Die Kommunal-Rebellen lassen nicht locker

Hallschlag/Reuth · Auch wenn der Rat der Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll anders entschieden hat: Hallschlag, Ormont, Reuth und Scheid wollen nicht mit der gesamten Kommune in Richtung Hillesheim und Gerolstein fusionieren, sondern lieber zur VG Prüm wechseln. Nächster Schritt: ein Bürgerentscheid.

Die Kommunal-Rebellen lassen nicht locker
Foto: Fritz-Peter Linden

Hallschlag/Reuth. Sie geben nicht auf: Die vier Gemeinden im Oberen Kylltal, die sich einer Fusion der gesamten VG mit Hillesheim und Gerolstein entgegenstellen (der TV berichtete), überlegen nun, weitere Schritte dagegen einzuleiten. Ihr Ziel: Ein "Austritt" aus der Verbandsgemeinde Obere Kyll und der anschließende Wechsel zur VG Prüm.
"Der Ortsgemeinderat in Reuth hat in seiner letzten Sitzung einen Bürgerentscheid beschlossen", sagt Gemeindechef Ewald Hansen, der bereits als VG-Ratsmitglied den Mitte Dezember dort beschlossenen Zwang zum Verbleib der vier Dörfer in der Kommune scharf kritisiert hatte.
Kommunalreform


Hansen weiß, was seine Bürger wollen: nach Prüm. Der geplante Entscheid sei nun "die letzte Möglichkeit", dass man doch noch ziehen gelassen werde. Bereits im Juni hatten bei einer Befragung 80 Prozent der wahlberechtigten Reuther diesen Wunsch angegeben.
In Ormont waren es fast 92 Prozent, in Hallschlag ähnlich viele. Lediglich in Scheid hatte die Ortsgemeinde keine Befragung vorgenommen - aber auch dort dürfte die Tendenz sich nicht von denen der anderen unterscheiden. Man werde in absehbarer Zeit die Bürger noch einmal fragen, ob sie den Wechsel zur VG Prüm bevorzugen - "um damit beim Minister in Mainz vorstellig zu werden", sagt Ewald Hansen. "Ich hoffe, dass es bis Ende Januar klappen kann." Immerhin habe Innenminister Roger Lewentz gesagt, der Bürgerwille stehe bei der Reform im Vordergrund. Jetzt werde man ihn beim Wort nehmen. "Und ich gehe davon aus, dass Ormont und Hallschlag das auch machen."
Hallschlags Ortsbürgermeister Hans-Jürgen Breuer bestätigt: "Das ist die einzige Möglichkeit, die wir noch haben." Voraussichtlich Mitte Januar werde man im Ortsgemeinderat den entsprechenden Beschluss fassen und den Bürgerentscheid in die Wege leiten. In Ormont, sagt Ortsbürgermeister Cornelius Dahm, ziehe man diesen Weg ebenfalls in Erwägung. Allerdings wolle er dem Gemeinderat nicht vorgreifen, das Gremium müsse das Thema zuerst gemeinsam besprechen.
Er habe sich sehr über den VG-Ratsbeschluss geärgert, sagt Hans-Jürgen Breuer. "Aber das war ja zu erwarten. Ich wundere mich nur, warum Stadtkyll so ruhig bleibt." Ganz einfach, sagt der dortige Gemeindechef Harald Schmitz: In seinem Dorf wäre eine Befragung vermutlich nicht so klar ausgefallen, er geht davon aus, dass es eine knappe Mehrheit für Prüm gegeben hätte. "Und dann sagt der VG-Rat Nein - wofür habe ich denn dann meine Bürger verunsichert? Was hat man von einer Entscheidung, die man dann nicht durchgesetzt bekommt?"
Außerdem vermutet Schmitz, dass die Stadtkyller aufgrund ihrer Schulden und des ungelösten Problems der Schwimmbadsanierung in Prüm ohnehin längst nicht so willkommen wären wie das Quartett der finanziell gesünderen anderen Dörfer.
Für Walter Schneider, den Ortsbürgermeister in Stadtkylls Nachbardorf Kerschenbach, ist es mit der von der Landesregierung versprochenen Rücksicht auf den Willen der Bürger ohnehin nicht weit her: Im Prinzip seien die wesentlichen Entscheidungen längst getroffen. Und so sei es auch im Rat der VG Obere Kyll geschehen.
Schneider fürchtet allerdings, dass die ganze Angelegenheit ohnehin die meisten Einwohner nicht interessiert: "Zu der letzten Ratssitzung am 15. Dezember in Jünkerath waren lediglich zwei Bürger erschienen. Daher auch der gefühlte Machtanspruch der Ratsmitglieder, hier Entscheidungen zu treffen. Wären die bisherigen Veranstaltungen zum Thema überlaufen gewesen, es hätte sich keiner getraut, als Vormund der Bürger aufzutreten." Sein Fazit: "Zu Freierszeiten pflegte meine Oma zu sagen: ,Jank net de Kyll eraf\' ("Geh nicht kyllabwärts"). Bei meiner Frau hat das geklappt, aber zu dieser Hochzeit werde ich nun wahrscheinlich gezwungen."Meinung

Demokratie auf dem Dorf
Mehr und mehr wird deutlich, was für ein Ei die Landesregierung mit ihrer Reform den Gemeinden ins Nest gelegt hat - zumindest dort, wo Verbandsgemeinden auf der Streichliste stehen. Immerhin: Die Ortsbürgermeister in den wechselwilligen Gemeinden des Oberen Kylltals versuchen alles, um dem - bereits bei den Befragungen im Sommer klar geäußerten - Wunsch ihrer Einwohner gerecht zu werden. Vermutlich werden die Rebellen dennoch in Mainz abgeschmettert. Aber man wird ihnen dann nicht vorwerfen können, dass sie sich nicht für ihre Dörfer eingesetzt hätten. Der Bürgerwille: Er wird leider nur so lange respektiert, wie er die Kreise der Großen nicht stört. fp.linden@volksfreund.deExtra

In den vier Ortsgemeinden, die sich von der VG Obere Kyll mit ihren insgesamt 8600 Einwohnern lösen wollen, leben etwa 1220 Menschen. In Hallschlag sind es 518 Bürger (Fläche: 12,74 Quadratkilometer), in Ormont 374 (Fläche: 12,44), in Reuth 211 Bürger (7,15) in Scheid 119 (5,14). Die Verbandsgemeinde hat eine Gesamtfläche von 137 Quadratkilometern, sie würde neben dem Verlust der Einwohner auf eine Fläche von knapp 100 Quadratkilometern reduziert. Der Verlust beträfe auch den Landkreis Vulkaneifel mit 911 Quadratkilometern und derzeit etwa 61 000 Einwohnern. Würden die Orte Stadtkyll (1480 Einwohner) und Kerschenbach (174 Einwohner) ebenfalls abwandern, wäre er noch größer. fpl/chExtra

Bei Bürgerentscheiden stimmen die Wähler über kommunale Angelegenheiten ab, sie gelten wie Ratsbeschlüsse. Die Bundesländer haben jedoch unterschiedliche formale Bedingungen und vorgegebene Fristen als Hürden aufgestellt. In Rheinland-Pfalz sind Bürgerentscheide ausschließlich für "wichtige Gemeindeangelegenheiten" vorgesehen - darunter fällt auch "die Änderung des Gemeindegebiets und die Änderung des Gebiets von Verbandsgemeinden". fpl

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