Die Rückkehr der Vaterlandslosen

Von 50 Jahren wurde der Winterspelter Ortsteil Hemmeres wieder an die Bundesrepublik angegliedert. Damit endete eine neunjährige Zeit unter belgischer Militärverwaltung, die 1949 begonnen hatte. Doch längst nicht alle der 31 Vaterlandslosen waren über die Rückkehr begeistert.

Winterspelt. Beschaulich geht es zu im kleinen Hemmeres. Abgelegen in einem kleinen Bogen der Our bilden die rund zwölf Häuser heute den letzten Zipfel Deutschland, keinen Steinwurf entfernt beginnt Belgien. Nur eine kleine Straße verbindet Hemmeres mit Elcherath, dem nächsten Ort an der Straße nach Winterspelt.

Eine Straße, an der vor 50 Jahren noch Zöllner patrouillierten. Denn 1949 wurde Hemmeres aufgrund der alliierten Verordnung Nummer 212 mit Wirkung zum 23. April 1949 von Deutschland abgetrennt und unter belgische Militärverwaltung gestellt. Zwischen Hemmeres und Elcherath verlief fortan eine Staatsgrenze, die im Gegensatz zur heutigen Zeit noch streng kontrolliert wurde. Noch gut kann sich Gerda Kewes an die belgischen Zöllner erinnern, die die Grenze überwachten.

Unter belgischer Verwaltung erlebten die damals 31 Einwohner von Hemmeres etwas völlig Neues: Man kümmerte sich um sie.

Die Belgier sorgten für Telefon- und Stromanschluss und bauten auch die Brücke über die Our wieder auf. Die Häuser wurden frisch gestrichen, und der Ort strahlte im neuen Glanz. Die Kinder gingen nach Auel auf der anderen Seite der Our in die Schule, und man begann, sich mit den Belgiern zu arrangieren. Zumal viele Bauern auch einen Großteil ihrer Felder auf der belgischen Seite der Our hatten.

Zu Belgiern wurden die Einwohner aber nicht gemacht. Es gab keine belgischen Pässe, und die Verwaltung blieb eine militärische, was die Einwohner aber nicht weiter störte: Sie waren die Vaterlandslosen.

Hellhörig wurden sie aber, als bekannt wurde, dass der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer nach Brüssel fuhr, um über eine Rückgliederung des Dorfes mit der belgischen Regierung zu sprechen. Der damalige Ortsvorsteher Johann Hoffmann schickte ein Protest-Telegramm an Adenauer, in dem es hieß, dass der Ort wirtschaftlich einseitig nach Belgien orientiert sei und ein Wiederanschluss an die Bundesrepublik die wirtschaftsliche Grundlage des Orts gefährde.

Verhindern konnte die Note allerdings das Verhandlungsergebnis nicht. Im 1958 geschlossenen Vertrag von Brüssel wurde festgeschrieben, dass Hemmeres an das Bundesland Rheinland-Pfalz angegliedert wird. Zur offiziellen Feier im September 1958 kam der damalige Ministerpräsident Altmeier an die Our und hisste die Landesflagge in Hemmeres. Bewusst wurde die Feier klein gehalten, um auf gar keinen Fall anti-belgische Ressentiments zu schüren.

Jubelarien gab es nicht. Zu groß waren die Sorgen, dass man nun wieder als kleiner Grenzflecken unter mangelnder Aufmerksamkeit leiden würde. Zu gut war es dem Ort unter belgischer Verwaltung gegangen. "Natürlich sind wir Deutsche", sagte Hoffmann damals, "aber unter den Belgiern geht es uns sehr gut."

Die Proteste gegen die Wiederangliederung hatten zumindest eines bewirkt: Mit reichlich Geschenken wie dem Anschluss an die Wasserversorgung, dem Ausbau der Straße und der Renovierung der Kapelle versuchten die neuen Herren aus Mainz den Hemmersern die Rückkehr in die Bundesrepublik zu versüßen. So blieb die Zeit als vaterlandslose nur ein kurzes Kapitel.

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