Eine Burg und viele Fragen

NEUERBURG. Irgendwann vor dem Jahr 1510 beschloss Dietrich IV. von Manderscheid-Blankenheim, Herr von Neuerburg, die Neuerburg zu einer Festung auszubauen. Vier Bastionen sollten die mittelalterliche Wehranlage verstärken - eine immense Investition. Reste der Bastionen sind erhalten, verschollen ist die Antwort auf die Frage nach dem Warum.

Dietrich fand eine alte Burganlage vor, die wahrscheinlich aus dem elften Jahrhundert stammt. Vermutungen, die Burg sei im zehnten Jahrhundert als Fluchtburg von Prümer Mönchen errichtet worden, sind nicht eindeutig belegbar. In dem fraglichen Dokument ist lediglich davon die Rede, die Mönche hätten sich in ein "castrum noviter erectum" geflüchtet - eine neu errichtete Burg. Davon gab es in der Eifel um das Jahr 900 einige, darunter gleich mehrere mit dem Namen Neuerburg oder Neufchateau.Die erste gesicherte Erwähnung ist ein Schenkungsdokument aus dem Jahr 1132, bei dem ein Theoderich de novo-castro mit dem Grafen von Vianden als Zeuge zugegen ist. Aufgrund anderer genannter Personen muss hier Neuerburg gemeint sein. Theoderich stammte wahrscheinlich von den Grafen von Vianden ab, die somit als Gründer der Neuerburg gelten.Einzigartig war die Anpassung der mittelalterlichen Burg von 1510 bis 1540 an die fortgeschrittene Kriegstechnik. Die Neuerburg ist die einzige Burg in der deutschen Eifel, die in dieser Weise umgebaut wurde. Unter Dietrich IV., Graf von Manderscheid-Blankenheim, wurden Bastionen angebaut, die Kanonen aufnehmen konnten. Darin wird der Wandel in der Festungsbautechnik, der sich Mitte des 16. Jahrhunderts durch die Einführung der Kanonen vollzog, deutlich. Legten die Bauherren den Hufeisenturm, die so genannte Südwestbastion, im Jahr 1510 noch rund an, wurden nur wenige Jahre später die Nordbastion und die Ostbastion bereits eckig errichtet. Die Westbastion verstärkte den Bereich um den Bergfried. Gleichzeitig wurde die Mauerdicke auf bis zu fünf Meter erhöht. Mit den Bastionen war die Neuerburg eine ausgewachsene Festung. Erhalten ist nur die Nordbastion. Von der Ostbastion ist nur noch eine kleine Geschütznische zu erkennen und der Hufeisenturm wurde erst in den 80ern wieder aufgebaut.Interessanter ist jedoch, warum Dietrich so viel Geld in eine Burg investierte, die relativ versteckt in einem schmalen Tal der Eifel liegt. Dietrich wohnte nie in der Neuerburg, erst sein Enkel Joachim richtete sich hier häuslich ein. Weder überwachte die Burg einen wichtigen Handelsweg, noch war Neuerburg Ort von größerer strategischer Bedeutung. Das "Warum?" ist nicht geklärt, eine überzeugende Antwort gibt es nicht.Das Ende der Festung kam 1692 mit den Truppen Ludwigs XIV. Sie sprengten die Befestigungen und machten aus der starken Festung eine Ruine. Rund 100 Jahre später setzten französische Revolutionstruppen der über 300-jährigen Herrschaft der Grafen von Manderscheid ein Ende. Die Burg gehörte fortan der Familie Honoré und später der Stadt Neuerburg, die sie als Hospital, Gefängnis, Armenhaus und als Turnhalle nutzte.Aufwärts ging es erst wieder 1930: Der Bund Neudeutschland und die Stadt Neuerburg als Eigentümer schlossen einen Erbpachtvertrag über 99 Jahre. In der Folgezeit wurde die Burg zu einer Herberge für Jugendliche umgebaut.Romantische Suche nach Ritterburgen

Katholische Schüler gründeten 1919 den Bund Neudeutschland. Sie setzten sich die geistige und sittliche Erneuerung Deutschlands zum Ziel. Die Ritterzeit romantisierend, suchten sie nach alten Burgen und wurden auch in Neuerburg fündig. Mittlerweile zählt die Burg 12 000 Übernachtungen jährlich, rund 4 000 Jugendliche aus ganz Deutschland verbringen hier ihre Freizeit. Herbergseltern sind seit knapp 20 Jahren Elisabeth und Reinhard Dichter-Hallwachs.Auf der Burg finden mittlerweile Konzerte und Theateraufführung statt, im Frühjahr buchte eine Band die ganze Burg als Kulisse für ihr Musikvideo. Seit knapp zwei Jahren kann man in der Burgkapelle standesamtlich heiraten, 20 Paare werden es in diesem Jahr sein. Um den Erhalt der Ruinen kümmern sich die Stadt Neuerburg und der Bund Neudeutschland. Eine Arbeitsgruppe des Bundes kommt jedes Jahr zu einer "ora et labora"-Woche, in der sie die Anlagen pflegen und ausbauen. In diesem Jahr wollen sie die Reste der Westbastion Besuchern zugänglich machen. Die Arbeiten werden von einem Förderverein unterstützt, unter dessen Leitung Anfang des Jahres eine Broschüre zur Burg entstand, die die bekannten Quellen zur Burg auswertet. Fördervereinsmitglied Martin Brunker hat ein Modell der Burg aus der Zeit vor der Zerstörung angefertigt, das in der Kapelle besichtigt werden kann. Die Frage nach dem Grund des Ausbaus taucht jedoch weder in der Beschreibung, noch in denkmalkundlichen Beschreibungen der Burg auf. Ob sie jemals beantwortet werden kann, ist fraglich. Vielleicht könnte die berühmte Handschriftensammlung der Manderscheider, die sich in Prag befindet, Aufschluss geben.

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