Die vier Rebellen bleiben an der Oberen Kyll

Jünkerath · Der Rat der Verbandsgemeinde Obere Kyll lässt die vier Gemeinden im Westen der Kommune nicht in Richtung Prüm ziehen: Mit einer deutlichen Mehrheit stimmten die Fraktionen - nach argumentativem Schlagabtausch - gegen die von den meisten dort lebenden Bürgern gewünschte Abwanderung.

Jünkerath. Die letzte Ratssitzung der Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll beginnt gleich mit einem Paukenschlag, gefolgt von einem flammenden Appell: In seinen 26 Jahren als Ratsmitglied, sagt SPD-Fraktionssprecher und Reuths Ortsbürgermeister Ewald Hansen, sei noch nie ein Rat so schlecht informiert gewesen über einen anstehenden Beschluss.
Kommunal Reform


Hansen bezieht sich auf Tagesordnungspunkt 13: Die Entscheidung darüber, ob man seine Gemeinde Reuth und die drei Orte Hallschlag, Ormont und Scheid, dem Willen einer deutlichen Mehrheit ihrer Bürger zufolge, zur Verbandsgemeinde Prüm abwandern lassen oder sie im Verbund halten und mit allen 14 Ortsgemeinden in die weiteren Fusionsverhandlungen mit Gerolstein und Hillesheim gehen soll. Er unterstelle der Verwaltung und der Lenkungsgruppe, die die Fusionsverhandlungen führt, "dass nicht mit offenen Karten gespielt wird". Seine Vermutung, über die er gern Auskunft hätte: Dass eventuell die Gerolsteiner nicht mehr mit den beiden armen Partnern zusammengehen wollen. Bei einer Zweierfusion mit Hillesheim aber stünden sich etwa gleich große Kommunen mit etwa 8500 Einwohnern gegenüber: Der Verlust von vier Gemeinden und 1350 Bürgern an der Oberen Kyll fiele dann stärker ins Gewicht. Solche Dinge, sagt Hansen, sollten im nichtöffentlichen Teil besprochen werden - und erst danach dürfe eine Entscheidung fallen. Zudem wünscht er ein Bürgervotum in der gesamten VG: "Wir haben gefragt - die anderen wissen nichts, die haben nicht gefragt." Und auch das Argument vom "Gemeinwohl" und einer Gefährdung des Vulkaneifelkreises will er nicht gelten lassen: Der Vulkaneifelkreis "ist in wenigen Jahren sowieso von der Bildfläche verschwunden".
Entscheidung im öffentlichen Teil


