Die Suche nach einer anderen Form von Kirche

Bitburg/Lumimba · "Der Vogel setzt sich auf den Ast, auf den er will", zitiert Pater Bernhard Udelhoven aus Bitburg gerne ein sambisches Sprichwort, wenn er gefragt wird, warum es ihn in die Mission gezogen hat. Seit rund 25 Jahren gehört er zum Orden der Weißen Väter in Trier, lebt und arbeitet in Sambia. Der TV hat mit ihm über seine Arbeit gesprochen.

 Seelsorge bedeutet für den Bitburger Missionar Bernhard Udelhoven in Sambia: Zeit haben für die Menschen, ihnen zuhören, ihre Ängste ernst nehmen und ihre Sprache sprechen. Dafür lernt er immer wieder neue Bantu-Dialekte, denn die Amtssprache Englisch beherrscht kaum jemand. Foto: privat

Seelsorge bedeutet für den Bitburger Missionar Bernhard Udelhoven in Sambia: Zeit haben für die Menschen, ihnen zuhören, ihre Ängste ernst nehmen und ihre Sprache sprechen. Dafür lernt er immer wieder neue Bantu-Dialekte, denn die Amtssprache Englisch beherrscht kaum jemand. Foto: privat

Foto: wilma Werle (wiw) ("TV-Upload Werle"

Bitburg/Lumimba. Viele Bitburger können sich noch an seine Priesterweihe 1996 in der Liebfrauenkirche und die farbenfrohe Primiz mit Trommelklängen erinnern. Per Mail hat der 47-Jährige Pater Bernhard Udelhoven, der seit 25 Jahren dem Orden der Weißen Väter in Trier angehört, TV-Mitarbeiterin Wilma Werle ein Interview gegeben.

Sie haben jahrelang in der dicht bevölkerten Hauptstadt Lusaka gearbeitet, nun 900 Kilometer entfernt auf dem Land. Wie können wir uns Ihre neue Pfarrei vorstellen?
Bernhard Udelhoven: Meine jetzige Pfarrei Lumimba erstreckt sich entlang des Luangwaflusses. Wir betreuen 17 kleine Kirchen, auf ein großes Gebiet verteilt, das etwa 150 Kilometer Durchmesser hat und wo drei verschiedene Sprachen gesprochen werden. Der christliche Glaube ist hier für das tägliche Leben recht unbedeutend. Es kommt uns deshalb auf persönliche Kontakte mit den einzelnen Großfamilien an. Seelsorge besteht darin, viel Zeit mit den Gemeinden zu verbringen, Leiter auszubilden und den Glauben für das Leben relevant zu machen.
Wir verbringen viele Tage in den Dörfern, manchmal mehrere Wochen, wo wir auf die Gastfreundschaft der Leute vertrauen. Wir sind auf der Suche nach einer anderen Form, um Kirche zu sein, in der sich auch die Menschen im Luangwatal zu Hause fühlen.

Welche Bedeutung hat der Sonntag?
Udelhoven: Wo der Glaube relevant ist, ist der Sonntag ein Fest. Meine ehemalige Pfarrei in Lusaka hat mehr als 50 Chöre, die versuchen, die beste Stimmung in die Kirche zu bringen und den Gottesdienst lebhaft zu gestalten. Die Sorgen des Alltags werden vergessen und man gewinnt Kraft für die nächste Woche. In meiner jetzigen Pfarrei ist die Erfahrung anders. Generell gesehen spielt der Sonntag hier keine besondere Rolle, außer dass man vielleicht mehr Bier trinkt als sonst.
Moderne Medien, vor allem Handys, haben in den vergangenen Jahren den afrikanischen Kontinent überschwemmt. Fluch oder Segen für die Seelsorge?
Udelhoven: Segen. Selbst in der Seelsorge simst man und begleitet Menschen mit dem Telefon. Manchmal rufen Leute nachts an, damit man am Telefon mit ihnen betet. Man kann über große Entfernungen hinweg präsenter sein. Manche Priester posten ihre Predigten auf Facebook. In meiner jetzigen Pfarrei haben wir leider noch keinen Empfang. Das Tal ist abgelegen. Das Handy wird aber auch uns erreichen, das ist nur eine Frage der Zeit.

