Entmunitioniert, saniert, planiert

Rüstungsaltlast "Espagit" in Hallschlag: Am heutigen Mittwoch wird dort das offizielle Ende der Entmunitionierung und Sanierung bekannt gegeben - nach 20 Jahren. Der TV wirft einen Blick auf einige Ereignisse aus dieser Zeit. Und auf das Fazit des Mannes, der das 54-Millionen-Euro-Projekt ins Rollen brachte.

 Brachlandschaft mit Bunker: So sah es während der Munitionsräumung vor dem Haus des Hallschlager Landwirts Martin Quetsch aus. TV-Foto: Archiv/Fritz-Peter Linden

Brachlandschaft mit Bunker: So sah es während der Munitionsräumung vor dem Haus des Hallschlager Landwirts Martin Quetsch aus. TV-Foto: Archiv/Fritz-Peter Linden

Hallschlag-Kehr. (fpl) 20 Jahre Entmunitionierung, Sanierung, Räumung auf dem Gelände der 1920 explodierten früheren Rüstungsfabrik "Espagit". 20 Jahre "Stress, Streit, Störfeuer", schrieb der TV einmal. Denn es war nicht immer einfach, weder für die Anwohner noch für die Verantwortlichen beim Land und der federführenden Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier."Würden Sie jetzt für uns mal die Gasmaske aufsetzen?" So fragt im Jahr 2000 ein Fernsehmann einen der Anwohner. Die Medien waren Dauerbesucher in Hallschlag, neben dem Kampfmittel-Räumdienst, der Spezialfirma Tauber, den Behördenvertretern, Politikern, Rechtsanwälten und anderen Zaungästen.Schlagzeilen, immer wieder: Zwischendurch stellt der angrenzende Kreis Euskirchen Strafantrag gegen die ADD - die Behörde habe zu wenig getan, um die Kontaminierung von Gewässern in der Umgebung zu verhindern. "In Hallschlag ist eine Granate hochgegangen", heißt es eines Tages - die befürchtete, von passionierten Apokalyptikern herbeigewünschte Katastrophe bleibt jedoch aus: Nur Phosphor ist ausgetreten und hat sich entzündet, fast schon Gewohnheit im Räumgebiet. Dennoch besteht Gefahr, weil dadurch andere Sprengkörper hochgehen könnten. Deshalb werden die Anwohner lieber zeitweise umgesiedelt.Gebeutelte Anlieger: Irgendwann haben sie die Beeinträchtigungen satt. Bauer Manfred Haep versperrt im März 2003 mit Traktor und Güllefass den Weg zur Baustelle an der Wasser-Reinigungsanlage - sie liegt auf seinem Land. Sein Urteil: "Mist!" Später einigen sich die Parteien: Die Anlage ist mittlerweile gebaut und soll ein halbes Jahrhundert lang unterhalb des Haep-Hofs ihre Arbeit verrichten. Auch Haeps Nachbar Martin Quetsch berichtet Abenteuerliches: Eines Tages brennt eine Granate direkt vor seinem Wohnzimmerfenster. Sein Haus wirkt zeitweise wie eine Insel in Trümmerlandschaft. Auch Quetsch geht immer wieder auf die Barrikaden. Am Ende lenkt die ADD entschädigend ein. Wie viel sich die Behörde den Frieden kosten lässt, bleibt ein Geheimnis. Anders als die Zahlen für die künftige Gelände-Überwachung und Wasser-Reinigung: Sie sollen in den kommenden zwei Jahren erneut 300 000 Euro kosten.Ein Streitpunkt bleibt: In der 13 Hektar großen Kernzone unmittelbar um die frühere Munitionsfabrik wurde nur die Oberfläche abgesucht, auf eine Tiefen-Entmunitionierung verzichtet. Stattdessen gilt die "Sicherungsvariante": Die Fläche wurde mit einer Schutzschicht bedeckt, bepflanzt und darf nicht mehr genutzt werden. Regenwasser, das durchsickert und belastet sein könnte, wird abgefangen, der Reinigungsanlage zugeleitet und dann in die Natur entlassen. EXTRA Sicherheit unterm Teppich: Was sagt der Mann, der vor 20 Jahren das 54-Millionen-Sanierungsprojekt Espagit mit seinem ersten Granatenfund anstieß? In einer Stellungnahme kritisiert der Birgeler Ex-Kommunalpolitiker Gunther Heerwagen die "Sicherungsvariante": Damit würden "13 Hektar höchstkontaminierter Fläche ununtersucht unter den Perserteppich einer meterdicken Erdabdeckung gekehrt". Sein Fazit: "Das Werksgelände der Espagit, ... der menschlichen Nutzung für immer entzogen, wird zukünftig ein weitgehend ungestörter Lebensraum sein, ein teuer erkauftes ,Naturschutzgebiet'." (fpl)

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