Hansen stellt den Antrag, den Punkt in den nichtöffentlichen Teil zu verlegen - die Mehrheit lehnt ab. Und so folgt dann eine offene Diskussion, als man beim Punkt 13 angelangt ist: Die CDU werde der Beschlussvorlage zustimmen, die vier Gemeinden im Verbund zu halten. "Es geht um das Wohl aller", sagt Helmut Michels. "Insgesamt will eine Mehrheit diese Fusion. Auch das ist ein Bürgerwille." Die FWG-Fraktion, sagt ihr Vorsitzender Lothar Schun, werde ebenfalls zustimmen, "mit einer regional bedingten Ausnahme, die verständlich ist" - damit meint er Verbandsgemeinderatsmitglied Walfriede Kasel aus Ormont.
Walter Schneider (SPD) aus Kerschenbach ist dafür, zuerst die Bürger zu fragen. Dabei könne er sich durchaus vorstellen, dass aus den vier vielleicht auch fünf abtrünnige Gemeinden werden. Den Vorwurf, die Einwohner nicht gefragt zu haben, "will ich mir als Ortsbürgermeister von Kerschenbach nicht machen lassen". SPD-Fraktionsmitglied Norbert Bischof aus Jünkerath sieht es wiederum ganz anders: Der Rat sei durch Bürgerwillen legitimiert, mit weiteren Bürgerbefragungen "kommen wir zu keinem Ende", er stimme für den Verbleib der vier Orte. Das tut auch Martin Schulz (Grüne), obwohl er in Scheid lebt und bekennt, zunächst gegen die Fusion gewesen zu sein. Ihm sei jedoch klar geworden, dass sie für die Bürger fast nichts ändere. Vor allem aber verweist er auf die ablaufende Zeit und warnt davor, "dass wir in einen Strudel geraten, in dem wir nicht mehr Herr des Verfahrens sind".
Aus der Reihe der zuhörenden Ortsbürgermeister meldet sich Ormonts Gemeindechef Cornel Dahm: Er schließt sich erwartungsgemäß den Argumenten von Hansen und Schneider an. Gleiches gilt für seine Kollegen Hans-Jürgen Breuer (Hallschlag) und Willi Heinzius (Scheid). Dahm erinnert noch einmal an das eindeutige Votum seiner Bürger: 91,9 Prozent aller Ormonter über 16 Jahren stimmten für einen Wechsel in die VG Prüm.
Aber alles Argumentieren hilft nichts: Walter Schmidt (CDU) stellt den Antrag, die Diskussion zu beenden und abzustimmen. Sein Antrag wird angenommen, die Entscheidung fällt: Mit 17 Ja-Stimmen, dreimal Nein und einer Enthaltung beschließt der Rat, "die weiteren Fusionsverhandlungen mit allen 14 Ortsgemeinden der Verbandsgemeinde Obere Kyll als Ganzes zu führen". Und Bürgermeisterin Diane Schmitz verspricht, dass es "in irgendeiner Weise" demnächst eine Bürgerinformation geben werde.
Was halten Sie davon, dass der VG-Rat die vier Gemeinden nicht nach Prüm lässt? Mailen Sie uns Ihre Meinung mit kurzer Begründung (30 Zeilen à 30 Anschläge) an eifel-echo@volksfreund.de
Meinung

Prima gemacht!
Vor 40 Jahren, bei der ersten Kommunalreform, hieß der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl, heute ist es Kurt Beck. Die beiden haben eine Gemeinsamkeit: eine Reform, die ihre Bürger in vielen Teilen des Landes entzweit. Das beste Beispiel: die Zerrissenheit der Verbandsgemeinde Obere Kyll bei der Frage, wer mit wem fusionieren darf und will. "Die Bürger mitnehmen"? Gelaber. Und der nächste Ärger ist programmiert - wenn es um die Kreise gehen wird. Aber die neuen VG-Strukturen, die bis dahin entstanden sind, werden dann das nächste Hindernis sein. fp.linden@volksfreund.deExtra

Die Verbandsgemeinde hat nach jahrelanger Verzögerung, mitverursacht durch nicht funktionierende Computerprogramme (der TV berichtete), die Eröffnungsbilanz vorgelegt. Trotz darin erfasster Vermögenswerte in Millionenhöhe: Die Zahlen sind schlecht, der Schuldenstand immens. Bürgermeisterin Diane Schmitz zog einen Vergleich: "Wir haben auf einen Vermögensgegenstand 190 Prozent Kredite." Anders gesagt: Bei einem Haus im Wert von 100 000 Euro habe man eine Verschuldung von 190 000 Euro. Der Rat beschloss die neue Satzung der VG-Werke. Hintergrund: Der Bauhof geht in die Werke über. Dazu hat Werkleiter Richard Ehlen neue Stundensätze für Arbeiter und Geräteeinsatz erstellt, um den Bauhof wirtschaftlicher zu machen. Ergebnis: deutlich höhere Preise, zum Beispiel beim Winterdienst. Personal und Gerät kosten ab sofort 118 Euro in der Stunde statt bisher 69,40 Euro. Ortsbürgermeister Harald Schmitz (Stadtkyll) kündigte an, deshalb mit günstigeren Fremdanbietern zu verhandeln. Solche Kosten würde ihm die Kommunalaufsicht nämlich nicht genehmigen. Einsparungen: Der bisherige monatliche Grundbetrag von 10 Euro pro Ratsmitglied wird gestrichen. Jährliche Ersparnis: 3120 Euro. Auch die Ehrenordnung wurde geändert, dadurch entfallen Ausgaben für Geschenke bei Geburtstagen und Jubiläen. fpl

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort