Ein Gasthaus wird zur Zahnarztpraxis

LANDSCHEID. An der Hauptstraße von Landscheid steht ein Haus mit bewegter Geschichte: Das von vielen Landscheidern aufgrund seines Außenanstrichs "Blaues Haus" genannte Gebäude wird zurzeit von Grund auf saniert.

Über die Anfänge des "Blauen Hauses" ist nichts bekannt. Fakt ist, dass 1914 ein Plan für den kompletten Umbau des Hauses erstellt wurde. Der Bauherr war zu dieser Zeit der Metzger Baptist Thiesen aus Landscheid. Den Bau konnte Thiesen leider nie vollendet sehen, da dieser im Ersten Weltkrieg fiel und das Haus bis 1929 im Rohbau stand.Der Gasthof wurde 1929 fertig gestellt

Großes hatte er mit dem Gebäude vor: Er plante eine Metzgerei mit einem Schlachtraum im damaligen Nebengebäude. Auch eine Wagenhalle, Remise genannt, und ein Pferdestall für vorbeiziehende Fuhrwerker, die Waren transportierten, sollten im ersten Trakt des Hauses entstehen. Nach Thiesens Tod konnte seine Ehefrau Gertrud Thiesen die Pläne aus finanziellen Gründen aber nicht mehr verwirklichen und baute so das heutige "Blaue Haus" zu einem Gasthof um, der 1929 fertig gestellt wurde. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Saal als Lazarett für deutsche Soldaten, die an der Front waren, eingerichtet. Nach dem Krieg wurde das Haus von den Franzosen beschlagnahmt: Gertrud Thiesen und ihre Tochter Maria mussten ins Nebengebäude ziehen. Der Krieg hatte dort - wie auch an vielen anderen Häusern - großen Schaden angerichtet, beispielsweise waren die Dachgauben durch Granatbeschuss beschädigt. Gertrud und Maria Thiesen bauten das Haus mühevoll wieder auf. Nach dem Tod von Gertrud Thiesen 1965 betrieb ihre Tochter das Gasthaus weiter. Ein Mitglied aus der Erbengemeinschaft erinnert sich: "Sonntags mittags nach dem Essen trafen sich die Männer aus dem Dorf zum Kartenspielen bei ,Traut Maria', so wurde Maria Thiesen damals genannt. Wer später kam, bekam keinen Platz mehr, so brechend voll war es dann im "Blauen Haus". Maria Thiesen hieß mittlerweile Willkomm, war Witwe und zum zweiten Mal verheiratet. Als sie im Januar 1983 starb, hinterließ sie weder ein Testament noch direkte Nachkommen. Das Haus ging an eine Erbengemeinschaft. Von dieser wurde der Gasthof zweimal verpachtet, bis er schließlich gegen Ende der 80er-Jahre an einen Mann aus Frankfurt verkauft wurde. Er teilte das Haus in Wohneinheiten auf und vermietete diese an Asylbewerber. Schließlich wechselte das Anwesen erneut den Besitzer und wurde an eine Frau aus Köln verkauft, die es auch weiterhin vermietete. Nach und nach zogen die Asylberwerber aus, und das "Blaue Haus" verkam zunehmend. Acht Jahre stand es leer, bis es an die Gemeinde Landscheid versteigert wurde und diese Ende 2005 einen Investor hierfür fand. Der heutige Besitzer, Matthias Korsch, erinnert sich an den Zustand des Gebäudes: "Überall lagen alte Matratzen, benutzte Handtücher und Geschirr mit Essensresten herum. So was habe ich zuvor noch nicht gesehen. Es war ekelhaft. Zudem war auch nicht geplant, die Zwischenwände rauszureißen. Aber da diese nicht mit den Außenwänden verankert und einfach nur hier drangebaut waren, blieb mir keine andere Wahl." Nun gibt es viel zu tun im "Blauen Haus". Im Oktober soll darin eine Zahnarztpraxis eröffnet werden.

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