Ein Drahtseilakt: Mit Leitungsmonteuren in der Eifel unterwegs

Bickendorf · In 57 Meter Höhe arbeiten Monteure an den Stromleitungen zwischen Bickendorf und Ließem. Ein gefährlicher Job. Wie die Luft da oben ist, durfte TV-Reporter Christian Altmayer am eigenen Leib erfahren.

Ein Drahtseilakt: Mit Leitungsmonteuren in der Eifel unterwegs
Foto: Andreas Preuß, Amprion

Nur noch ein paar Meter. Ich schlucke. Der Mund: trocken wie die Wüste Gobi. Ich halte mich an der Strebe über meinem Kopf fest. Der linke Fuß steht sicher, der rechte hängt in der Luft - auf der Suche nach einer Sprosse. Doch er tritt ins Leere. Die Nackenhaare stellen sich hoch. Der Blick wandert kurz nach unten. Ein Fehler: Sofort rasen mir Bilder durch den Kopf. Ich stelle mir vor, wie ich das Gleichgewicht verlieren und auf dem Acker aufschlage. 20 Meter unter mir spielt der Wind mit dem Gras, 30 Meter über mir surren Stromleitungen. Dann spüre ich sie doch: die metallene Strebe unter der Sohle. Ich atme auf und kämpfe mich weiter vor: Sprosse um Sprosse.

Eigentlich neige ich nicht zur Höhenangst. Aber auf einen Strommast zu klettern ist für mich trotzdem Extremsport. Für einen Leitungsmonteur hingegen gehört das zur täglichen Arbeit. Um sich in ein sogenanntes Seilfahrrad zu schwingen, mit dem er auf den Kabeln hin und her-fahren kann, muss er schließlich erstmal auf die Traverse steigen.

Heute arbeiten die Mitarbeiter der Firma Amprion an einer Hochspannungsleitung zwischen Bickendorf und Ließem. Was sie dort genau machen? Sie bauen sogenannte Hängeklemmen und Gewichtsbolzen ein. Die sollen die Drahtseile stabilisieren. Damit sie nicht - etwa bei starkem Wind - gegeneinander schwingen. "Wir nennen das Seiltanz", erklärt Gunnar Götz von Amprion.

Im Januar, als das Sturmtief Egon über Deutschland wütete, sei das insgesamt 14 Mal passiert. Wenn die Leitungen sich berühren, schlagen Funken aus den Leitungen. Die schalten sich dann ab und wieder an. "Das alles passiert in Millisekunden", sagt Götz. Draußen bekomme man davon kaum etwas mit. Es könne höchstens sein, dass mal ein Birnchen flackere. Aber durch den "Seiltanz" können die Leitungen beschädigt werden. Deshalb müssen die Klemmen her.

Etwa 100000 Euro lässt sich das Unternehmen die Wartung der Kabel kosten. Vier Tage lang sind die Monteure im Einsatz - zwei für die Einweisung, zwei auf den Seilen. "Die Arbeit ist ja nicht ungefährlich", erklärt Götz. Die linke Seite der Leitung stehe unter Hochspannung, genauer: unter 380000 Volt. "Wenn die jemand anfasst, können wir später die Asche aufkehren", sagt Götz. Und dann sei da natürlich noch die Höhe. Ohne Sicherung steige niemand auf den Mast. Auch ich nicht.

Bevor ich in die Nähe der Konstruktion gelassen werde, muss ich einen Helm anziehen und einen Schutzanzug, ähnlich einer Schwimmweste. Ein Seil, das unten am Mast befestigt ist, sichert mich vor dem Absturz.

Trotzdem läuft mir der Schweiß über die Stirn. Die Angst ist irrational aber sie ist eben da. Jeder weitere Meter: eine Zerreißprobe - zum Glück nicht für das Seil. Unten stehen die Amprion-Mitarbeiter und feuern mich an. Aber es geht nicht mehr. Die Muskeln der Hand krampfen sich um die Sprossen. Ich muss runter. Für diesen Job, das weiß ich jetzt, braucht es Nerven wie die Drahtseile, die über meinem Kopf schwingen.

Hintergrund: DAS PROJEKT SELHAUSEN OST

Die Firma Amprion betreibt und wartet rund 11.000 Kilometer Stromnetz - von Niedersachsen bis in die Alpen. Instandhaltungsarbeiten, wie die zwischen Bickendorf und Ließem, gehören zum Tagesgeschäft des Unternehmens.

Für rund 100000 Euro wurde hier von sechs Teams mit je einem Seilfahrrad an vier Strommasten gearbeitet. Heute soll es zum Abschluss kommen. Die Monteure stammen aus ganz Deutschland. Beim Projekt "Selhausen Ost", wie die Aktion bei Bickendorf im Betrieb genannt wird, sollen sich die Elektriker aus den verschiedenen Gebieten kennenlernen.

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