Die Zahnbürsten stehen noch im Schrank

James Bond lässt grüßen. Durch ein ganz normales Garagentor geht es hinein in ein streng geheimes Bunkerbauwerk: In den Ausweichsitz der nordrhein-westfälischen Landesregierung in Urft (Kreis Euskirchen). Und tatsächlich liegt der getarnte Eingang zu dem geheimen Bunkerbauwerk in einer "zivilen" Doppelgarage und erfüllt so vom ersten Schritt an Geheimdienstklischees.

Urft. (red) Mit der "Eifel-Bunker-Tour" gibt es nun ein bundesweit einmaliges Angebot, das an jedem der drei Sonntage (siehe Extra) jeweils 45 Besuchern offen steht. Damit öffnet der Ausweichsitz der nordrhein-westfälischen Landesregierung, der 1993 durch das Land aufgegeben und verkauft wurde, erstmals für die Öffentlichkeit sein Garagentor. Für die Besucher ist das der Einstieg in eine faszinierende Bunkerwelt, die weitestgehend noch immer so eingerichtet ist, wie sie die Regierung aus Düsseldorf im Kriegsfall aufgenommen hätte.

WDR sollte aus dem Bunker senden



Selbst die Ersatz-Zahnbürsten stehen noch im Schrank des Ausweichsitzes, im Rundfunkstudio liegen noch immer die Magnetbänder der 60er Jahre mit einem Unterhaltungsprogramm für den Dritten Weltkrieg abspielbereit in der Technik und werden im Rahmen der "Eifel-Bunker-Tour" erzählen, welche Musik das Untergangsszenario in diesem Teil Deutschlands begleitet hätte. Der WDR sollte von hier die Bevölkerung mit Informationen versorgen, aber auch mit leichter Musik und Radioreportagen über das Leben vor dem atomaren Supergau.

"Wir haben die Anlage vor über einem Jahrzehnt erworben und in ihrem Zustand belassen, ohne dass wir damals wussten, was damit einmal geschehen sollte", erzählt Eigentümer Claus Röhling, der seit Jahren in Kontakt mit den Organisatoren der Dokumentationsstätte Regierungsbunker, Bad Neuenahr-Ahrweiler, steht.

Mit der Eröffnung der Dokumentationsstätte im Ahrtal Anfang März 2008 und dem starken Interesse der Öffentlichkeit - im ersten Jahr besuchten über 70 000 Besucher aus aller Welt dieses bundesweit einmalige Zeitzeugnis des Kalten Krieges - reifte der Gedanke, mit der Bunkeranlage in Urft bei Kall einen ähnlichen musealen Ansatz zu verfolgen.

Nun ist im Bunker alles bereit, die ersten zivilen Besucher zu empfangen. Mit drei Etagen, eingerichtet im Charme der 60er Jahre und in technischer und wohnlicher Einrichtung auf die Kernaufgabe reduziert, ist die Anlage von ihrer Größe und auch dem bauphysikalischen Ansatz zwar kaum mit dem Regierungsbunker zu vergleichen.

Was sie aber bundesweit als Zeitzeugnis hervorhebt, ist ihr Originalzustand. Einen Rückbau oder Umzug von Einrichtungsgegenständen in der Anlage hat es nie gegeben. Und da sogar nach dem Dienstende 1993 die Belüftungsanlage weiter lief, sind Schimmel oder Pilzbefall ein Fremdwort im unterirdischen Betonverlies, das auch physisch mit seinen acht Grad sehr deutlich Gefühle des Kalten Krieges aufkommen lässt.

Auch wenn zwischen Ahrweiler und Urft knapp 40 Kilometer Luftlinie und eine Stunde Fahrzeit liegen - thematisch stehen sich die beiden Bunkeranlagen sehr nahe und waren ab 1965 bis zum Ende des Ost-West-Konfliktes 1990 über eine telefonische Standleitung Tag und Nacht miteinander verbunden. In der zivil-militärischen Steuerung erfüllten sie die gleiche Aufgabe und waren aufeinander angewiesen.

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