Ein Eifeler Betrieb kommt unter die Räder - Michelin verlegt fast alles nach Baden-Württemberg, zum Jahresende ist Feierabend

Gönnersdorf · Die Reifenfirma Michelin hat keine zwei Jahre nach dem Kauf des Gönnersdorfer Großhändlers Meyer Lissendorf das Ende des Eifeler Standorts besiegelt. Produktion und Lager wandern nach Muggensturm, 59 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Firmengründer Hubert Vietoris bemüht sich um eine Anschlusslösung.

Ein Eifeler Betrieb kommt unter die Räder - Michelin verlegt fast alles nach Baden-Württemberg, zum Jahresende ist Feierabend
Foto: (e_pruem )

Gönnersdorf. Als im August 2015 der französische Reifenhersteller Michelin den Eifeler Großhändler Meyer Lissendorf kaufte, waren alle guter Dinge: Der Standort sollte langfristig erhalten bleiben, die Franzosen hatten die Gebäude, die weiter im Besitz von Ex-Firmenchef Hubert Vietoris blieben, langfristig gepachtet (der TV berichtete).Alles in den Schwarzwald


Damit ist es jetzt vorbei: Kürzlich verkündete Michelin, dass man seine Kräfte "bündeln" wolle, und zwar am Standort Muggensturm: Dort, am Fuß des Schwarzwalds, residiert die Ihle AG, ein weiterer Großhändler, den Michelin zuvor gekauft hatte.

Und dort, so zeichnet sich jetzt ab, wird auch in Zukunft alles produziert, was der Eifeler Betrieb bisher in Lissendorf herstellte (Kompletträder für die Autoindustrie) und in Gönnersdorf lagerte oder an Privatkunden verkaufte und montierte. Nach bisherigem Stand soll lediglich der Vertrieb mit einer kleineren Mannschaft noch bleiben - im Dorf oder in der Nähe, mit gut 20 Beschäftigten, sagt Frederic Chouquet-Stringer, verantwortlicher Vertriebsdirektor in Muggensturm. Dazu zähle auch die Meyer-Lissendorf-Tochter MLX, die Werkstätten und Geschäfte mit allem rund ums Rad und ums Vermarkten beliefert.

Den 59 Mitarbeitern der Rädersparte in Lissendorf und Gönnersdorf bot man die Auflösung ihrer Verträge inklusive Abfindung an - oder eine Weiterbeschäftigung in Baden-Württemberg. Allerdings, sagt Chouquet-Stringer, wollten nur ganz wenige umziehen.
Warum das Ende für Gönnersdorf? Es gehe darum, die Effizienz zu erhöhen, sagt der Vertriebschef, deshalb konzentriere man das Räder-Geschäft nun auf einen Standort - an dem 56 000 Quadratmeter Hallenfläche mit einer Kapazität von einer Million Reifen zur Verfügung stünden.

Für Gönnersdorfs Ortsbürgermeister Walter Schmidt ist es eine Hiobsbotschaft: "Und zwar wegen zwei gravierender Dinge", sagt er, "der Verlust der Arbeitsplätze und ein großes, noch nicht zu definierendes Finanzloch für die Gemeinde." Denn bisher kam einiges an Steuergeld in die Kasse. Schmidt rechnet mit einem Verlust in sechsstelliger Höhe.
Bis Mitte des Jahres soll der Betrieb in der Eifel ohne Änderungen laufen, danach beginnt die Umstellung, noch bis Ende Dezember, sagt Chouquet-Stringer, könne man sich dort seine Reifen aufziehen lassen. Danach: finis.Vietoris versucht etwas


"Das ist deren Entscheidung", sagt Hubert Vietoris, der den Betrieb vor 42 Jahren gründete und immer weiter ausbaute. Zumindest aber habe Michelin einen Sozialplan erstellt und zahle Abfindungen an die Ex-Beschäftigten - "es ist nicht so", betont Vietoris, "dass die hier verbrannte Erde hinterlassen".

Aber das überraschend frühe Aus nach gerade einmal eineinhalb Jahren ist ihm nicht egal: Immerhin habe er ja damals an einen Interessenten verkaufen wollen, "der das Rückgrat hat, den Standort zu erhalten". Er habe beim Vertragsabschluss mit Michelin "in gutem Wissen und Gewissen gehandelt," sagt Vietoris.
Und er fühle sich der Region und den Mitarbeitern gegenüber auch weiter verpflichtet - "wir sind ja nicht nur auf dem Papier Heimatpatrioten", sagt der 68-jährige Unternehmer.

Also hat er sich nach Bekanntwerden der neuen Entwicklung an die Arbeit gemacht: Er versuche jetzt, "etwas Neues für den Standort zu finden". Mehr könne er noch nicht sagen, auch um keine falschen Hoffnungen keimen zu lassen. Aber "gottseidank" sei er weiter im Besitz der Gebäude und eines Großteils der Einrichtungen.
Und dafür gelte es nun einen neuen Nutzer zu finden. Hubert Vietoris: "Die Mitarbeiter wissen schon, dass ich sie nicht allein lassen möchte."Meinung

So flott geht das
Am Standort der ebenfalls von Michelin gekauften Firma Ihle sind große, sehr große Hallen zu füllen. Da "bündelt" man dann eben alles - und ein mehr als 40 Jahre alter, florierender Eifeler Betrieb verschwindet. Letztlich wird nur der Name bleiben. Und die Hoffnung, dass Hubert Vietoris es schafft, einen Nachfolgebetrieb für seine Gebäude zu finden. Wer ihn kennt, der weiß, dass das keine hohlen Versprechungen sind. Das macht, ein bisschen, Zuversicht. f.linden@volksfreund.deExtra

Seit 1974 verkaufte und montierte Meyer Lissendorf Reifen und Räder - von den gängigen Marken bis zu günstigen Produkten und einer eigenen Serie, mit zuletzt 90 Mitarbeitern in Gönnersdorf und Lissendorf. Der Umsatz lag 2015 bei 70 Millionen Euro. Auch Dienstleistungen für die Auto-Industrie gehörten zum Angebot - am Standort Lissendorf wurden bisher etwa 400 000 Kompletträder im Jahr gebaut und an Autohäuser geliefert, die den Fahrzeugherstellern und -importeuren gehören oder angeschlossen sind. Der Gründerfamilie Vietoris gehören außerdem der Gewerbepark und ein Großhandel für Solaranlagen in Hillesheim und die AGWR Recycling GmbH in Jünkerath. fpl

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