Ein Krieg hinterlässt Wunden und Narben

Das Verhältnis zwischen Luxemburgern und Deutschen hat sich durch den Zweiten Weltkrieg verändert. Darüber und über die Befreiung des Großherzogtums durch die Amerikaner sprach Georges Calteux in seinem Vortrag "Wunden und Vernarbungen".

Bitburg. Ein Gedanke bildet zugleich den Anfang und das Ende seines Vortrags: "Zeit braucht Zeit und lehrt uns, aus vergangenen Fehlern neue Erkenntnisse zu gewinnen", sagt Georges Calteux. Etwa 60 Zuhörer sitzen im großen Sitzungssaal des Bitburger Rathauses und begleiten den 1936 geborenen Kunsthistoriker auf seiner Reise zurück in die eigene Kindheit. Calteux schildert in vielen Momentaufnahmen, wie die Bewohner der luxemburgischen Gemeinde Useldingen den Zweiten Weltkrieg erlebt haben und wie sich deren Blick auf das Nachbarland dadurch verändert hat.

"Das Deutschlandbild der Luxemburger war ein gestörtes", sagt er. Der Krieg habe im Großherzogtum Tausende Menschen das Leben gekostet und somit in vielen Familien Wunden hinterlassen. "Man hat sich nach dem grausamen Krieg nicht geliebt", beschreibt Calteux das Verhältnis zwischen Luxemburgern und Deutschen. Für die erneute Annäherung der beiden Völker ist seiner Ansicht nach auch der Wiederaufbau mitverantwortlich. Denn während Kriegsschäden in Regionen wie der Eifel eher schleppend beseitigt wurden, mangelte es auf luxemburgischer Seite an Arbeitskräften, die schließlich in Deutschland gefunden wurden.

"Seit dem Spätsommer 1944 durchfuhren abgekämpfte deutsche Truppen scharenweise unser Dorf", erzählt Calteux. Die Useldinger lauschten unterdessen aufmerksam den Nachrichten der BBC und bereiteten sich auf die Ankunft der Amerikaner vor. "In unserer Stube nähte meine Mutter an einer amerikanischen und einer englischen Fahne", erinnert er sich. Als die Befreier am 9. September 1944 tatsächlich eintrafen, wurden sie in Useldingen überschwenglich begrüßt.

Calteux berichtet jedoch nicht nur von ernsten Momenten. Auch einige unfreiwillig komische Geschichten hat er zu Papier gebracht. Beispielsweise die eines Bahnangestellten, der am Abend der Befreiung nichts ahnend in seiner Uniform der Deutschen Reichsbahn nach Hause ging und von den Amerikanern für einen Marineadmiral gehalten wurde. Man brachte ihn bis nach London, bevor sich herausstellte, wie harmlos er war.

Kaum ein Geräusch stört Calteux während seines Vortrags. Er unterbricht ihn nur einige Male, um die Rittersdorfer Mundart-Sängerin Sylvia Nels Lieder vortragen zu lassen. "Diese Zeilen waren für mich ein Wiedersehen mit der Vergangenheit", sagt Calteux zum Schluss. Nicht nur für ihn. Viele der Zuhörer sind ebenfalls Zeitzeugen und blicken an diesem Abend zurück.

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