Sambia hat eine extrem hohe HIV-Rate. Für dieses Jahr wird mit einer Million Aids-Waisen gerechnet. Was kann Kirche tun?
Udelhoven: Das Thema Aids ist in Sambia überall präsent, auch in der Kirche. Unsere besondere Aufgabe ist es, den Menschen in der Armut zu helfen, an ihre göttliche Würde im Geiste Jesu zu glauben und danach zu leben. Die Kirche muss aber auch relevante gesellschaftliche Fragen ansprechen, zum Beispiel die Trennung von Familien über lange Zeiträume auf der Suche nach Arbeit oder bestimmte Männlichkeitsideale, die die Promiskuität fördern und die sexuelle Treue belachen. In Deutschland dreht sich die Diskussion hauptsächlich um das Kondom.
Wir sind pragmatisch: Wer nicht nach den Werten der Kirche leben kann oder will, soll wenigstens ein Kondom benutzen (in Sambia praktisch überall erhältlich). Aids ist damit aber nicht aus der Welt geschafft. Die Kirche wird ihrer Aufgabe nicht gerecht, wenn sie die Anforderungen des Evangeliums, der Treue und der sexuellen Moral und Würde herunterschraubt. Die Jugend in Sambia will von hohen Idealen gefordert werden. Gleichzeitig fängt die Pastoraltheologie aber mit dem Zuhören an, was nur möglich ist, wenn der Seelsorger ein Vertrauenspartner ist und Respekt vor der Lebenssituation und Disposition und den Entscheidungen des Einzelnen zeigt. Ohne diese Voraussetzungen fragt wohl keiner die Kirche um Rat.
Obwohl Sambia sich in seiner Verfassung als christliche Nation definiert, ist der Glaube an Hexen und magische Kräfte weit verbreitet. Pfingstkirchen sprießen aus dem Boden, Massen-Exorzismen sind an der Tagesordnung.

Sie haben darüber gerade das Buch "Unseen World" (siehe Extra) geschrieben.
Udelhoven: Die Angst vor dem Satanismus ist weiter verbreitet als der Satanismus selbst. Menschen in Sambia haben eine große Sensibilität entwickelt gegenüber subtilen Einflüssen, die unser Verhalten unbewusst beeinflussen. Sie drücken das in der Sprache der Geister und Hexerei aus.
Ich nehme den Glauben der Menschen ernst, auch den Glauben an den Einfluss von Geistern und Dämonen. Aids zum Beispiel oder auch die Armut wird von vielen neuen Kirchen als Dämon betrachtet, den man wegbeten kann, wenn man nur tief genug an Jesus glaubt. Wenn das Gebet nicht erhört werde, hätten die Betroffenen halt nicht genügend Glauben. So ein Ansatz scheitert an der Realität. In unserem eigenen Ansatz fokussieren wir die Menschen nicht auf die Geister, sondern auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, die der Heilung und Versöhnung bedürfen, auf die die Geister zeigen.
wiw
Extra

Die Suche nach einer anderen Form von Kirche
Foto: (e_bit )

Mit Benedict Daswa wurde in diesem Jahr der erste Südafrikaner selig gesprochen Ein wütender Mob hatte den Familienvater im Februar 1990 im Alter von 44 Jahren gelyncht. Der Grund: Er widersprach der Auffassung, dass es Hexen seien, die Blitzschläge verursachten. An Anschuldigungen, Hexerei oder Zauberei zu betreiben, zerbrechen oft ganze christliche Gemeinden in Afrika. Mit seinem Buch "Unseen Worlds" stellt sich Pater Bernhard Udelhoven gegen diesen Glauben. Im Mittelpunkt stehen nicht die vermeintlichen Dämonen sonden die Menschen, um die es geht. Das Buch richtet sich an Priester, Lehrer, Anthropologen, Entwicklungshelfer und Familienhelfer. Es soll diesen Personen einen Ansatz geben, gegen den Aberglauben vorzugehen, ohne die Kultur vor Ort zu übergehen. Erfahrungen und Erlebnisse der Betroffenen stehen am Beginn der Arbeit. Die katholische und ökumenischen Perspektive des Autors basiert gleichzeitig auf Erkenntnissen der Sozialwissenschaften, der Erfahrungen der Charismatischen Dienste und auch der sambischen traditionellen Heiler, Kulturexperten und Mediatoren, die mit Fällen von Hexerei und Satanismus zu tun haben. Das Buch ist ein Produkt von acht Jahren Forschungsarbeit von Udelhoven im Institut Fenza (Faith and encounter in Zambia, Glaube und Begegnung in Sambia), für das er arbeitet. red

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