Einer, der alle in den Nahen Osten entführt

Bitburg · Er traf Gaddafi im Wüstenzelt und interviewte Saddam Hussein: In Bitburg erzählt Ulrich Kienzle vor mehr als 400 Gästen beim Neujahrsempfang des Gewerbevereins von seinen Erlebnissen als Nahost-Korrespondent - ein spannender Vortrag zum Auftakt eines spannenden Abends mit vielen Gesprächen.

Bitburg. Der Mann hat was zu erzählen. Ulrich Kienzle war mehr als zehn Jahre als Korrespondent der ARD in verschiedenen Ländern der arabischen Welt im Einsatz. In seinem Buch "Abschied von 1001 Nacht - Mein Versuch, die Araber zu verstehen" will er mit dem undifferenzierten Bild, das im Westen von der arabischen Welt herrscht, aufräumen. "Wir haben eine etwas merkwürdige Vorstellung vom Nahen Osten. Entweder ist es 1001 Nacht und das Bagdad des Kalifen, oder es sind die Terroristen von bin Laden. Aber dazwischen gibt es viele Schattierungen", sagt Kienzle. Er will ein differenzierteres Bild zeichnen. Und er kann auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen - Erlebnisse, an denen er in der Bitburger Stadthalle mehr als 400 Zuhörer teilhaben lässt, die der Einladung des Gewerbevereins zum Neujahrsempfang gefolgt waren.
Mit Erzählungen, wie etwa der Begegnung mit Saddam Hussein, fesselt Kienzle das Publikum: "Ich habe einen martialisch wirkenden Menschen erwartet. Und dann trat mir jemand im Maßanzug gegenüber, der mir gar nicht mal unsympathisch war. Natürlich war das ein Massenmörder, aber er war mir auch nicht völlig unsympathisch." Kienzle spannt den Bogen arabischen Frühling, der vor fast genau einem Jahr mit dem Aufstand in Tunesien begonnen hat, über die Atombombe, von der er sicher ist, dass der Iran sie baut, bis nach Saudi-Arabien - ein Land, das er für viel gefährlicher hält, als Terrororganisationen wie Al Kaida es je für den Westen waren.
"Deren Macht wird mit ihrem Reichtum dank der Ölvorkommen noch weiter steigen. Und damit steigen auch die Möglichkeiten Saudi-Arabiens zur Einflussnahme auf Nachbarstaaten. Das ist ein knochenhartes, fundamentalistisches Regime", warnt Kienzle. Nicht zu vergleichen mit Ägypten, wo ein Großteil der Menschen mit weniger als zwei Dollar am Tag zurechtkommen müsste und die Salafisten einen Wahlkampf mit Brot und Fleisch gewinnen konnten.
"Demokratie kann man nicht essen", bringt Kienzle es mit den Worten eines tunesischen Flüchtlings auf den Punkt. Auf die Publikumsfrage, wie er es schafft, mit 75 noch so fit zu sein, hat er schnell eine Antwort parat: "Das liegt an meiner Frau, gutem Rotwein und Champagner." In Bitburg schmeckt ihm aber auch das Bier sehr gut. Bitburger Pils, versteht sich.
Und bei frisch gezapftem Bitburger nutzen die zahlreichen Gäste aus Politik und Wirtschaft, Verwaltung, Handel und Gastronomie noch viele Stunden die Gelegenheit zum lockeren Austausch. Geplaudert wird bis in die Nacht. Für Gewerbevereins-Chef Edgar Bujara geht das Konzept auf: "Auf der Basis dieses Erfolgs werden wir sicher über einen zweiten Neujahrsempfang nachdenken."

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