Eine Stadt im Dornröschenschlaf

Kyllburg · Einst war die idyllische Innenstadt Kyllburgs voller Leben. Heute regiert dort der Geist der Vergangenheit. Der TV hat sich zwischen leerstehenden Häusern auf die Suche nach den Gründen gemacht.

Draußen, wo der Lack von einfach verglasten Fenstern abblättert, ist die ans Haus montierte Uhr stehen geblieben. Drinnen die Zeit. Wer zu seinem Erstaunen feststellt, dass sich die Türe zum Uhren-, Hut- und Schmuckgeschäft in der Kyllburger Bahnhofsstraße öffnen lässt, betritt einen Ort, der die Vergangenheit konserviert hat. Eine Vergangenheit, die so anders war. So viel goldener.

Davon zeugen nicht nur die Manschettenknöpfe und Kreuzanhänger aus der "Création Claudia", die auf ihren vergilbten Satindisplays einst golden geglänzt haben mögen. Davon zeugen auch buntbedruckte Gläser, Vasen und Aschenbecher, die in staubigen Vitrinen noch immer stolz für den "Kneipp-Kurort Kyllburg/Eifel" werben. Und Hunderte Postkarten, die aus verschiedensten Perspektiven alle das Gleiche zeigen: Kyllburg mit seiner Burg und seiner imposanten Stiftskirche, eine Perle der Eifel - von der Kyll umflossen, malerisch auf einem lang gestreckten Bergrücken gelegen. Eine Perle, deren Glanz schon vor Jahren zu bröckeln begann. So, wie der Putz der vielen leerstehenden Häuser, die Kyllburgs Straßen und Gassen säumen.

Auch diese Häuser konservieren die Vergangenheit. Denn auf neues Leben warten die meisten von ihnen bisher vergeblich. Allen voran der Eifeler Hof. Ein riesiges, prachtvolles Gebäude, das trotz aller Wiedereröffnungsversprechen seiner niederländischen Inhaber eine Leblosigkeit ausstrahlt, die sich über den gesamten Ort zu legen scheint. Dabei war er das größte und schönste Hotel Kyllburgs. Achwas! Der ganzen Eifel. 1911 kam sogar der Kaiser auf einen Tee vorbei. Was ein Spektakel! In diesen goldenen Zeiten hatte das Luxushotel 130 Zimmer mit 200 Betten. Es war das pulsierende Herz der Stadt. Und als dieses Herz 1998 aufhörte zu schlagen, ging es auch ringsum bergab: Weitere Hotels und Pensionen schlossen. Cafés verschwanden ebenso wie kleine Geschäfte, Handwerksbetriebe und Arztpraxen.

Von 50 Geschäften ist nur eine Handvoll übrig



Unterstützt wurde dieses Sterben noch vom allgemeinen Trend der Zentralisierung: Das nahe gelegene Bitburg übernahm immer mehr Funktionen, die Kyllburg einst erfüllte. In den 50er Jahren gab es in Kyllburg noch um die 50 Einzelhandelsgeschäfte. Heute gibt es bloß noch eine Handvoll. Auch die Einwohnerzahl des Städtchens ist stark gesunken. 1950 hatte es noch fast 1300 Einwohner. Heute sind es weniger als 1000.

Leer und still ist es nun, wo früher elegant gekleidete Kurgäste flanierten. Und in den Schaufenstern stehen statt Schuhen oder Blumen die Worte "Zu verkaufen". Für ein bisschen Belebung sorgen nur die verbliebenen Hotels und das Bildungs- und Freizeitzentrum am Stiftsberg. Doch endet ein Einkaufsbummel schnell: Zwei Banken, eine Postfiliale, ein Drogeriemarkt, ein Friseur, ein Backshop und ein Döner-Laden sind das Interessanteste, was dem einst so quirligen Zentrum rechts und links der Hochstraße blieb. Zukunft ungewiss.

Die wenigen Menschen, die in der Innenstadt anzutreffen sind, sagen dazu alle das Gleiche. "Ausgestorben" und "tot" sind die Wörter, mit denen sie den Zustand beschreiben. "Eine Katastrophe", "eine Schande" und "traurig" jene, um ihn zu bewerten. Zu gut erinnern sich die meisten von ihnen daran, wie lebendig das hübsche Kyllburg war. Erinnern sich an die vielen Kurgäste, die vor einem Tante-Emma-Laden darauf warteten, Obst zu kaufen. An die vielen Bauern, die mit ihren Tieren zum traditionellen Viehmarkt kamen. Oder an die Schönen und Reichen der Region, die für die prunkvollen Karnevalssitzungen im Eifeler Hof oder im Gasthaus Zur Pinn nach Kyllburg reisten. Passé.

"Die Kyllburger haben zu lange von ihrer Vergangenheit gezehrt, statt nach vorne zu schauen", sagt Bernd Spindler, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kyllburg. Man müsse anpacken, nicht verzagt sein. Und nicht die Vergangenheit als Maßstab nehmen. Denn so wie es war, werde es nie mehr sein.

Worte, die Kyllburg schmerzen könnten. Kyllburg, dessen altes Zentrum wie die verstaubten Reiseandenken im Uhrengeschäft beharrlich darauf zu warten scheint, dass endlich jemand kommt, kauft und dem langen Dornröschenschlaf ein Ende setzt.ExtraStadtentwicklung: In den vergangenen Jahren habe der Schwerpunkt der Stadtentwicklung auf dem östlichen Ortsteil gelegen, sagt Kyllburgs Stadtbürgermeister Wolfgang Krämer. "Da haben wir unsere Hausaufgaben gemacht." Es gebe ein Neubaugebiet, in dem junge Familien bezahlbar bauen können, einen neuen Discounter und demnächst auch ein Haus der Bildung. Der alte Ortskern hingegen sei ein Problem. "Wenn ich wüsste, was man da tun kann, dann hätten wir es schon getan", sagt Krämer. Ganz oben auf seiner Wunschliste steht, dass wieder Leben in den Eifeler Hof einzieht. Zudem müsse man das Wohnambiente schöner gestalten. Krämer hofft darauf, dass die Zuschüsse, die im Rahmen der Stadtsanierung fließen, Familien dazu animieren, Häuser im alten Ortskern zu sanieren. (kah)

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