Eine "eigene Note" für die Orgeln

Es ist ein traditionelles Handwerk, das viel Präzision erfordert: das Herstellen von Orgelpfeifen. In Hellenthal versteht sich Toni Käs auf diese Kunst. Seine Pfeifen finden sich in Orgeln auf der ganzen Welt.

Hellenthal. "Jeder Orgelbauer muss Pfeifen bauen können, das gehört zu seinem Handwerk", sagt Frank Weimbs. Auch wenn es zum Handwerk gehört, gibt es beim Pfeifenbau dennoch Spezialisten, deren Fähigkeiten und Handschrift im Klangkörper der Orgel zum Ausdruck kommen. Einer der Besten seines Fachs geht seiner Kunst nun in Hellenthal nach. Frank Weimbs ist es gelungen, den in Bonn geborenen Toni Käs für seinen Betrieb zu gewinnen.

Käs stellt seit 45 Jahren Pfeifen her: "Die Herstellung der Orgelpfeife ist eine Kunst für sich. Sie wird heute noch wie vor 200 Jahren angewandt." Käs, der einer alten Pfeifenbauerfamilie entstammt, war viele Jahre auf Wanderschaft. Er hat Referenzen, die nur wenige Pfeifenbauer vorweisen können. Die Liste der Orgeln, für die er Pfeifen gebaut hat, ist genauso lang wie international.

Käs-Pfeifen erklingen auch in den USA



Da finden sich etwa die Memorial Chapel der Harvard University, die Old West Church oder King's Chapel - alle drei in Boston. Genauso war er in England aktiv, etwa in Birmingham oder St. Martin in the Fields. Käs war darüber hinaus Kooperationspartner der Noack Organ Company in den USA. Bei den Gebrüdern Oberlinger in Windesheim hat er den Aufbau und die Leitung der Pfeifenwerkstatt übernommen. Nun also Hellenthal. Dort will Käs, der "in ein paar Jahren 65 Jahre alt" wird, bis zu seiner Pensionierung sesshaft werden und sein Wissen an junge Orgelbauer weitergeben.

An Sebastian Fusenig etwa. In dem 25-Jährigen hat er in der Weimbsschen Werkstatt einen Nacheiferer gefunden. Fusenig wird in wenigen Monaten seine Lehre als Orgelbauer abschließen und will später in die Fußstapfen von Käs treten. Derzeit arbeiten die Männer an den Pfeifen für die Orgel in Mainz-Gonsenheim. Die Pfeifen, die Käs baut, sollen den Weimbs-Orgeln eine zusätzliche Note verleihen. "Es kann sein, dass sie mit unseren Pfeifen einen eigenen, unverwechselbaren Klang bekommen", sagt Käs. Das Umfeld spiele bei der Herstellung der Pfeife eine wichtige Rolle. Genau das überzeugte ihn in der Hellenthaler Werkstatt. Vielleicht lag es aber auch daran, dass schon Käs' Großvater den Hellenthaler Traditionsbetrieb gut kannte.

Käs schmelzt eine Blei-Zinnlegierung, aus der die Pfeifen gefertigt werden. "Das Gemisch ist variabel und hängt vom späteren Verwendungszweck ab", erläutert Weimbs. Manche Pfeifen bestehen ausschließlich aus Blei, andere weisen einen hohen Zinnanteil auf. Die außen sichtbaren Prospektpfeifen bestehen meist aus 85 Prozent Zinn. Dadurch behalten sie im Gegensatz zu Pfeifen mit höherem Bleigehalt viele Jahre ihre helle, spiegelnde Optik.

Methoden haben sich über Jahre kaum verändert



Das Schmelz- und Gießverfahren hat sich über die Jahrhunderte nicht verändert. Früher wurde der Ofen mit Holz und Kohle erhitzt, heute mit Gas. Selbst der Lötkolben ist geblieben, allerdings wird er nicht mehr im Schmiedefeuer erhitzt, sondern mit Strom. Nach dem Erhitzen der Schmelzmasse auf etwa 300 Grad wird das flüssige Metall in einen Holzschlitten gegeben, eine Art Wanne mit nach unten zeigender Öffnung. In gleichmäßigem Tempo schieben Käs und Fusenig ohne ein Ruckeln den Schlitten über den Gießtisch. Es entsteht eine etwa drei Millimeter dicke Platte, drei Meter lang und 50 Zentimeter breit: der Grundbaustein für die Pfeife. Je nach Pfeife wird das Material mit einer Zinnhobelmaschine auf eine Stärke von 0,4 bis zwei Millimeter abgehobelt. Die Pfeife wird zugeschnitten und die Labien (Pfeifenmünder) angeschnitten. Danach wird sie über einen Eisenkern in Form gebracht, und die Labien in ihre Form gesetzt.

Abschließend wird die Pfeife in Längsform verlötet und mit Fuß und Fußspitze zusammengesetzt. Nach der "Rund-Endverlötung" ist die Pfeife, die aus Fußspitze, Fuß, Unterlabium, Kern, Öffnung, Oberlabium und Körper besteht, fertig. Egal, ob es sich um die großen, acht Fuß (etwa drei Meter) hohen Pfeifen oder um die winzigen, 1/32 Fuß (etwa sechs Millimeter) großen Pfeifchen handelt - alle werden mit großer handwerklicher Präzision hergestellt. Während die drei Meter hohe Pfeife mit 64 Herz tönt, bringt es die kleine auf 16 000 Herz - ein "Tönchen", das vom menschlichen Ohr so gerade noch wahrgenommen werden kann.

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