Einfach nur raus!

Es war der Heilige Abend, und es war noch nicht Mitternacht. Es lag Schnee, und es war trotz des Kriegs ein aus dem Wald geholter Weihnachtsbaum aufgestellt. Es herrschte Westwind. Kaum gingen wir aus der Kirche, da krachten auf einmal die Bomben vom Himmel. Und zwar kaum gewöhnliche Bomben, kaum Sprengbomben, sondern Brandbomben. Drei, vier Häuser wurden von Sprengbomben getroffen, die meisten gingen in Flammen auf. Sofort brante überall herum alles lichterloh. Die halbe Straße brannte das halbe Dorf Büdesheim brannte, wo damals das Lazarett Ost war, 18 bis 20 Häuser insgesamt.Die Menschen rannten aus brennenden Häusern, raus auf die Straße, darunter auch ich, damals elf Jahre alt. Aber die Menschen wollten auch ihr Vieh retten. Sie holten es raus aus den Scheunen, raus, einfach nur noch raus. Dazu erschienen die Soldaten der Wehrmacht mit ihren Autos. Halb Büdesheim brannte, und keiner hatte so richtig den Durchblick."Löschen, löschen!", hallte es von überall her. Löschen? Ja, gut, aber womit denn? Die Bomben der Alliierten hatten nämlich auch das Wasserhäuschen dem Erdboden gleich gemacht, Wasser zum Löschen war folglich keines mehr vorhanden. Und so verbrannte vieles an diesem Abend, an den ich mich noch heute gut erinnern kann.Draußen auf den Straßen aber war ein riesiger Tumult, ein großes Durcheinander. Keiner wusste so recht, was er machen sollte. Auf einmal fuhr ein Wehrmachts-Auto einem Stück Vieh in den Hintern. Es herrschte das reinste Chaos. Die einzigen Gedanken der Menschen: Irgendwie das Vieh zusammenhalten, zusammenpferchen, einzäunen. Irgendwann gelang es uns endlich. Das Vieh des ganzen Dorfs war umzäunt, und gemeinsam mit einer Nachbarin hütete ich es bis spät in die Nacht.Am ersten Weihnachtsfeiertag ging es genau so weiter wie es am Heiligen Abend aufgehört hatte: mit Bomben. Es war Punkt zwölf. Ich stand irgendwo im Dorf, bewegte mich einige wenige Schritte zur Seite, da schlug eine Bombe ein - genau an der Stelle, an der ich bis vor wenigen Augenblicken gestanden hatte. TV-Leser Kuno Trappen lebt bis heute in Büdesheim. Der Landwirt und Facharbeiter ist am 26. März 1933 geboren.

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