Ein Tabu gebrochen

BITBURG. Nicht länger über das Tabuthema schweigen wollten 150 Besucher bei der Podiumsdiskussion zum Thema "Patientenverfügung – Selbstbestimmung um jeden Preis?" in Bitburg.

Die junge Frau ist leidenschaftliche Motorradfahrerin. Deshalb hat sie auch eine Patientenverfügung. Ihr Ehemann weiß das. Im Falle, dass ihr etwas zustößt und die Ärzte ihr keine Lebenschance mehr geben, sollen alle lebenserhaltenden Maschinen und die künstliche Ernährung eingestellt werden. Aber was, so fragt sich die Frau, passiert, wenn ihr Ehemann, trotz aller Vorkehrungen, sich aus Liebe nicht zu diesem Schritt durchringen kann, und die Einwilligung zum Abstellen aller Maschinen ablehnt? Die Zweifel sind berechtigt. Das wurde auf der Podiumsdiskussion im Haus Beda in Bitburg deutlich. Eingeladen hatten die vier Beratungs- und Koordinierungsstellen des Landkreises Bitburg-Prüm. Vier Experten informierten zum Thema Patientenverfügung und stellten sich anschließend den Fragen des Publikums. Moderiert wurde die Info-Veranstaltung von TV-Redakteur Marcus Hormes. Die große Resonanz zeige, dass die Patientenverfügung in aller Munde sei, aber auch viele Fragen aufwerfe, sagte Winfried Wülferath, Geschäftsführer des Caritasverbands Westeifel. Die Pädagogin Monika Lutz erzählte von ihrer Arbeit beim Hospizverein Trier. "Die Menschen, die zu uns kommen, machen sich Gedanken darüber, was sein wird, wenn sie älter werden, und nicht mehr Herr ihrer Sinne sind." Mit einer Patientenverfügung wollen sie für den Ernstfall vorsorgen. Die Pädagogin erzählt aus der Praxis: "Die meisten würden die Patientenverfügung am liebsten mit drei Kreuzchen abhaken, so dass sie sich nur nicht dem schweren Thema lange Zeit widmen müssen." Wünsche für Notfall äußern

Stefan Kraft, Richter am Amtsgericht Prüm, erklärte die Unterschiede zwischen Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung. Mit der Vorsorgevollmacht kann ein Mensch in Zeiten, in denen er noch voll handlungsfähig ist, einen anderen bevollmächtigen, dass dieser im Notfall für ihn tätig wird. Wünsche für den eventuell eintretenden Betreuungsfall können mit der Betreuungsverfügung geäußert werden. Bei der Patientenverfügung geht es um die Fragen der medizinischen Behandlung am Lebensende. Empfohlen wird, die Verfügungen schriftlich zu fixieren. Aber: "Bis ins Letzte kann man nicht alles regeln", sagt Kraft. Leitlinien zum Verfassen einer Patientenverfügung gibt es viele, auf gesetzliche Vorlagen müsse jedoch immer noch verzichtet werden. Deshalb solle sich jeder damit auseinander setzen, welche Behandlung er im Notfall gerne hätte. "Das kann ein langer Vorbereitungsprozess sein", sagt Kraft. Werner Wolter, Oberarzt am Bitburger Krankenhaus stimmt ihm zu. "Wenn die Patientenverfügung nicht genau formuliert wurde, wird es schwierig für den Arzt, den mutmaßlichen Willen des Patienten zu ermitteln." Für alle Konfessionen offen ist die christliche Patientenverfügung. "Aus christlicher Sicht", sagt Gerda-Marie Hoffmann, Gemeindereferentin aus Gerolstein,"muss die Menschenwürde bis zum Schluss geachtet werden." Die junge Frau weiß nach der Veranstaltung, dass es manchmal besser ist, keine Nahestehenden in die Patientenverfügung mit einzubinden. Kraft: "Eine emotionale Bindung zum Betreuer kann auch schaden."

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