Geschichte Nikolaus Thilmany: Als ein Bitburger Landrat vor 150 Jahren für mehr Demokratie kämpfte - und abgesetzt wurde

Bitburg · Nikolaus Thilmany engagierte sich im neunzehnten Jahrhundert für die Demokratie-Bewegung, verlor sein Amt - und sein Haus: Unser Gastautor erinnert in der Reihe „Bitburger Häusergeschichten“ an bekannte Bitburger Namen, ihre Häuser und Geschichten.

 Suspendierter Bitburger Landrat und Geburtshelfer der Genossenschaftsbanken: Nikolaus Thilmany.

Suspendierter Bitburger Landrat und Geburtshelfer der Genossenschaftsbanken: Nikolaus Thilmany.

Foto: Tv/TV-Archiv

Das altehrwürdige Wohnhaus in der Bergstraße 1 in Bitburg gegenüber des Krankenhauses dürfte vielen vertraut sein. Bis 1852 lebte dort Landrat Nikolaus Thilmany mit seiner Familie. Thilmany wuchs in Bitburg auf und machte als junger Jurist Karriere in Trier und Saarbrücken. 1837 bewarb er sich um die frei gewordene Landratsstelle in Bitburg. Erfolgreich.

Nach seiner Amtseinführung mit erst 31 Jahren setzte er sich für die Förderung der Landwirtschaft, die Linderung der Not der Bevölkerung und die Verbesserung der Lage der Arbeiter ein. Über Jahre schien das berufliche Glück auf seiner Seite und er fand enormen Zuspruch vor allem aufseiten der Eifeler Landbevölkerung. 

1848 jedoch kamen die Stoßwellen einer politischen Revolution auch in der Eifel an. Thilmany engagierte sich leidenschaftlich für die Demokratie-Bewegung, hielt Verbindungen zu linksdemokratischen Politikern und sprach auf Volksversammlungen.

Bei den Preußen wirkte das Gespenst der Revolution immer bedrohlicher und man machte alleine den jungen Landrat für die spürbaren anarchischen Unruhen im Kreis Bitburg verantwortlich. Schließlich suspendierten die Behörden Thilmany gnadenlos vom Dienst. Drei Jahre lang kämpfte er flehend und mit großem Rückhalt aus der Heimatregion um seine Wiederanstellung. Vergeblich. Jegliche Chancen wurden dem unerwünschten Bitburger völlig unbeeindruckt von dessen persönlicher Situation stets verwehrt.

Nach einer langen Zeit ohne Einkommen sah sich Thilmany in großer Sorge um seine Familie 1852 gezwungen, sein Haus mitsamt Hab und Gut zu verkaufen und die geliebte Heimat, in der er nicht mehr Fuß fassen konnte, zu verlassen.

Eine neue Perspektive fand Thilmany beim Landwirtschaftlichen Verein für Rheinpreußen in Bonn. Als Generalsekretär beschäftigte er sich intensiv mit dem landwirtschaftlichen Genossenschaftswesen und wandte sich dem Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen zu. Dessen Idee genossenschaftlicher Darlehnskassen wurde schließlich vom Verein maßgeblich gefördert.

Thilmany wurde ein enger Vertrauter Raiffeisens und in gemeinsamer Anstrengung konnten in der Rheinprovinz zahlreiche Darlehnskassen, die Vorläufer der heutigen Volks- und Raiffeisenbanken, gegründet und später über die Provinz hinaus etabliert werden. Ein Erfolg, der zum erheblichen Teil auf das Konto des arg gescholtenen Ex-Landrats geht. Dessen Heimatstadt Bitburg ernannte Nikolaus Thilmany 1872 zum ersten Ehrenbürger der Stadt. Welch eine späte und versöhnliche Genugtuung. Öffentlich rehabilitiert wurde er jedoch nie.

Seine beiden in Bitburg geborenen Söhne wanderten nach Amerika aus. Oscar Thilmany wurde 1883 Mitbegründer eines heute noch immer existierenden Unternehmens der Papier- und Verpackungsindustrie. Hieran erinnert die Thilmany Road in der US-Kleinstadt Kaukauna in Wisconsin.

Die Bitburger Variante, die Thilmanystraße unweit des rosafarbenen Altbaus, ist vielen Eifelern bekannt. Ein Haus, das einst einem Bitburger Familienvater, einem aus dem Amt getriebenen Landrat, einem Entzünder demokratischer Ströme und einem Geburtshelfer der Genossenschaftsbanken gehörte. 

 Bevor der Bitburger Landrat Nikolaus Thilmany 1852 seine Heimatstadt verließ, lebte er in der Bergstraße 1. Die nahe gelegene Thilmanystraße erinnert an den ersten Ehrenbürger der Stadt.

Bevor der Bitburger Landrat Nikolaus Thilmany 1852 seine Heimatstadt verließ, lebte er in der Bergstraße 1. Die nahe gelegene Thilmanystraße erinnert an den ersten Ehrenbürger der Stadt.

Foto: TV/Thomas Konder
 Erinnerung an Landrat Thilmany

Erinnerung an Landrat Thilmany

Foto: TV/Thomas Konder

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