Bitburg Ein streitbarer Geist macht Schluss mit der Politik

Bitburg · Es hat viele Gründe, aber fest steht: SPD-Mann Stephan Garçon kandidiert im Mai nicht mehr den Bitburger Stadtrat.

 Baustelle Kommunalpolitik: Nach Ansicht von Stephan Garçon könnte in Bitburg einiges besser laufen.

Baustelle Kommunalpolitik: Nach Ansicht von Stephan Garçon könnte in Bitburg einiges besser laufen.

Foto: TV/Dagmar Dettmer

Er ist ein streitbarer Geist. Einer, dem es nichts ausmacht, auch mal anzuecken. Stephan Garçon sagt seine Meinung gerade heraus. Dass er sich damit nicht immer beliebt macht, ist ihm bewusst. Aber für ihn gehört es zu einer guten politischen Auseinandersetzung, auch unbequeme Fragen zu stellen und wenn es sein muss, den Finger in die Wunde zu legen. Nun verabschiedet sich Garçon nach drei Jahrzehnten aus der Bitburger Kommunalpolitik.

Die Entscheidung habe er sich nicht leicht gemacht. Aber für Garçon steht fest: Bei der Kommunalwahl im Mai lässt er, der 2014 für seine Partei das beste Ergebnis einfuhr, sich nicht mehr aufstellen. „Das hat 60 Prozent private, 40 Prozent politische Gründe“, sagt der Sozialdemokrat und erklärt: „Ich bin ein junger, also eigentlich alter Vater.“ Seine beiden Söhne – zwei und sechs Jahre – halten ihn auf Trab. „Meine Frau arbeitet ganztags, uns fehlt die Großelterngeneration.“ Darüber hinaus vermisse er es, „mal wieder für mich selbst zu fotografieren“. Er hätte Spaß, noch mal eine Ausstellung vorzubereiten. Aber wenn der Kopf voll sei, gehe das nicht: „Dann kann man einfach nicht kreativ sein und das fehlt mir.“

Hinzu kommt: Die Arbeit im Rat, dem er seit 25 Jahren angehört, und den Ausschüssen, in denen er sich seit 30 Jahren engagiert, habe sich verändert. Garçon erinnert sich noch gut, wie er 1989 als 25-Jähriger erstmals in den Rat gewählt wurde – zusammen mit drei weiteren Jungspunden: Rudolf Rinnen und Joachim Streit (beide Liste Streit) sowie Reiner Arens (CDU). „Wir waren die jungen Wilden“, sagt Garçon. Was er schade findet: „Und jetzt gehöre ich immer noch zu dem jüngsten Drittel.“ Da sei zu wenig nachgekommen.

Natürlich sei es wichtig, auf die Erfahrung altgedienter Ratsmitglieder bauen zu können. „Aber es braucht auch frischen Wind, Biss und Power. Und das bringen eben junge Leute mit, die auch mal unkonventionelle Fragen stellen und die Dinge gegen den Strich denken.“ Das Problem: Es sei eben nicht leicht, junge Menschen für Kommunalpolitik und ein verbindliches, zeitintensives Ehrenamt zu begeistern.

„Wir haben im Ortsverband immer mal wieder junge Leute, die sich gerne einbringen“, sagt Garçon. Aber spätestens, wenn die studieren gingen oder die Ausbildung abgeschlossen hätten, seien sie weg. Es müsse die Aufgabe aller Parteien und Gruppierungen sein, gezielt mehr Junge zu motivieren. Wie? „Für uns war das damals keine Frage. Wir waren stolz, mitmischen zu dürfen“, sagt Garçon. Und ja: Man könne was bewegen: „Wer sich reinhängt und beteiligt, kann auch was verändern.“ Aber dazu müsse man bereit sein.

Für ihn ist im Mai Schluss. Das liege auch daran, dass sich die Ratsarbeit verändert habe. Ein Grund dafür ist neben den fehlenden jungen Leuten für Garçon auch der Führungsstil des Bürgermeisters. Er schätze Joachim Kandels zwar menschlich sehr, aber in seiner Funktion als Bürgermeister sei er „zu wenig mutig“.

Garçon hat noch Horst Büttner und Joachim Streit als Stadt-Chefs erlebt und sagt: „Ich würde mir wünschen, dass Joachim Kandels weniger moderiert, sondern führt, mehr Eckpunkte setzt und seine Meinung deutlich macht.“ Das traue er Kandels zu, aber bisher habe er das vermisst. „In der Ratsarbeit fehlt jemand, der voran geht und den Laden lenkt“, sagt Garçon und erklärt: „Ich bin ein ungeduldiger Mensch. Da bin ich oft genervt gewesen, wenn sich Diskussionen im Kreis drehen und es in der Sache nicht vorwärts geht.“

Ein weiteres Problem sieht er in der Verwaltung. Nicht, weil diese schlechter sei als andere. Im Gegenteil: „Da gibt es sehr engagierte Leistungsträger.“ Aber: In den vergangenen drei Jahrzehnten hätten sich die Anforderungen verdoppelt – wegen der wachsenden Komplexität der Themen und zu dem zunehmenden zeitlichen Druck, mit dem diese bearbeitet werden müssen. „Der Personalschlüssel in der Verwaltung ist aber noch der gleiche – wie soll das aufgehen?“ Er findet, die Verwaltung müsse personell gestärkt werden – vor allem Bau- und Ordnungsamt.

Gravierend geändert hat sich für den Kommunalpolitiker auch die Art und Weise, in der öffentlich über Themen gesprochen werde. Die Spitze des Eisbergs: der Feuerwehr-Streit. „Da war ich schon erschrocken, welche Wut und welcher Frust sich da in Hasskommentaren rausgebrochen ist.“ Aber auch sonst hätten sich die Umgangsformen verändert. „Von den Idioten im Rat“ hätte man früher nicht so leichtfertig gesprochen. „Wir machen das alle ehrenamtlich, da ist es traurig, wenn man sich auch noch beschimpfen lassen muss.“ Kritik ja, Beleidigungen, nein.

Die Listen stehen jedem offen – ob Parteimitglied oder nicht. Wem hier grundsätzlich etwas nicht passt, der müsste doch auch einen Impuls verspüren, sich zu engagieren und was zu verändern. Garçon hat es gemacht. Er hat sich reingehängt. Nicht immer zur Freude seiner Ratskollegen. „Vielleicht war ich manchmal zu frech, zu unbedacht“, sagt er. Aber er sei immer mit Herzblut dabei gewesen. Er werde den Rat vermissen und wünscht Bitburgs Kommunalpolitik, dass hart in der Sache gekämpft wird, man aber im Anschluss zusammen einen trinken geht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort