Ein Fluss, zwei Künstler, drei Stelen: Kunst an der Kyll – Projekt dauert vier Jahre

Bitburg/Hillesheim/Trier · Die beiden Künstler Fritz Thiel und Rolf Simmerer wollen in einem über vier Jahre dauernden Projekt die Kyll in Szene setzen – eine Liebeserklärung an den Fluss, die Landschaft und die Menschen.

 Fritz Thiel und Rolf Simmerer mit den Stelen an ihrem Projekt, der Kyll.

Fritz Thiel und Rolf Simmerer mit den Stelen an ihrem Projekt, der Kyll.

Foto: Klaus Kimmling

"Welcher Bekloppte", fragt Rolf Simmerer, "geht schon morgens um halb sechs bei Nebel da raus?" Nun: Rolf Simmerer. Und Fritz Thiel. Und beide wissen, warum: Sie sind auf der Suche nach diesem einen kurzen, vergänglichen Moment - um ihn festzuhalten.

Weil sie ausgetretene Wege verlassen wollten, haben Künstler in der Eifel die Gruppe Feldkunst gegründet. Unter ihnen: Maler Fritz Thiel und Fotograf Rolf Simmerer.

Ihr Weg führt die beiden derzeit an den Ufern der Kyll entlang. Von der Quelle an der deutsch-belgischen Grenze bis zur Mündung in die Mosel bei Trier-Ehrang wollen sie in einem Kunst-Projekt den Fluss dokumentieren. Einmal quer durch die Eifel, auf einer Strecke knapp 130 Kilometer lang, führt ihr Weg sie vorbei an Jünkerath, Malberg, Bitburg-Erdorf, Kordel - alles Orte, an denen die Kyll vorbeifließt. "Bei Niederbettingen sind wir jetzt", sagt Simmerer.
Für ihr Projekt wollen sie sich etwa vier Jahre Zeit lassen. Festgelegt haben sie sich dabei aber ganz und gar nicht: "Wenn wir fünf brauchen, ist das auch okay", sagt Thiel. "Vielleicht sind wir auf halber Strecke aber auch frustriert." Nicht doch: Als Gruppe Feldkunst, erzählt Thiel, fühle man sich der Region verpflichtet.

Irritation durch rote Stäbe

Zudem mache man das alles "aus Liebhaberei" - damit meint er die Kunst, doch bei diesem Projekt gehe es auch immer wieder um den Fluss selbst, über den es, wie beide bedauern, nur wenig Literatur gebe: "Ich liebe diese Landschaft, und die ist gestaltet worden von der Kyll", sagt Thiel, und Simmerer fügt hinzu, der Fluss erschaffe eine nahezu wildromantische Situation: "Und die haben wir hier direkt vor der Haustür, aber keiner sieht es." Thiel, 62, und Simmerer, 57, die beide aus Köln stammen, schon: "Wir sind ja freiwillig hier, wir wissen das zu schätzen", sagt Thiel.

Mit ihrer Kunst wollen sie die wilde Schönheit sichtbar machen - und dafür greifen sie auf einen Trick, eine Irritation, zurück: Thiel stellt drei Stelen an eine markante Stelle im Kyllverlauf, die Simmerer dann fotografiert. Die etwa 2,20 Meter hohen, dünnen Stäbe aus Holz, mit roter Farbe bestrichen, sollen die Landschaft strukturieren und den Blick des Betrachters durch das Bild lenken. Darum gehe es bei Landart: um den "Reiz, mit der Irritation zu spielen". Deshalb sind die Stäbe auch rot. Rund um die Kyll und in der Eifel sei es nun mal "tiefgrün" - und Rot ist die Komplementärfarbe.

Und was passiert noch, "wenn da drei rote Dinger in der Pampa stehen?" Simmerer: "Die Leute reagieren darauf." Und darum geht es auch in diesem Projekt: Neben der Topografie des Flusses wollen die Künstler auch die Menschen zeigen, die ihnen dort begegnen. Die, sagt Thiel, seien so etwas wie "unsere Landschaftszeugen". Fliegenfischer zum Beispiel. Die geben den Künstlern nicht zuletzt Tipps, zu welchen Stellen sie ihre Stelen unbedingt noch schleppen müssen - "denn wir können das ja nicht alles wissen." An den Fliegenfischern hat sich Simmerer zudem ein Beispiel genommen: "Ich habe jetzt eine Fliegenfischerhose." Damit er auch Bilder machen kann, "mitten in der Kyll stehend."

"Ein Riesenberg an Material"

Wenn sie schließlich an der Mosel ankommen, stelle sich die Frage: "Machen wir ein Buch? Einen Film? Aber das wissen wir jetzt noch nicht", sagt Thiel. Einen "Riesenberg an Material" werden die beiden dann wohl haben. Geplant sei auf jeden Fall eine Multimediashow.

In Kronenburg werden bereits Fotos ausgestellt, denn über den Verkauf der Bilder will man das Projekt auch weiterfinanzieren. "Und je nachdem, wo wir uns gerade fortbewegen, sind wir mit Leuten im Gespräch darüber, wie und wo wir Teilabschnitte vorstellen können", sagt Simmerer.

Natürlich können Interessierte die Stelen auch in freier Natur betrachten - dafür braucht es dann aber schon etwas Glück. Jedenfalls fragen immer wieder mal Leute, die zufällig vorbeikommen, erzählt Thiel, ob die Stäbe denn auch noch in ein paar Tagen stehen, damit sie sie sich nochmal ansehen können - "aber so funktioniert das nicht". Sobald das Bild im Kasten ist, nehmen die Künstler die Stelen wieder mit. Es gibt nur diese drei. Und die sollen für das nächste Bild an der nächsten richtigen Stelle stehen - für einen kurzen Moment, festgehalten für die Ewigkeit.Extra Der Fluss

Die Kyll ist ein Nebenfluss der Mosel und der längste Fluss der südlichen Eifel. Sie bildet sich an der deutsch-belgischen Grenze im Zitterwald aus drei Quellbächen bei Losheimergraben, wird bei Kronenburg zum Kronenburger See gestaut und wendet sich ab Stadtkyll nach Süden. Der Fluss durchbricht bei Gerolstein die Ausläufer der Vulkaneifel und durchquert dann die Kylleifel, um bei Trier-Ehrang in die Mosel zu münden. Sein Lauf berührt, von der belgischen Grenze ausgehend, die Landkreise Euskirchen, Vulkaneifel, Bitburg-Prüm und Trier-Saarburg. Der Name Kyll geht auf das keltische Wort Gilum (für "Bach") zurück.Extra: Die Künstler

Fritz Thiel, 1951 in Köln geboren, studierte Grafik und Malerei an den Kölner Werkschulen. Er war als Reprofotograf, Grafiker und Hersteller in grafischen Betrieben und im Buchverlag tätig. Seit 1990 ist er freischaffender Künstler. Er lebt auf Crumpsmühle bei Hillesheim.
Rolf Simmerer, 1957 in Köln geboren, ist von Haus aus Architekt und heute freiberuflicher Fotograf und Künstler. Er lebt und arbeitet in seinen Ateliers in Köln und in der Eifel. Zusammen mit Thiel arbeitet er seit 2008 in der Künstlervereinigung Gruppe Feldkunst zusammen.

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