"Die Menschen in der Eifel sind toll"

Arzfeld/Bitburg/Trier · Ahmad und Khaled kamen vor anderthalb Jahren aus Syrien in die Eifel, die inzwischen die zweite Heimat der Brüder geworden ist. Großen Anteil daran hat die ehrenamtliche Flüchtlingshelferin Theresia "Teddy" Schreiber aus Arzfeld.

 Teddy Schreiber mit ihren beiden Schützlingen Ahmad (links) und Khaled aus Syrien. TV-Foto: Andrea Weber

Teddy Schreiber mit ihren beiden Schützlingen Ahmad (links) und Khaled aus Syrien. TV-Foto: Andrea Weber

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Arzfeld/Bitburg/Trier "Am Anfang war ich verzweifelt, aber als ich Frau Schreiber getroffen habe, war alles gut", sagt der 26-jährige Ahmad. Die ehemalige Grundschullehrerin gab den Brüdern Deutschunterricht, als sie in die Eifel kamen, und wurde eine wichtige Bezugsperson für sie. Sie begleitete sie bei Behördengängen, sammelte Kleidung für sie und andere Flüchtlinge und half ihnen, eine Wohnung in Trier zu finden. "Sie ist wie eine Mutter für mich", sagt Ahmad, "sie hat ein großes Herz." Das eroberten die jungen Männer sofort. "Die sind so toll, die beiden, so einfühlsam", schwärmt Teddy Schreiber. "Khaled hat einen großen Gerechtigkeitssinn und Ahmad hilft, wenn andere Probleme haben", sagt die 67-Jährige. "Das könnten wirklich meine Söhne sein." -"Aber alle", fügt sie hinzu. Schreiber kümmert sich nämlich nicht nur um Khaled und Ahmad, die bis vor kurzem in einer Männer-WG in Arzfeld lebten, sondern - mit Freundinnen und Kolleginnen - um die Bewohner eines Achtfamilienhauses. Eine afghanische Familie, drei syrische Familien und zwei syrische Männer-WGs, zählt sie auf. "Ich bin alles: Taxifahrerin, Telefonistin, Seelsorgerin." Die Flüchtlingsarbeit ist für die Rentnerin zum Fulltimejob geworden. Und das, obwohl sie am Anfang gar nicht so richtig wollte.
"Ich habe mir das erstmal nicht zugetraut", sagt sie. Wegen des Männerbildes in den Medien habe sie außerdem Angst gehabt, wie sie als Frau angenommen würde. "Aber das hat ja alles nicht gestimmt", sagt sie, "unsere Jungs waren so toll! Das hat mich erstaunt, welchen Respekt die vor Frauen haben."
Sie muss lachen. "Als ich zum ersten Mal bei den Männern zum Essen eingeladen war, das war was!" Ihr Umfeld sei sehr besorgt gewesen. "Bekannte haben zu mir gesagt: ‚Nicht, dass dir was passiert! Hast du keine Angst?‘ Da hab' ich gesagt: ‚Warum soll ich Angst haben?‘ Ich kannte sie ja schon." Auch Khaled und Ahmad müssen darüber lachen. Inzwischen sind sie mit einigen Menschen aus Schreibers Umfeld befreundet. "Jetzt haben sie keine Angst mehr", sagt Ahmad. "Sie lieben das arabische Essen", fügt er hinzu. Er macht eine kurze Pause und wird ernst. Deutsche hätten ihre Meinung häufig aus den Nachrichten und nicht aus eigenen Erfahrungen. "Auch viele junge Leute haben Angst", sagt er, "aber wenn sie uns kennenlernen, nicht mehr."
"Die sind so gastfreundlich", sagt Schreiber. Es habe Wochen gegeben, da brauchte sie zu Hause nicht zu kochen, weil sie immer eingeladen gewesen sei. "Du kriegst unwahrscheinlich viel zurück", sagt die 67-Jährige.
Und das wollen die beiden Brüder: etwas zurückgeben. "Ich möchte mich bei den Deutschen bedanken. Niemand hat uns aufgenommen, aber Deutschland hat uns willkommen geheißen. Dafür sind wir so dankbar", sagt der 21-jährige Khaled.
Inzwischen leben beide in Trier. "Hier kann ich besser Deutsch lernen", sagt Khaled. Das ist beiden wichtig. Nur so können sie ein normales Leben führen. Ahmad will zum Wintersemester ein Master-Studium in Architektur beginnen. Seinen Bachelor hat er bereits in Syrien gemacht. Auch Khaled möchte studieren. Was genau, weiß er noch nicht.
Auch in Trier haben die beiden Freunde gefunden, mit denen sie regelmäßig etwas unternehmen. "Wenn man nett zu den Menschen ist, kann man viele Freunde finden", sagt Ahmad. An Deutschen schätzt er besonders die Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit. "Sie sagen direkt, was sie wollen, ohne große Umwege." Das gefällt den Brüdern.
Die Eifel ist für sie ihre zweite Heimat geworden. "Immer, wenn ich traurig bin, versuche ich, nach Arzfeld zu fahren", sagt Ahmad. Dort könne er zur Ruhe kommen. Das liege an den Menschen, die ihm ans Herz gewachsen sind: Seine Freunde aus der Männer-WG, Teddy Schreiber und ihre Familie. "Die Menschen in der Eifel sind toll", sagt er, "viele waren so nett zu uns und haben uns geholfen". Außerdem hat die Landschaft es ihm angetan, die Natur und die "vielen Berge". "Ich fahre immer mit dem Bus, gucke raus und sage 'Wow!'" Er lacht.
Vielleicht kann Ahmad bald schon wieder öfter in der Eifel sein. Für den Sommer sucht er ein Praktikum für sein Architektur-Studium. Teddy Schreiber hilft ihm dabei. Am liebsten wäre ihr, er fände etwas in der Nähe von Arzfeld. "Dann hätte ich ihn wieder hier", sagt sie und lacht.EINSTELLUNG IST BEI INTEGRATION WICHTIG


Extra

Nicht alle Flüchtlinge integrieren sich so reibungslos wie Ahmad und Khaled, sagt Irmgard Mminele von der Koordinierungsstelle zur Flüchtlingsarbeit beim Deutschen Roten Kreuz Bitburg. Das hänge zum einen von ihrer Einstellung ab - für manche sei das Glas eben halbvoll und nicht halbleer. Aber auch das Alter der Zuwanderer, die Schulbildung und der Familienstand spielten eine Rolle. Mminele glaubt, dass sich Familien und junge Männer am schnellsten eingliedern. Aber auch das Netzwerk und Hilfsangebote, die die Zuwanderer vorfinden und in Anspruch nehmen, bestimmten, wie schnell sie sich integrierten. Und ein weiterer Faktor sei die Gesellschaft. "Wenn uns jemand ähnlich sieht, gehen wir ganz anders mit ihm um, als mit jemandem, der uns fremder ist", sagt Mminele. Und die Flüchtlinge merkten, wenn Menschen Angst vor ihnen hätten.Dann fühlten sie sich nicht akzeptiert. Auch das erschwere die Integration.

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