Die Menschheit, eine Familie

Clerf · Robert Capa, Ansel Adams, Henri Cartier-Besson und viele mehr: Die größten Fotografen des 20. Jahrhunderts haben beigetragen zur Ausstellung "The Family of Man" - die Familie der Menschheit. Konzipiert hat sie der Luxemburger Edward Steichen. Vom ersten Juli-Wochenende an sind die 503 Bilder nach jahrelanger Restaurierung im Schloss Clerf wieder öffentlich zu sehen.

Clerf. Die Luxemburger Gemeinde Clerf und ihr Schloss, nur einen Katzensprung entfernt von Dasburg (VG Arzfeld) auf deutscher Seite, sind sowieso einen Ausflug wert. Allerdings vom Wochenende an auch aus einem weiteren Grund, und der heißt "The Family of Man".
Es ist der Titel einer Fotoausstellung, die im vergangenen Jahrhundert weltweit Furore machte und von zehn Millionen Menschen gesehen wurde. Beteiligt waren 273 Fotografen aus 68 Ländern mit 503 Aufnahmen.
Zu verdanken ist die Menschheitsschau einem gebürtigen Luxemburger: Edward Steichen, der 1878 in Bivange zur Welt kam und 1973 in Connecticut an der amerikanischen Ostküste starb. Seine Familie wanderte Ende des 19. Jahrhunderts nach Amerika aus, wo Steichen seine Karriere als Fotograf begann und für eine Reihe großer Magazine arbeitete. Steichens Bilder waren teuer, seine Motive oft berühmt, unter anderen porträtierte er Marlene Dietrich und Charlie Chaplin.
Eine Schau geht um die Welt


Anfang der 1950er Jahre stellte er "The Family of Man" im New Yorker Museum of Modern Art zusammen, für das er als Chef der Fotografie-Abteilung arbeitete. Die Absicht: Das Gemeinsame aller menschlichen Erfahrung zu betonen. Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs rief die Ausstellung dazu auf, die Menschheit als eine Familie zu verstehen. Das Ziel: eine friedlichere Welt.
Das mit dem Frieden hat leider nicht hingehauen, auch wenn "The Family of Man" nach der Premiere 1955 um den Globus geschickt und gefeiert wurde: Insgesamt waren die Bilder bei etwa 150 Präsentationen in 38 Ländern zu sehen.
Die letzte vollständige Version gelangte in Steichens Geburtsland - nach Luxemburg, wo sie seit knapp 20 Jahren im Schloss von Clerf dauerhaft zu sehen war. Allerdings hatten die teils sehr großen Fotografien über die Jahrzehnte Schaden genommen - Kratzer, Flecken, Risse, abgebrochene Ecken. Deshalb wurde die Ausstellung vor drei Jahren geschlossen, damit die Bilder und die Präsentationsräume unter der Leitung des Nationalen Instituts für Bild und Ton und des Denkmalamts restauriert werden konnten. Kosten für das gesamte Projekt: 5,1 Millionen Euro.
"Ein frommer Wunsch"


Wer die Bilder betrachtet, lässt sich auf eine beeindruckende Erfahrung ein - auch wenn es anfangs Kritik gab: Man habe der Ausstellung Naivität vorgeworfen und Geschichtslosigkeit, sagt Kuratorin Anke Reitz. "Aber Steichen wollte, dass alles zeitlos ist. Es war eine utopische Vision, ein frommer Wunsch sozusagen. Er wollte die Menschen dazu bewegen, sich Gedanken über ihr Verhalten und den Umgang mit anderen Menschen zu machen."
Die Kritik von damals ist verhallt, Wucht und Wirkung der Ausstellung sind geblieben. Das gilt erst recht nach der Restaurierung und den Renovierungsarbeiten im Schloss.
Die Wiedereröffnung ist am Freitag, 5. Juli, um 16 Uhr. Mit dabei sind auch Erbgroßherzog Guillaume und Erbgroßherzogin Stéphanie. Wer die Luxemburger Prominenzen sehen möchte: Die beiden werden vorher, gegen 15.30 Uhr, einen Gang durch die Fußgängerzone machen.
Dann folgt ein Wochenende der offenen Tür am Samstag, 6. Juli, und am Sonntag, 7. Juli, begleitet von einer Reihe von Aktionen rund um die Fotografie. Der Eintritt ist frei am Wochenende sowie in der Woche danach bis einschließlich Sonntag, 14. Juli.
Das Schloss ist Montag und Dienstag geschlossen, außer an Feiertagen. Der Eintritt kostet nach dem 14. Juli 6 Euro für Erwachsene, ermäßigt 4 Euro. Bis 21 Jahre ist der Eintritt frei.
Extra

Verantwortlich für die Ausstellung im Schloss Clerf ist das Nationale Institut für Bild und Ton (CNA - Centre national de l\\'audiovisuel). Seine Hauptaufgabe: Foto-, Film- und Tonmaterial im Großherzogtum zu erhalten und aufzuwerten. Der Fotobestand des Instituts umfasst inzwischen mehr als 400 000 Dokumente. Das CNA bewahrt und zeigt zwei Sammlungen des New Yorker Museum of Modern Art: The Family of Man und The Bitter Years. The Bitter Years - erstmals 1962 ausgestellt - ist heute als Dauerausstellung im Wasserturm in Düdelingen zu sehen. Beide Sammlungen wurden in den 1960er Jahren auf Wunsch Edward Steichens der luxemburgischen Regierung geschenkt. red/fpl

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort