Die Reform reißt eine Gemeinde entzwei

Gönnersdorf · Sachlich informieren - über die Frage, wohin Gönnersdorf bei der Kommunalreform gehen soll: Das war das erklärte Ziel der Redner bei der Bürgerversammlung am Dienstagabend. Das gelang zumindest phasenweise. Am Ende aber marschierte die Fraktion der Gerolstein-Befürworter geschlossen aus, während Ortsbürgermeister Walter Schmidt sein Schlusswort sprach.

 Gut 100 Zuhörer, kontroverse Diskussion: das stark gefüllte Bürgerhaus in Gönnersdorf am Dienstagabend. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Gut 100 Zuhörer, kontroverse Diskussion: das stark gefüllte Bürgerhaus in Gönnersdorf am Dienstagabend. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Gönnersdorf. Es ist nicht leicht, ein Gönnersdorfer zu sein: "Das geht hier quer durch", sagt Heinz Reifferscheid, der ehemalige Chef der Verbandsgemeinde-Werke Obere Kyll. Er meint den Riss, der sein Dorf spaltet, verursacht durch die Frage, wohin man bei der Kommunalreform wechseln soll: in die Verbandsgemeinde (VG) Prüm, wie vom Ortsgemeinderat beschlossen, oder in die VG Gerolstein, wie bereits in den Nachbarorten Birgel, Lissendorf und Steffeln geregelt.
Denn den Mehrheitsbeschluss trugen zwei Ratsmitglieder nicht mit: Werner Stabel und Josef Vietoris. Also setzten sie sich an die Spitze einer Initiative pro Gerolstein und erreichten damit, dass nun doch die Bürger zum Entscheid gerufen werden - am Sonntag, 8. Februar (der TV berichtete).KOMMUNAL REFORM


Darüber will man an diesem Abend informieren. Auf dem Podium: die Pro-Gerolstein-Fraktion, die Prüm-Befürworter, Diane Schmitz, Bürgermeisterin der VG Obere Kyll und ihr Büroleiter Arno Fasen.
Der referiert noch einmal, wie es zum VG-Ratsbeschluss für Prüm kam, warum das für die Obere Kyll die beste Lösung und ein Schuldenabbau in absehbarer Zeit zu schaffen seien. So hätte Gönnersdorf jährlich 49 000 Euro mehr in der Kasse als beim Wechsel nach Gerolstein, darin eingerechnet 17 800 Euro Einnahmen aus dem Solidarpakt Regenerative Energie: Geld, das die Gönnersdorfer bekämen, obwohl sie keine Windräder in Aussicht haben. Geht man nach Gerolstein, ist dieses Geld weg.
Fasen geht auch auf die Kritik ein, man habe die Zahlen für Prüm schöngerechnet. Also stellte man eine neue Kalkulation auf, die nicht auf der aktuellen VG-Umlage (29 Prozent in Prüm, 37 in Gerolstein) basiert, sondern auf dem Umlagen-Durchschnitt dieser Kommunen in den vergangenen fünf Jahren. Fazit: Es spreche immer noch alles für Prüm. Auch wenn dort die Wasser- und Abwassergebühren höher sind.Vorwurf des Betrugs


