Freizeit Wo halb Europa die Segel setzt
Bütgenbach/Rommersheim · Der Bütgenbacher See in Belgien ist Schauplatz einer ganz besonderen Art der Völkerverständigung: Im Royal Yacht Club Warche spielt die Nationalität der Mitglieder keine Rolle, Wind und Wasser sind für alle da.
„Kennen Sie sich mit den Grenzverhältnissen aus?“, fragt Werner Weihofen während der halbstündigen Fahrt von Rommersheim bei Prüm nach Bütgenbach. „Die sind hier ganz interessant“, erklärt Weihofen, als früherer Mitarbeiter des Katasteramts bestens informiert.
„Die Straße, auf der wir uns befinden, liegt in Deutschland, zwei Meter weiter links ist schon Belgien.“ Am Ziel, dem Vereinsheim des Royal Yacht Clubs im belgischen Bütgenbach, gebe es von irgendwelchen Grenzen keine Spur, erklärt Weihofen. „Dort treffen sich Belgier, Luxemburger, Franzosen, Deutsche und Niederländer, um dem gemeinsamen Hobby zu frönen, dem Segeln.“ Bei internationalen Regatten, die der Club jährlich ausrichte, stießen auch Briten, Italiener und Skandinavier zur ohnehin schon multinationalen Truppe. „Wir leben am Bütgenbacher See die Europäische Union“, sagt Werner Weihofen, der seit 30 Jahren Mitglied des Segelclubs ist und den TV zum Neujahrsempfang seines Vereins eingeladen hat.
Auch wenn der Club den Titel „royal“, also „königlich“ im Namen trage, treffe man dort nicht etwa auf Snobs oder sehr betuchte Menschen mit riesigen Yachten, sondern auf ganz gewöhnliche Leute, erklärt der Hobbysegler: „Die Auszeichnung „Royal“ erhält in Belgien jeder Verein, der älter als 50 Jahre ist und sich gemeinnützig engagiert.“
Der See, rund 1,2 Quadratkilometer groß, dient auch als Wasserspeicher der Region. Im Januar sind keine Yachten zu sehen, dafür platzt das holzverkleidete Club-Heim beim Neujahrsempfang aus allen Nähten.
Kein Wunder, denn es seien etwa 200 Familien Mitglied des Yacht-Clubs, sagt Alix Mathieu, dessen Vater Eric der „President“, also der Vorsitzende des Vereins ist. „Das sind insgesamt rund 500 Menschen.“ Die seien selbstverständlich nicht alle gekommen, sonst könne man sich gar nicht mehr bewegen. „Aber zu unseren Aktivitäten im Sommer kommen sie fast alle an den See.“
Der 18jährige Alix und sein Bruder Virgil (14) sind eigenen Angaben nach „schon immer im Yacht-Club“ – sie segeln bereits in dritter Generation. „Unser Großvater ist Gründungsmitglied „, erzählen die Brüder.
Beim Blick in die gutgelaunte Menge fällt auf, dass Alix und Virgil nicht die einzigen Jugendlichen sind: Mit seinem Nachwuchs scheint der Club keine Probleme zu haben. „Wir veranstalten jeden Sommer eine Segelschule, auch für Kinder und Jugendliche, manche davon bleiben im Verein“, erklärt Alix, der selbst ein gutes Beispiel für die grenzenlose Gemeinschaft des Royal Yacht Club Warche ist. Mit seinen Eltern lebt er in Luxemburg, besucht aber eine Schule in Belgien – wo er übrigens auch seine guten deutschen Sprachkenntnisse erworben habe, wie er sagt.
Während Werner Weihofen von gefühlt jedem einzelnen Besucher des Neujahrsempfangs überaus herzlich begrüßt wird, bilanziert Präsident Eric Mathieu das vergangene Jahr und lobt die Segler für ihre Erfolge bei nationalen und internationalen Wettkämpfen – auf Französisch und Deutsch.
An der Pinnwand auf der Stirnseite des Clubheims studieren Eduardo und sein Vater Jean-Dominic Montoisy den Kalender mit den Aktivitäten des Vereins in diesem Jahr. Eduardo ist mit seinen neun Jahren das jüngste Mitglied des Vereins, sein Papa ist Belgier, seine Mutter Italienerin – und, auch so ein Beispiel für ein lebendiges Europa – die Familie lebt in Frankfurt.
„Wir kommen so oft wie es nur geht an den Bütgenbacher See, erzählt Vater Jean-Dominic (auf englisch). „Und Eduardos Freunde nehmen wir auch mit.“
Für ihn sei Segeln „eine Schule für das Leben“, sagt er. „Man lernt, schnell zu reagieren und damit eine große Portion Selbstkontrolle.“ Für Eduardo ist die Sache einfacher: „Man kann hier echt schnell fahren“, sagt er (auf deutsch). „Und gekentert bin ich auch noch nicht.“
Diejenigen, die mit ihren Jollen im vergangenen Jahr umgekippt sind, werden während des Empfangs ausgezeichnet. Sie erhalten den „Großen Badeorden am Band“ – und sorgen mit den Geschichten (in deutscher, französischer und englischer Sprache) über ihre unfreiwillige Begegnung mit der Wasseroberfläche für große Erheiterung.
„Ich bin sehr froh über diesen zwanglosen Umgang der Menschen aus unterschiedlichsten Nationen“, sagt Werner Weihofen während der Rückfahrt nach Rommersheim. „Wie sie wissen, war das nicht immer so.“