Ein Leben für die Kunst

WEISSENSEIFEN. Mitten im Wald zwischen Bäumen und Hecken versteckt steht das sechseckige Atelier von Antonia Berning. Die rüstige Malerin und Mitbegründerin der Weißenseifener Künstlerkolonie feiert am 18. April ihren 85. Geburtstag und schwingt immer noch begeistert den Farbpinsel.

Als aus der Art geschlagen galt die 1921 im westfälischen Coesfeld geborene Antonia Berning schon früh, hatte sie statt des elterlichen Gastronomiebetriebs doch künstlerische "Flausen" im Kopf und begann ein dreijähriges Grafikstudium an der Meisterschule für Kunst und Handwerk in Münster. In den Kriegsjahren flüchtete sie vor dem Gestellungsbefehl als Luftwaffennachrichtenhelferin nach Prag, wo sie ihr Studium an der Kunstakademie fortsetzte. Doch der Schatten des Krieges holte die junge Frau auch hier bald wieder ein. "Das war wirklich ein Tanz auf dem Vulkan. Nur mit viel Glück habe ich den letzten Zug nach Deutschland erwischt", erinnert sich die 84-Jährige lebhaft. Zurück in der Heimat, zogen die schönen Künste sie wieder in ihren Bann, und sie studierte Grafik, Malerei und Bildhauerei an der Düsseldorfer Akademie. Dank der Vermittlung eines Dozenten verkaufte sie ihr erstes größeres Werk für achthundert Mark und tauschte das Geld gegen vier Morgen Land in Weißenseifen ein. Dort ließ sie sich 1949 mit zwei Kommilitonen in einem kleinen Häuschen nieder und ist der Eifel seither über die Jahrzehnte hinweg treu geblieben. "In den Nachkriegswirren widerte uns die Erfolgsgier der Stadtmenschen an. Auf dem Land in unberührter Natur wollten wir in uferloser Zeit neu anfangen", begründet die freischaffende Malerin ihre Ortswahl. Die ersten Jahre im "Sibirien Europas" waren für die kleine Künstlergruppe von Bescheidenheit und harter Pionierarbeit geprägt. Mit einer kleinen Schafzucht und Korbbienen versorgten sich die Freigeister mit Nahrungsmitteln und Kleidung. Um existieren zu können, nahmen sie alle Aufträge vom Wandbehang knüpfen über Schalen töpfern bis hin zu Schnitzereien an. Ihre bildhauerischen Fähigkeiten sicherten Antonia Berning letztendlich das Überleben, wie sie schmunzelnd berichtet: "Meine Grabsteine waren sehr gefragt, denn Gemälde vom röhrenden Hirsch konnten die Leute auch billig bei Quelle bestellen." Mit der Zeit wuchs die Weißenseifener Siedlung stetig an und wurde zu der bekannten Künstlerkolonie, die sie heute ist. Auch Studienkollege Joseph Beuys war ein häufiger Gast, der kräftig mit anzupacken wusste. In all den Jahren blieb die Malerei jedoch Antonia Bernings größte Leidenschaft. Ein Erlebnis am Atlantik inspirierte 1958 ihren persönlichen Malstil. "Das farbliche Wechselspiel von Strand, Wasser und Luft je nach Tageszeit lehrte mich, das Farbe lichtverwandt ist und wie Musik behandelt werden kann. Sie haftet nicht an Dingen, sondern ist frei handhabbar", erläutert die Kaiser-Lothar-Preisträgerin ihre Aquarell-Technik. Eine Welt, die aus Farben geboren wird, sind seither ihre Bilder. Zahlreiche Ausstellungen von Paris bis Amsterdam bestätigen ihr Können. Der Staffelei den Rücken zuwenden und sich zur Ruhe setzen will die begeisterte Hobby-Gärtnerin noch lange nicht. So ist sie derzeit mit den Vorbereitungen zu ihrer nächsten Ausstellung in Hannover mit Bildern aus drei Schaffensperioden beschäftigt: "Ich verwende soviel Zeit wie nur möglich für die Kunst, weil sie mein Lebensinhalt ist."

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