Ein Alltag im Dunkeln

Trier · Wie sich blinde Menschen im Alltag zurecht finden, ist für die meisten Menschen unvorstellbar. Für den Kirchenrechtler Peter Krämer aus Trier bedeutet das Leben ohne Augenlicht eine alltägliche Herausforderung. Er fand durch seinen Glauben den Mut, mit seiner Behinderung umzugehen.

 Der blinde Peter Krämer scannt Buchseiten, um sie sich über den Computer vorlesen zu lassen. TV-Foto: Franziska Adams

Der blinde Peter Krämer scannt Buchseiten, um sie sich über den Computer vorlesen zu lassen. TV-Foto: Franziska Adams

Trier. "Bei uns im Haus spricht fast alles", erklärt Peter Krämer und zeigt auf das sprechende Thermometer und seine Armbanduhr, die ihm per Knopfdruck die Uhrzeit ansagt. Dies sind nur zwei der vielen Hilfsmittel, die dem blinden Professor bei der Alltagsbewältigung behilflich sind.
Schon als Kind hatte der heute 71-Jährige nur 15 Prozent Sehkraft zur Verfügung. Dadurch fiel ihm der Schulalltag oft schwer, und er musste um Hilfsmittel wie beispielsweise eine Lampe zum besseren Lesen kämpfen. Trotz allem bestand Krämer im Jahre 1961 das Abitur. Sein Glaube und das feste Ziel, Theologie zu studieren und Priester zu werden, haben ihm schon in jungen Jahren geholfen, mit der Behinderung umzugehen. Mit gerade mal 24 Jahren wurde er 1966 zum Priester geweiht. Später war er von 1997 bis 2010 Professor für Kirchenrecht an der theologischen Fakultät an der Universität Trier. Im Jahr 2003 verlor Krämer dann vollständig das Augenlicht. Seitdem meistert er seinen Alltag im Dunkeln mit Bravour.
MENSCHEN GANZ NAH


Der Tag beginnt für den Frühaufsteher mit dem Frühstück, das er sich alleine zubereitet. Dazu muss alles an seinem Platz stehen. "Der Tagesablauf ist bei meinem Bruder sehr strukturiert und ordentlich", berichtet Hanne Keller (58), die Schwester des Kirchenrechtlers. Sie wohnt mit ihm im selben Haus in Trier-Heiligkreuz. "Meine Schwester ist für mich die beste Stütze", sagt Krämer. Nach dem Frühstück widmet er sich seiner Leidenschaft, dem Kirchenrecht und anderen theologischen Schriften. So beschäftigt er sich mit vielen Werken des ehemaligen Papstes Benedikt XVI., die ihn immer wieder inspirieren und ihm Mut geben. Beim Arbeiten benötigt er die Hilfe eines Lesegeräts, das die Seiten eines Buches einscannt und anschließend laut vorliest. Im Alltag macht ihm jedoch die zunehmende Digitalisierung zu schaffen, da Geräte, wie ein CD-Player, teilweise keine blindengerechten An- und Ausschaltknöpfe mehr haben, sondern nur einen Touchscreen.
Sobald er das Haus verlässt, ist sein Blindenstock ein wichtiges Hilfsmittel von Peter Krämer. Da seine Schwester ihn nicht immer begleiten kann, muss er auf plötzlich auftauchende Hindernisse im Straßenverkehr achtgeben. Als Beispiel nennt Krämer unerwartete Baustellen auf dem Bürgersteig. Manche Menschen verhielten sich nicht rücksichtsvoll, klagt der Professor. Deshalb wünscht er sich mehr Sensibilität in der Gesellschaft gegenüber Behinderten. "Ein Blindenhund kommt für mich jedoch nicht infrage, weil der viel Zuneigung braucht und ich wegen meiner vielen Termine zu wenig Zeit dafür habe", sagt Krämer. In seiner Freizeit hört sich der 1984 zum Diözesanrichter Ernannte gerne Material der Trierer Tonpost oder der Deutschen Blindenbibliothek an. Insbesondere mag er geistliche Texte, aber auch Unterhaltungsliteratur.
Obwohl der Professor bereits 2010 in den Ruhestand entlassen wurde, bekommt er stets viele Anfragen von Institutionen und kirchlichen Einrichtungen, um Vorträge oder Messen zu halten oder Artikel zu schreiben. Andere Menschen mit einer Sehbehinderung möchte Krämer motivieren: "Freude kommt nicht von außen, sondern von innen." Damit meint er, dass jeder Mensch seinen eigenen Sinn des Lebens finden muss, und wenn er den gefunden hat, Freude im Leben herrscht. Diesen Sinn des Lebens hat Peter Krämer schon lange gefunden - und zwar in seinem Glauben. fra

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