Ein Kreuz für alle Fälle

Das Kreuz ist ein weitverbreitetes und dadurch manchmal unscheinbares, unauffälliges Zeichen geworden. Es schmückt viele Halsketten, hängt in vielen Wohnungen, findet sich an vielen Wegen.

Ein Kreuz für alle Fälle
Foto: (e_eifel )

Es gibt sie aus allen Materialien, in allen Farben, für alle Fälle. Für Aufsehen sorgen da schon eher die Kreuze in öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Gerichte, Verwaltungen. Vereinzelt gibt es Protest und wird mobil gemacht, da staatliche Aufgaben unter diesem religiösen Zeichen als Zumutung empfunden werden.
In unserer Architektur, in unserer Alltagswelt gibt es viele weitere scheinbar zufällige Kreuze: an Türen, Fenstern, Straßen und Wegen, als Muster im Straßenpflaster oder als sich schneidende Bremsspuren auf dem Asphalt... Der "Kar"-Freitag, der "klagende" Freitag, versucht das Kreuz bewusst in die Mitte unserer Aufmerksamkeit zu rücken. Schon als Kind hat mich die karge Liturgie des Karfreitags beeindruckt.
Der Gottesdienst beginnt anders als sonst: ohne Musik und Gesang, der Priester wirft sich in Stille vor dem Altar flach auf den Boden. Das Evangelium vom Leiden und Sterben Jesu wird vorgetragen. Manchmal bin ich selbst erstaunt, wie mich trotz der tagtäglichen Schreckensmeldungen und Horrorbilder das Schicksal dieses einzelnen Menschen so stark berührt und erschüttert. Vielleicht weil man bei der anschließenden Kreuzenthüllung und -verehrung erkennt, dass sich im Gekreuzigten nicht nur dessen Leid zeigt, sondern das Leiden aller Menschen, auch das eigene Leid zu einer gemeinsamen Erfahrung verdichtet.
Ich erinnere mich an meinen Zivildienst auf einer "Krebsstation". Eine Patientin hatte sich über das Kreuz in ihrem Zimmer aufgeregt. Sie haderte mit ihrer Erkrankung und auch mit Gott, der ihr so fern und tatenlos erschien. Irgendwann änderte sich ihr Blick auf das Wandkreuz: Sie sah dort einen Menschen, der mit dem Tod gerungen hat. Auch wenn Fragen und Zweifel nicht einfach verschwanden, sie spürte, dass sie in ihrer schwierigen Situation nicht allein war. Niemand durfte ihr fortan den Blick aufs Kreuz verstellen...

Dyrck Meyer, Dekanatsreferent im Dekanat Bitburg

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