"Ein ziemlich warmer Tag"

SCHLAUSENBACH. Dank moderner Technik sind die Schäden, die durch den Juni-Tornado im vergangenen Jahr in den Wäldern um Schlausenbach entstanden sind, inzwischen beseitigt. Der Verlust ist allerdings beträchtlich: Rund 200 000 Euro kostete das Unwetter den Staat.

Seit 1986 ist Dieter Geider Chef im Forstrevier Schneifel. Den waldreichen Landstrich um den Schwarzen Mann, von Literaturgrößen wie Ernest Hemingway und Alfred Andersch eindrucksvoll beschrieben, erschütterte am 10. Juni 2003 ein Unwetter, das der Forstoberinspektor in dieser Form noch nicht erlebt hat. "Es war ein ziemlich warmer Tag", erinnert sich Dieter Geider. Als er kurz nach 17 Uhr vom Auszeichnen nach Hause kommt, zieht sich der Himmel zu. "Plötzlich fing es an zu blasen. Ich dachte noch, da fallen jetzt bestimmt ein paar Bäume", erzählt der Revierchef. Als es an der Haustür klingelt und ihm mitgeteilt wird, dass Bäume auf der Straße liegen, ist Geider endgültig alarmiert. In der Tat: Mit ein paar Bäumen ist es diesmal nicht getan, muss Geider wenige Minuten später schockiert feststellen. Der Tornado, der innerhalb von rund fünf Minuten große Teile des Schneifelorts Schlausenbach verwüstet hat, ist auch im Staatsforst nicht untätig geblieben. Über Knaufspesch muss sich Dieter Geider deshalb in sein Revier vorpirschen. "Da sah ich die Bescherung." Was folgt, sind Straßensperrungen und das spontane Organisieren eines Vollernters. Denn die Bestandsaufnahme am nächsten Tag zeigt: Rund 4000 Festmeter Holz hat der Tornado allein im Staatsforst zu Boden gerissen, das Gleiche in den angrenzenden Privatwäldern. Insgesamt liegen 40 Hektar Wald flach. Damit ist der komplette, nach dem Krieg aufgeforstete Bestand zerstört. Eigentlich hätten die Bäume, vornehmlich Fichten, 100 Jahre alt werden sollen. Nun ereilt sie bereits nach rund 55 Jahren das Aus. Durch den Einsatz mehrerer Vollernter vom Typ Harvester gelingt es den Forstleuten jedoch, den wirtschaftlichen Verlust in den folgenden Wochen und Monaten "in Grenzen zu halten", wie Dieter Geider sagt. Die Schadenshöhe " - allein im Staatsforst - beziffert er auf rund 200 000 Euro. Das gesamte Holz ist inzwischen verkauft und vermarktet worden. Ein Teil davon ging nach Belgien, wo es als Bauholz genutzt wird. Die in Deutschland verkauften Stämme werden unter anderem zu Papier und Spanplatten verarbeitet. Etwa 70 Prozent der zurzeit brach liegende Flächen werden neu aufgeforstet. Etliche Areale - besonders die nassen - überlassen die Förster ihrer natürlichen Entwicklung. Dort werden sich in ein paar Jahren Birkenwälder gebildet haben.Keine rosigen Zeiten für Privatwaldbesitzer

Alles andere als rosig sieht es unterdessen auch für die Privatwaldbesitzer aus. In den Wäldern von Guido Schneider aus Manderfeld (Ostbelgien) zum Beispiel sind satte 80 Morgen Fichtenwald vernichtet worden. "Dafür kommt keiner auf”, sagt Schneider. Sein Wald habe nur noch die Hälfte des Werts, hatte er bereits ein paar Tage nach der Katastrophe geklagt. Dass am 10. Juni niemand körperlich zu Schaden gekommen ist, bezeichnet Dieter Geider noch heute als ein Wunder. Glück hatten nämlich nicht nur die Bewohner Schlausenbachs, sondern auch die Insassen ein Baustellenbusses, den Dieter Geider unmittelbar nach dem Sturm in der Nähe des Schwarzen Manns verlassen vorfand. Vor und hinter dem Wagen waren schwere Bäume zu Boden gestürzt. Weil sie nicht mehr weiterkamen, hatten sich die vom Glück begünstigten Arbeiter zu Fuß auf den Heimweg gemacht. "Im Ort selbst läuft alles auf guter Schiene", resümiert gut sieben Monate nach dem Schock-Ereignis der Ortsbürgermeister von Auw-Schlausenbach, Paul Fuchs. Die Geschädigten hätten vom Angebot der Dorferneuerung regen Gebrauch gemacht. Das weiß auch Prüms Verbandsgemeinde-Bürgermeister Aloysius Söhngen: "Man braucht nur hinzugucken - die Leute investieren in ihr Dorf." Außerdem habe Ministerpräsident Kurt Beck, der das Dorf am Tag nach der Katastrophe besuchte, nicht zuviel versprochen. Söhngen: "Das Land hat sich wirklich nicht lumpen lassen."

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