Eine Stange Geld für ein paar Stangen: Fitnessgerät für Bitburger kostet 79.000 Euro

Bitburg · 79.000 Euro hat die Stadt für ein Fitnessgerät ausgegeben. Das Geld stammt aus dem Verkauf eines Spielplatzes. Die „Turnbar“ soll vor allem Kindern und Rentnern nutzen. Aber ist die Anlage für diese überhaupt geeignet?

Wofür diese Stangen wohl gut sind? Dieser Parcours aus langen, kurzen, gebogenen und geraden Pfosten, die da im Sonnenlicht blitzten wie frisch poliert. Ist das ein modernes Kunstwerk oder doch ein Baugerüst? Aber was soll denn gebaut werden? Achso, das ist schon fertig?

Ja, und zwar seit gut zwei Monaten. Ende Mai hat die Bitburger Firma "Eiden und Wagner" "die Turnbar" auf den Indianerspielplatz gestellt. Ob die Kinder, die hier klettern, kicken, schaukeln, rutschen, überhaupt wissen, was man damit anfangen kann? Dafür gibt es ja eine Informationstafel - nur einige Meter entfernt.

Schwarze und weiße Männchen auf Piktogrammen machen vor, wie's geht. Sie hängen an den Stangen, gehen davor in die Hocke, und so weiter. Beschreibungen sollen den Gebrauch der Geräte erklären: "Langsam den gestreckten Körper mit der Ausatmung nach oben ziehen" steht da zum Beispiel oder "stabiler Stand, bei gestrecktem Rumpf sind beide Arme nach vorne gestreckt und greifen den Pfosten." Aha.

Nun gibt es aber Menschen, wie Annemarie Mertes, die sich fragen, warum die Stadt eine solche Anlage braucht - beziehungsweise ein solch "bombastisches Teil", wie sie es ausdrückt. Die Bitburgerin ärgert sich über die Verwaltung, die Spielplätze veräußert und von dem Erlös "ein unnötiges Fitnessgerät" kauft. "Der Bolzplatz auf dem Gelände hätte zum Beispiel dringend eine Sanierung nötig", sagt sie und zeigt auf die beiden rostigen Tore ohne Netze.

Aber erstmal hat die Stadt das Geld aus dem Verkauf des Spielplatzes "Metzwieschen" anderweitig ausgegeben. 79.000 Euro hat die "Turnbar" samt Tiefbau und federndem Gummiboden gekostet. Das Fitnessgerät ist Teil eines Konzeptes, den Spielplatz in einen sogenannten "Mehrgenerationenplatz" umzuwandeln (Siehe Info).

Tatsächlich könne man häufiger: "Großeltern mit Enkelkindern beobachten, die hier zusammen Spaß haben", teilt Werner Krämer von der Stadt mit. Bei unseren drei Besuchen des Gerätes konnten wir das zwar nicht beobachten, aber das muss ja nichts heißen.

Nun zeigt aber auch die Facebook-Seite der "Turnbar" weder Kleinkinder noch rüstige Rentner. Auf den Fotos sind aber muskelbepackte, oberkörperfreie Männer zu sehen. Wenig verwunderlich, denn das Unternehmen gibt selbst an, die Anlage eigne sich vor allem für "Calisthenics, Fitness und Street Workout".

Aber wenn es ein Gerät für junge Sportler ist, warum steht es dann auf einem "Mehrgenerationenplatz" und nicht etwa am Königswäldchen? "Dort rennen doch jeden Tag 30-40 Läufer vorbei", sagt Annemarie Mertes, die könnten sich an der Anlage aufwärmen. Fragen über Fragen, die wir im Rathaus stellen wollen.

Die "Turnbar" sei "für jeden geeignet, von sechs bis 99", teilt Krämer mit: "vom Seniorensport angefangen bis zum ambitionierten Krafttraining" sei alles möglich. Auch auf die Frage, was die Anlage denn nun auf einem Spielplatz verloren habe, hat die Stadt eine Antwort: "Die Athleten sind Vorbild für Kinder und spornen diese an." Belege dafür, fanden wir bei mehreren Besuchen bisher nicht.

Aber noch ist ja Zeit: Zwei Kurse, einer im August und einer im September, sollen die Leute an die neue Anlage heranführen.

Zumindest in einem Punkt kann die Verwaltung Mertes Sorgen zerstreuen: Der Bolzplatz soll bald erneuert werden. Auch neue "beweglichkeitsfördernde Spielgeräte" sollen her - was auch immer das sein mag.

Und dann steht ja noch der Verkauf der beiden Spielplätze "Auf Arxt" und "Sperberwäldchen" aus. Bevor es damit losgehen kann, muss aber noch eine Formalität aus dem Weg geräumt werden: die Änderung des Bebauungsplans.

Hintergrund:
DAS STÄDTISCHE SPIELPLATZKONZEPT
Der Bitburger Stadtrat hat am in der Sitzung vom 17. Juli 2015 beschlossen die Spielplätze "Metzwieschen", "Auf Arxt" und "Sperberwäldchen" zu verkaufen. Mit dem erwarteten Erlös von 420.000 Euro sollen die 21 verbleibenden Spielplätze aufgewertet werden - auch für Senioren. Zu diesem Zweck ist auch die Turnbar gekauft worden. Sie soll den Indianerspielplatz zu einem Mehrgenerationenplatz machen.

Kommentar: Die Falschen bei der Stange halten

Wer kann sie sich nicht vorstellen, die Senioren, die abends nach dem Kreuzworträtseln noch ein paar Klimmzüge machen? Oder sich von Stange zu Stange schwingen wie Tarzan.

Aber jetzt mal im Ernst: "Die Turnbar" mag für Sportler ein tolles Gerät sein . Aber Rentner werden daran kaum Freude haben. Kinder kommen an die meterhohen Pfosten zum Teil nicht mal ran.

Für einen Mehrgenerationenplatz ist ein solches Fitnessgerät daher ungeeignet - noch dazu ein so teures. Das Geld hätte die Stadt besser für die Sanierung von Spielgeräten ausgegeben oder für echte, altersgerechte Anlagen wie Balancierbalken oder Beintrainer.

Denen könnte man dann vielleicht noch verständliche Bedienungsanleitungen beilegen. Oder kann man heute davon ausgehen, dass Opa und Enkel Begriffe wie "Narrow Grip Pull Up" oder "Pistol Squat" kennen?

Und selbst, wenn man das glauben würde: Ein Gerät für das man einen Einführungskurs braucht, hat auf einem Spielplatz nichts verloren.

Sie sind anderer Meinung? Dann schreiben Sie mir doch eine E-Mail unter: c.altmayer@volksfreund.de

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