Die Leuchtfeuer der Nacht

Prüm · Es ist eine ganz normale Sommernacht: Grillen zirzen, Vögel zwitschern, und grün leuchtende Würmer fliegen durch die Luft. Leuchtende Würmer, was soll das denn sein? Auch in diesem Jahr sieht man Glühwürmchen, auch Leuchtkäfer genannt, wieder durch die warmen Nächte schwirren.

Prüm. Es war einer jener lauwarmen Sommernächte, in denen man sehr lange draußen sitzen und tief in die Nacht hinein träumen konnte. Bis der Enkel auf einmal ausrief: "Opa, da fliegt ein Licht!"
Und als der Opa sich dann, dem Fingerzeig des Kleinen folgend, herumdrehte, konnte er tatsächlich etwas durch die Luft schweben sehen. Es leuchtete, nein, es blinkte so grünlich wie die Leuchtziffern des Weckers auf dem Nachttisch.
"Das ist ein Glühwürmchen", erklärte ich klug. "Ein leuchtendes Tierchen." -"Kann ich es fangen?", meinte der Enkel und sprang schon auf, rannte zickzack über den Rasen, warf sich dann hin und grapschte ins Gras. "Ich habe es!", jauchzte er, kam zu mir und meinte dann mich zweifelnd ansehend: "Das sieht aber nicht nach einem Wurm aus, es hat sogar sechs Beine, und glühen tut es auch nicht!"
Nun ja, da hatte er recht. Ein kleines Käferchen war es, noch nicht mal einen Zentimeter lang. Unbehaart, dunkelbraun und mit kleinen Flügeln. Und unter diesen konnte man ganz kleine gelbliche Flecken erkennen, die ab und zu ein fluoreszierendes Licht abgaben. Wie das kleine Tierchen diese Lichter ein- und ausschaltete, konnte ich nicht erklären. Aber meinem Kleinen sagen konnte ich: "Ich finde, der Name Glühwürmchen ist allemal schöner und romantischer als Leuchtkäfer oder Lamprohiza, wie der Biologe sagt.
Aber es hat noch einen anderen Namen, nämlich Johannistierchen. Denn man sieht diese grünlichen Punkte fast nur in warmen Sommernächten fliegen, immer so etwa zwei Wochen um den Festtag von Johannes am 24. Juni. Drum auch sein Name."
Natürlich wollte der wissbegierige Enkelsohn auch wissen, warum das Tierchen "morst und solche Signalfeuer" versendet.
Und an diesem Beispiel kann man mal wieder sehen, wie erfindungsreich doch die Liebe ist und wie eine harmlose Frage den Opa in Verlegenheit bringen kann. Wie erklärt man dann einem Kleinen, dass dieses aufgeregte Blinken nichts anderes bedeutet als "Hey, Weibchen, wo bist du? Ich suche dich! Sende mir auch mal eine leuchtende SMS!"
Und das tut es auch, denn das liebestolle Glühwürmchenfräulein sitzt auf einem Grashalm, reckt sein jungfräuliches Hinterteil in die Luft und glüht: "Hey, flieg bloß nicht vorbei! Und achte drauf, dass du nicht in einem Spinnennetz landest!" Und das tut es auch nicht, denn mit seinen lichtstarken Augen erkennt es die Signale des Weibchens schnell und landet dann zielgenau. Und damit stimmt auch wieder die Volksmeinung: "Je schöner man strahlt, desto größer ist der Erfolg beim anderen Geschlecht."
"Wenn das so ist", meinte der Enkelsohn, "warum blinken die Käfer denn nur und leuchten nicht ständig?" Ich sag\'s ja, die Jugend von heute! Soll ich ihm wirklich aufklärerisch hart sagen, dass Glühwürmchen für Sex ihr Leben riskieren? Ständiges Leuchten erfreut ja nicht nur das erwartungsvolle Weibchen, sondern auch zahlreiche Feinde.
Deutlicher kann man solchen Räubern, auf deren Speisezettel "Johanniswürmchen" steht, nicht signalisieren, dass ihr Abendessen im Anflug ist.
Und der für uns so schöne Anblick fliegender und blinkender Insekten in lauer Sommernacht, bedeutet für die Tierchen jedoch stets einen gefährlichen Drahtseilakt zwischen Romantik und tödlichem Risiko.
Ich brauchte es nicht mehr zu erklären, denn mittlerweile war mein Enkel eingeschlafen.

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