Ein Punkt, den aber Heinz Reifferscheid ganz anders sieht: Die Gemeinden an der Oberen Kyll erhalten fast alle ihr Wasser aus Quellen in Steffeln und Birgel - aus Dörfern, die zur VG Gerolstein wollen. "Dann kann das nur ein Zweckverband lösen", sagt er. "Und der macht seine eigene Kalkulation."
Diane Schmitz kontert die anonym gestreuten Behauptungen, die ihr finanzielle Interessen beim Wechsel nach Prüm nachsagen: Es sei überall einsehbar, wie sich die Besoldung berechne, sollte sie nach der Fusion als hauptamtliche Beigeordnete einer neuen VG Prüm tätig sein.
Sie richte sich allein nach der Einwohnerzahl. Überraschendes Ergebnis: Bei einer Fusion mit Hillesheim und Gerolstein hätte sie mehr verdient. Die Behauptung also, sie würde in Prüm "ein paar Besoldungsstufen hochfallen, ist absoluter Schwachsinn."
Werner Stabel liest für die Gerolstein-Fraktion ein Schreiben vor mit allem, was man an Argumenten aufführt: So wäre die VG Prüm mit den Gemeinden der Oberen Kyll viel zu groß, um sie "noch sinnvoll zu verwalten", Gerolstein aber sei "eine kompakte Einheit mit kurzen Verwaltungswegen". Außerdem erhalte man dort Bedingungen, die denen aus Prüm "mindestens gleichzusetzen" seien. Die Verkehrswege seien besser, die Verbindungen auch auf Vereinsebene enger, das Argument einer niedrigeren VG-Umlage sei "nicht standhaft", und Vorhersagen darüber "unseriös". Für Josef Vietoris ist eine Fusion über die Kreisgrenze schlicht "Murks - das ist wie eine halbschwangere Frau, die gibt es einfach nicht".
Ortsbürgermeister Walter Schmidt ergreift wieder das Wort für Prüm, schildert die finanziellen Freiräume, die entstünden und reagiert auf Stabels Argument mit der Verkehrsanbindung: Es werde ja niemand daran gehindert, nach Gerolstein zu Arzt, Schule oder Krankenhaus zu fahren. Wichtig auch: Schere man nach Gerolstein aus, werde man für Verwaltungsleistungen nicht mehr nach Jünkerath - wo ein Bürgerbüro bleiben soll - fahren können, sondern müsse dann eben bis Gerolstein oder Hillesheim.
Und dann kriegen sie sich doch in die Wolle. Ein Beispiel: Werner Stabel wirft dem Bürgermeister "Betrug" vor - und zweifelt die Rechtmäßigkeit des Ratsbeschlusses für den Bürgerentscheid an. Es geht hin und her, Schmidt empfiehlt Stabel den Gang zur Kommunalaufsicht.
In der Fragerunde wird klar: Manch einer zweifelt grundsätzlich alles an, was an Zahlen und Argumenten für Prüm vorgelegt wurde. Immer wieder zeigt sich, dass die gegnerischen Parteien nur mit Mühe im Sachlichen bleiben - bis Walter Schmidt im Schlusswort den Bürgern für den 8. Februar "eine kluge Entscheidung" wünscht und beklagt, die Gerolstein-Befürworter hätten die Stimmung im Dorf vergiftet. Das wollen die nicht hören und marschieren mitten im Vortrag hinaus.
Draußen kommt es beinah noch zu Handgreiflichkeiten, Schmidt wird von einem Kontrahenten zwecks Schlagabtausch "vor die Tür" gefordert, geht aber nicht darauf ein. Es ist nicht leicht, ein Gönnersdorfer zu sein.Meinung

Nichts zu kitten
Noch bevor die Kommunalreform endlich über die Bühne geht, hat sie an der Oberen Kyll ein erschreckendes Ergebnis geliefert: Alle liegen sich in den Haaren, der Riss geht durch die gesamte Kommune und zeigt sich beispielhaft in Gönnersdorf. Das hat Mainz zu verantworten. Dass dabei mit verletzenden, anonym gestreuten Fehlinformationen die miese Stimmung auf die Spitze getrieben und gegen Verantwortliche gehetzt wird, dürfen sich andere auf ihre Fahnen schreiben. Armselig, dass sie nicht das nötige Körperteil in der Hose haben, um richtig Flagge zu zeigen und das auch offen zu tun. f.linden@volksfreund.deExtra

Und was sagt der Bürger zum Verlauf der Versammlung? "Das war nicht nötig", sagt Udo Göbel. "Wenn der Gemeinderat abgestimmt hat, dann muss es gut sein. Sonst brauch ich ihn nicht." Sollte der Bürgerentscheid pro Gerolstein ausfallen, sagt Robert Simon, hoffe er darauf, dass die Befürworter dieser Lösung "dann auch bereit sind, sich ehrenamtlich im Gemeinderat zu engagieren. Ich gehe davon aus, dass einige der Ratsmitglieder nämlich ihr Mandat niederlegen, weil man ihnen jegliche Gestaltungsspielräume für die Zukunft geraubt hat". Wer jetzt nach Bauchgefühl vorgehe, solle dann auch dazu bereit sein, für sein Handeln die Konsequenzen zu tragen. In welcher Lage sich die Gönnersdorfer befinden, zeigt die Aussage von Renate Roggendorf: "Es ist spannend", sagt sie. "Ich hoffe auf einen Ausgang, der für alle am besten ist." Und welcher wäre das? "Ich kann es nicht entscheiden." fpl

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