Ein Maler lässt die Farben tanzen

Hontheim · Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des Neo-Expressionismus in Europa: Hubert Roestenburg. Der TV besuchte den niederländischen Künstler in seiner zweiten Heimat - Hontheim, tief in der Eifel.

Ein Maler lässt die Farben tanzen
Foto: (e_pruem )

Hontheim. Man trifft gelegentlich auf Künstler, die ihre selbstempfundene Bedeutung vor sich hertragen wie eine Regimentsfahne, damit man sie bloß nicht übersieht. Was man dann aber doch tut, weil man nicht der gleichen Überzeugung ist und ihre Kunst es nicht hergibt.
Mit solchen Leuten lässt sich zudem oft schwer ins Gespräch kommen. Mit Hubert Roestenburg nicht. Nach zwei Minuten ist man mittendrin. Und hört Sätze wie: "Ich bin total geisteskrank. Ich male wie ein Süchtiger." Es dauert auch nicht lange, bis er zum ersten Mal aufspringt, mit der Quirligkeit eines Kindes ein paar Schritte durch den Raum läuft und ein Bild hervorzieht, das er dem Gast unbedingt zeigen will - am Ende stehen sie überall um den Tisch verteilt.
81 Jahre alt ist der Maler, und er wird im Verlauf dieses verregneten und stürmischen Nachmittags noch sehr oft aufspringen und durch den Raum fegen wie der Wind, der an den Fenstern rattert. Hätte man doch nur diese Energie.
Die Energie kommt von oben


Man sieht sie auch auf seinen Gemälden: dynamische Farbexplosionen, herrlich frei hingeworfene Pinsel- und Spachtelschläge, expressiv eben, stark abstrahiert. Das - immer erkennbare - Motiv dahinter (vorrangig Landschaften und Stadtansichten) scheint nur der Startpunkt zu sein, von dem aus Roestenburg dann ganz woanders hin gelangt. Es ist pure Malerei, an der man sich kaum sattsehen kann.
Und es ist eine Malerei, von der er gar nicht so recht sagen kann, wie sie entsteht. Ein überlegter Prozess jedenfalls sei das nicht. Malen, das sei für ihn nach wie vor ein Rätsel. Genauso wie die Frage: "Warum bin ich ein berühmter Maler geworden und mein Bruder nicht?" Oder der Vater, der Großvater - alles Maler, Roestenburg steht in einer 300-jährigen Familientradition.
Aber wie seine Bilder entstehen - er kann es nicht sagen. Vielleicht will er sich auch darüber keine Gedanken machen, um das Geheimnis nicht zu zerstören. "Ich male wie in einem Rausch. Wie man Liebe macht, mit einer enormen Energie." Und die könne man nicht herbeizwingen. Er malt fast nur im Freien, ein Atelier gibt es nicht: "Wenn ich so ein blaues Licht sehe und weiße Wolken … dann werde ich nervös. Ich bin süchtig danach, draußen zu sitzen. Und dann weiß ich: Wenn ich Glück habe, dann kommt von oben eine Energie, die mich malen lässt. Das ist das Mysterium."
Einer seiner Kernsätze: "Das Originale kommt nicht aus der Intellektualität." Wenn der Kopf übernehme, gehe alles kaputt. Was uns zu seinem nächsten Kernsatz führt: "Es ist nicht möglich, dass man das können kann. Impossible!" Das mache alles die Energie von oben.
Das ist natürlich leicht gesagt von einem, der "es" schon als Jugendlicher so gut konnte, dass man ihn mit 17 Jahren als den "zweiten van Gogh" bezeichnete (was er niemals selbst tun würde - und was auch nicht stimmt) und dem man schon in jungen Jahren so viel Geld für seine Gemälde bezahlte, dass er immer gut davon leben konnte.
Glück des Künstlers: Nicht malen zu müssen, um damit Geld zu verdienen. Nicht auf Verkäufe angewiesen zu sein. Wie befreit man da arbeiten kann. "Ohne Glück fährt niemand gut" übersetzt er ein niederländisches Sprichwort. Aber wer das Angebot der Tate Gallery in London für den Kauf von gleich zwei Bildern locker ausschlagen kann, der muss wirklich gut gefahren sein. Auf dem einen hatte er seine Mutter porträtiert, so zart und liebevoll, dass man verstehen kann, wenn er sagt: "Die Mutter verkauft man nicht."
Da lacht er wieder. Und man denkt an die eingangs erwähnten Künstlerdarsteller, die vermutlich Mutter, Oma und Opa für ein solches Angebot verticken würden.
Auch die Geschichte mit dem chinesischen Maler Chu Teh-Chun erzählt er hochamüsiert: Im November 2014 organisierte das Auktionshaus Christie's einen Verkauf in Hong Kong. Darunter ein Werk Teh-Chuns, das eine eindeutige Hommage an ein Roestenburg-Bild ist, sein Original ist im Auktionskatalog abgedruckt. Ärgert ihn das nicht, wenn er von anderen uminterpretiert oder, böse gesagt, kopiert wird und sie damit Geld verdienen? "Ist doch schön", ruft Roestenburg. "Ich hab ja nicht ihn nachgemacht."
Nachmachen gilt nämlich nicht: "Ich hab als Junge schon gemerkt, dass man nicht gucken darf, was andere machen." Deshalb habe er auch immer die Einladungen von Kollegen ausgeschlagen, mal "etwas zusammen zu machen": Unter diesen Kollegen war auch ein enger Freund - und der weltberühmte Enkel eines allbekannten Psychiaters: Lucian Freud. Und wieder ist da der Gedanke: Wer Lucian Freud als Kumpel hat und ein solches Angebot ausschlägt, der ruht in sich selbst.
Und dann kann man sich auch mal von einer Ausstellungsbesucherin eines Besseren belehren lassen: Er zeigt ein weiteres Bild mit einer schemenhaften Gestalt im Vordergrund. Ist das ein Baum? Die Dame, es geschah in London, sprach ihn darauf an: Das sei doch eindeutig ein Geist. "Und jetzt heißt es schon 20 Jahre lang ,Landschaft mit Geist'", sagt er und lacht erneut.
Roestenburg ist Professor der Philosophie, Psychiater "und ein Niederländer. Willst du noch was Schlimmes haben?" Wir hatten nicht erwähnt, dass zu seinen vielen Fähigkeiten auch die wichtige Eigenschaft gehört, über sich selbst lachen zu können.
Dabei ist der Grund, warum er in die Eifel kam, ein trauriger: Roestenburg lebte noch in London, als sein liebster Bruder gegen Ende der 1990er Jahre unheilbar an Krebs erkrankte. Er kam zurück in die Niederlande: "Ich bin bei ihm geblieben. Ich hab ihn nicht allein gelassen. Dann war mein Bruder tot - und ich war halbtot." Da habe er sich gefragt, was er nun mit seinem Leben anstellen solle.
Hier muss man nicht mehr weg


