Kindern zuhause. Soziale Interaktion findet da kaum statt. Wir gehen daher aktiv auf die Frauen zu, um sie unter Leute zu bringen.“

Dafür veranstaltet die Caritas zum Beispiel sogenannte Frauencafés, die ausdrücklich nur für die weiblichen Familienmitglieder sind. Hier können sie sich mit anderen austauschen und Kontakte knüpfen, aber sich auch in einem sicheren Umfeld die Sorgen von der Seele reden. Ein sehr wichtiger Aspekt, der oft vergessen werde, sagt die Integrationsbeauftragte Gunda Gercke-Sterzenbach: „Viele sind unter unmenschlichen Bedingungen geflüchtet, haben ihre Kameraden und Familien verhungern und sterben sehen. Schlafstörungen und Panikattacken sind da nichts Ungewöhnliches. Aber die psychologische Betreuung dieser Menschen wird leider oft vergessen. Was viele am meisten brauchen ist jemand, der ihnen zuhört. Manchmal ist ein Nachbar, der nur zum Tee vorbeikommt, wichtiger als jede finanzielle Unterstützung.“

Wichtig sei es laut Gercke-Sterzenbach zu verstehen, das Integration nicht nur eine alleinige Bringschuld der Geflüchteten ist. Jeder Einzelne, egal ob Nachbar, Arbeitgeber oder Fremder auf der Straße, könne seinen Beitrag dazu leisten.

„Viele Arbeitgeber in der Region geben den Menschen den Halt, den sie brauchen“, sagt Potgeter. „Sie geben diesen Menschen nicht nur Hoffnung und eine feste Arbeit. Oft setzen sie sich auch direkt für die Geflüchteten ein. So mancher grundehrliche Mensch wäre schon lange abgeschoben und in Lebensgefahr, wenn sich ihre Chefs nicht für sie eingesetzt hätten. Ich kann nur jedem Arbeitgeber empfehlen, Geflüchteten eine Chance zu geben. Die meisten entlohnen dieses Vertrauen mit purer Dankbarkeit.“

Was im Eifelkreis gut funktioniert, sind die sogenannten Familienpatenschaften. Hier kümmern sich Ehrenamtliche ein bis drei Mal in der Woche um Familien, egal ob geflüchtet oder einheimisch, und helfen im Alltag aus.

Ein fantastisches Projekt, findet Irmgard Olk, Familienberaterin der Caritas: „Bei einem aktuellen Beispiel hatte eine alleinstehende geflüchtete Mutter eine Frühgeburt und muss sich rund um die Uhr um das Baby kümmern. Durch die Hilfe ihrer Patin kann sie sich aber auch mal Auszeiten nehmen, in Ruhe duschen oder ins Gespräch kommen. Die Nähe und Aufmerksamkeit gibt den Menschen einfach ein Stück Heimat.“

Die Kinder seien laut der Caritas das Allerwichtigste bei der Integration. Um geflüchteten Kindern eine möglichst unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen, werden daher auch zahlreiche Aktionen für Familien organisiert. „Die Eltern sind sehr froh, wenn ihre Kinder etwas unternehmen können“, sagt Okeke. „Vor allem für alleinstehende Geflüchtete kann es eine große Stütze sein. Unsere Ferienfreizeit ist immer sehr gut besucht, ohne dass wir großartig Werbung machen.“

Dabei müsse es nicht immer der feste Job oder die ehrenamtliche Hilfe sein. Ein freundliches „Hallo“ auf der Straße oder andere kleine Gesten könnten schon den Unterschied machen, sagt Okeke. Was manchmal fehle, sei ein Eisbrecher. Nicht nur Geflüchtete seien schüchtern, auch viele Eifeler wüssten oft nicht, wie sie auf fremde Menschen zugehen sollen. Die interkulturelle Woche soll daher genau diese Überwindung schaffen und Brücken bauen.

„Ich hoffe, dass wir noch toleranter werden“, sagt Singh. „ Dass wir lernen, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind. Dass wir den Leuten nicht einfach nur unsere Kultur überstülpen, sondern uns gegenseitig ergänzen. Wenn jemand anders ist als wir, dann ist das gut so. Denn dadurch wird unser Land bunter und vielfältiger.“

(axw)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort