"Ein störender Klotz in der Landschaft"

Kyllburg · Für 1,2 Millionen Euro lässt das Land am Bahnhof in Kyllburg eine Gleishochbrücke bauen. Doch das Bauwerk, das den Passagieren die Querung der Gleise erleichtern soll, kommt nicht bei allen Einheimischen gut an.

 Der Kyllburger Eberhard Schon bezeichnet die Gleishochbrücke als Steuerverschwendung. Zudem ruiniert sie nach seiner Sicht der Dinge das Landschaftsbild. TV-Foto: Christian Moeris

Der Kyllburger Eberhard Schon bezeichnet die Gleishochbrücke als Steuerverschwendung. Zudem ruiniert sie nach seiner Sicht der Dinge das Landschaftsbild. TV-Foto: Christian Moeris

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Kyllburg. Ein silberner Mercedes rollt auf den Bahnhofsparkplatz in Kyllburg. Hinter dem Steuer sitzt Rentner Eberhard Schon. Er schaltet den Motor ab und bittet den TV-Redakteur, den er zu einem Ortstermin nach Kyllburg eingeladen hat und der dort auf ihn gewartet hat, auf der Beifahrerseite einzusteigen. Der 79-Jährige, der jeden Dienstag in der Bahnhofskneipe Skat spielt, beäugt durch seine Windschutzscheibe das halbfertige Betonbauwerk über den Gleisen. Die Brücke steckt teils noch in Holzschalungen und ist rundherum mit einem Baugerüst eingekleidet. Oben auf der Gleishochbrücke, wo ab dem Sommer Fußgänger die beiden Zuggleise des Kyllburger Bahnhofs überqueren können, sind Bauarbeiter am Werk. "Dieser Klotz wird völlig unnötig in die Landschaft gebaut", sagt Schon. "Die Kyllburger schimpfen und maulen, warum man ihnen so ein Ding dort hinsetzt."150 Reisende am Tag

Über ein Jahr herrschte auf der Baustelle Stillstand. Nach TV-Informationen soll das Bauunternehmen den Plan des Architekten kritisiert und einen alternativen Entwurf dazu erarbeitet haben. Seit dem Frühlingsbeginn laufen die Bauarbeiten wieder. Das stört Schon jedoch weit mehr als der vorige Baustopp. Denn der 79-Jährige sagt, das riesige Bauwerk ruiniere die idyllische Kulisse des historischen Eifelbahnhofs. Nach seiner Sicht der Dinge ist die 1,2 Millionen Euro teure Gleishochbrücke schlicht überflüssig. Schon schimpft sie eine "Steuerverschwendung". Warum? "Ganz einfach", sagt er, "weil eine Querung der Bahngleise seit jeher am 200 Meter entfernten Bahnübergang möglich ist." Doch das Land hat seine Gründe, in Kyllburg, wo nach Angaben der Bahn täglich 150 Reisende ein- oder aussteigen, eine Gleishochbrücke zu bauen. Als erstes Argument nennt Joachim Winkler, Pressesprecher des Innenministeriums, die Sicherheit: Denn seitdem die Bahnsteige angehoben wurden, darf man nicht mehr direkt auf kurzem Weg über die Gleise laufen. Das ist verboten. Dennoch komme es immer wieder zu "illegalen Überquerungen der Gleise", sagt Winkler, die sehr gefährlich seien.Bei der Baumaßnahme, sagt Winkler, gehe es jedoch auch um die weitere Optimierung der Eifelstrecke im Rahmen des Infrastrukturprojektes "Rheinland-Pfalz-Takt". Um die Reisedauer zwischen Trier und Köln weiter zu verkürzen, kann der Kyllburger Bahnhof neuerdings von zwei Zügen gleichzeitig angefahren werden. Nicht barrierefrei

Eine Modernisierung der Signaltechnik macht das möglich. Nun soll die Gleishochbrücke den Passagieren auch den Umstieg zwischen zwei haltenden Zügen ermöglichen. Wer zum Beispiel mit einem Regionalexpress aus Köln kommt, der nur an ausgewählten Bahnhöfen hält, könnte künftig zum Beispiel in Kyllburg in eine Regionalbahn umsteigen, die auch an kleineren Haltepunkten hält, um zurück zum Haltepunkt St. Thomas zu fahren, wo der Regionalexpress zuvor nicht gestoppt hat. Das wäre mit der Gleishochbrücke, über die Passagiere von einem Bahnsteig zum anderen gehen könnten, realisierbar. Vorausgesetzt man hat zwei gesunde Beine: Denn barrierefrei wird das 1,2 Millionen Euro teure Bauwerk, das man über Treppen erklimmen muss, nämlich nicht. Eine Personenüberführung mit Aufzügen wäre erheblich teurer gewesen, sagt Winkler. Angesichts der Alternative, die über den Bahnübergang führt, habe man den Entwurf mit Aufzug als "nicht sachgerecht angesehen". Eine Verpflichtung zum barrierefreien Ausbau von Bahnhöfen bestehe erst bei Fahrgastzahlen von mehr als 1000 Reisenden am Tag. Stadtbürgermeister Wolfgang Krämer begrüßt die Investition des Landes: "Das sichert den Standort Kyllburgs als Bahnhofsstadt, der meiner Meinung nach zuvor gewackelt hat." 2013 begannen die Umbauarbeiten in Kyllburg. Im Sommer 2014 konnten die höher gelegten Bahnsteige in Betrieb genommen werden. In diesem Sommer soll die Gleishochbrücke fertig werden. Insgesamt hat das Land dann seit 2013 etwa 2,75 Millionen Euro in den Bahnhof investiert.Meinung

Sicherheit gibt es nicht umsonstEs ist erst wenige Tage her, da wurde eine Radfahrerin an einem Bahnübergang in Dahlem (Kreis Euskirchen) von einem Regionalexpress erfasst und getötet (der TV berichtete). Auch wenn man es kaum für möglich hält, passieren auch 2016 noch viele Unfälle an deutschen Bahnübergängen, meist handelt es sich dabei um beschrankte oder gar unbeschrankte Bahnübergänge auf dem Land. Die Überquerung der Gleise ist nach wie vor brandgefährlich, vor allem für ältere Menschen, die vielleicht schlechter hören, oder auch für Jugendliche, die durch ihr Smartphone abgelenkt sind. Deshalb sind die Ausgaben für eine Gleishochbrücke, die mit 1,2 Millionen Euro sicherlich nicht ganz billig ist, kein rausgeschmissenes Geld. c.moeris@volksfreund.de

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