Er fuhr rüber in die Eifel und begann auch dort zu malen. Wieder zieht er ein Bild hervor: eine Ansicht von Holsthum. Irgendwann habe ihn ein Jäger gesehen, sei mit ihm ins Gespräch gekommen - und habe ihm ein Haus in Hontheim zur Miete angeboten. Er kam, blieb, lernte vor knapp zehn Jahren bei einer Ausstellung im Schloss Ludwigsburg seine Frau Astrid, Ärztin und Psychotherapeutin, kennen und kaufte sich im Eifel dorf bald ein eigenes Haus, wo die beiden nun die meiste Zeit des Jahres leben.
Hontheim, echt? Klar: Irgendwann habe er dort sein erstes Bild gemalt, erzählt er. "Und wenn man hier so ein Bild malen kann, dann muss man nicht mehr weggehen."
So war das. Und so erzählt er noch lange weiter, es ist ein herrlicher Nachmittag, trotz des Mistwetters, und mit ganz vielen Bildern im Kopf fährt der Berichterstatter viel später als vorgesehen wieder nach Hause.
Mehr über den Maler:
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Extra

Ein Maler lässt die Farben tanzen
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 „Ich bin der letzte überlebende Expressionist“: Hubert Roestenburg – und rechts oben seine farbenfrohe Künstlerhose.

„Ich bin der letzte überlebende Expressionist“: Hubert Roestenburg – und rechts oben seine farbenfrohe Künstlerhose.

Foto: (e_pruem )
Ein Maler lässt die Farben tanzen
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Hubert Roestenburg wurde 1935 in Amsterdam geboren - in eine Familie mit lauter Landschaftsmalern. Er studierte in seiner Geburtsstadt zunächst Psychologie, später Malerei an der königlichen Kunstakademie und an der Akademie in Antwerpen, in London folgte ein Philosophiestudium. Aus erster Ehe hat er drei Kinder und neun Enkel. Er lehrte an der Town University London, gab die Arbeit aber ab, weil ihn das in seiner Schaffenskraft behinderte. Seine Bilder hat er nie an Museen oder Galerien verkauft und will mit dem Kunstmarkt insgesamt nichts zu tun haben. Seit Anfang der 2000er Jahre hat er einen Wohnsitz in Hontheim im Landkreis Bernkastel-Wittlich. Am Ende des Gesprächs hat er übrigens gesagt, dass er sehr gern einmal eine Ausstellung in der Region machen würde. Wer sich dafür interessiert, kann sich bei Andrea Brockes in Wittlich melden, die für Roestenburg auch Übersetzungen anfertigt. Sie ist erreichbar unter Telefon 0177/7525291 oder per E-Mail an infopainterexpress@gmail. com fpl

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