Es fährt ein Zug durch`s Nirgendwo: Von Trier nach Bitburg mit der Bahn, zu Fuß und per Anhalter

Trier/Bitburg · Wer auf dem Land kein Auto hat, ist aufgeschmissen - so ein gängiges Vorurteil. Aber stimmt das heute überhaupt noch? Redaktionsmitglied Christian Altmayer versucht mit Bus, Bahn und schließlich auch zu Fuß von Trier nach Bitburg zu kommen.

Es fährt ein Zug durch`s Nirgendwo: Von Trier nach Bitburg mit der Bahn, zu Fuß und per Anhalter
Foto: (e_eifel )

Eine junge Frau zerrt ihren Trolli über das Pflaster - "Klack, klack, klack", rumpeln die Rollen, "Klack, klack, klack", knallen die Schuhe. Es ist neun Uhr am Morgen, und es ist einiges los am Trierer Bahnhof. Die Schüler laufen, die Studenten schlendern und die Rentner trotten zu den Gleisen. Einige sitzen auch drinnen, dicht an dicht auf den Bänken und auf dem Boden, starren auf die Anzeigentafel: "9:35 RB22 Köln Messe/Deutz über Pfalzel und Ehrang", steht da.

Es ist die Verbindung, die mir das Netz ausspuckt, um schnell von Trier nach Bitburg zu kommen. Und diesen Zug werde ich heute auch nehmen. Normalerweise fahre ich mit dem Auto zur Arbeit, aber das streikt seit neulich - genauer gesagt die Bremsen. Über die B 51 schaffe ich es mit dem Wagen in knapp 35 Minuten. Mit den Öffentlichen, so viel kann ich verraten, werde ich eine ganze Weile länger brauchen.

Als ich zum Gleis gehe, wartet dort niemand mehr. Der Zug steht ja auch schon bereit. "Sind wohl alle schon eingestiegen", denke ich. Doch auch drinnen: Leere. Einige Minuten lang bleibe ich der einzige Fahrgast im Abteil. Dann öffnet sich die Tür mit einem Piepsen und eine Schulklasse samt Lehrer stürmt herein. Mit der Ruhe ist es schlagartig vorbei.Unangenehm entschleunigt

Ein etwa sieben Jahre alter Junge schaut auf die Uhr: "In einer Minute fährt der Bus!" "Zug!", verbessern ihn gleich drei seiner Klassenkameraden. Die Minute verstreicht, eine weitere, dann noch eine - und die Bahn setzt sich immer noch nicht in Bewegung. "Die Zeit ist zu Ende!", brüllt jetzt ein Mädchen und als wäre das ein Signal, geht es dann doch los: Es quietscht, summt und röhrt, während der Bahnhof am Fenster vorbeizieht.

Wie ein Spinnennetz spannt sich ein Gewirr aus Kabeln und Drähten über den Gleisen. Die Gebäude hinter dem Glas weichen langsam Bäumen und Büschen - einem Farbenmeer in Grün, Rot, Gelb und orange. Ständiger Begleiter: die Kyll, die mal links, mal rechts neben den Schienen entlang fließt. Sonnenstrahlen verwandeln den Fluss in ein goldenes Band.

Man könnte all das schön finden, vielleicht sogar idyllisch - wenn man es nicht eilig hätte. Und ich habe es eilig, denn ich will heute um halb 11 in der Redaktion sein: E-Mails wollen beantwortet, Telefongespräche geführt, Artikel geschrieben werden.

Alle paar Minuten schaue ich aufs Handy. Was sagt die Uhr? Schon fast 10 und es kommt mir vor als wären wir erst ein paar Meter weitergekommen. Denn immer dann, wenn der Zug Fahrt aufnimmt, bremst er auch schon wieder, hält in irgendeinem Dorf, dessen Namen ich noch nie gehört habe. Dort steigt dann, in aller Regel, weder jemand ein noch aus. Fünf Minuten später: der nächste Stopp, das gleiche Spiel.

Ich schaue aus dem Fenster. Männer in orangenen Overalls laufen die Gleise ab, sehen sich alles genau an. Was sie da machen? Keine Ahnung.Zu Fuß schneller als mit dem Bus

Das Gezeter der Kinder reißt mich aus den Gedanken. Ich setze Kopfhörer auf und versuche zu lesen. Der Zug ruckelt und zuckelt. Ich reibe mir die Augen. Der Zug ruckelt und zuckelt. Die Buchstaben verschwimmen vor den Augen. Der Zug ruckelt und zuckelt. Die Lider werden schwerer. Der Zug ruckelt und zuckelt und schaukelt mich in den Schlaf. Wach werde ich erst wieder an der nächsten Station.

Daufenbach steht auf dem Bahnhofsgebäude, der Schriftzug, fast verblichen. Er stammt noch aus anderen Zeiten. Seit 1875 fährt die Eifelbahn auf dieser Strecke. Damals war der Zug das wichtigste Transportmittel, das Schienennetz die Lebensader der Region. Gerade kurze Strecken fährt heute kaum jemand mehr mit der Bahn. Die meisten, die auf dem Land leben, nutzen, wie ich, das eigene Auto. Auch in Daufenbach steigt heute niemand ein oder aus.

Es ist 10.20 Uhr, als ich in meinem Ziel, Erdorf, ankomme. Von dem Bitburger Stadtteil aus sind es nur knapp fünf Kilometer bis ins Zentrum. Ich sollte es also pünktlich schaffen, denke ich. Aber die Rechnung habe ich wohl ohne die Busse gemacht, beziehungsweise mit den Bussen, die zu dieser Tageszeit nicht kommen. Warum um 9.01 Uhr und dann nur drei Minuten später jeweils einer Richtung Bitburg abfährt, dann aber für geschlagene drei Stunden keiner mehr - das wird heute wohl ein Geheimnis bleiben. Weil ich nicht so lange in Erdorf festhängen will, entscheide ich mich die fünf Kilometer zu laufen.Per Anhalter durch die Eifel

"Wrumm!" Ich spüre den Luftzug im Gesicht. Ein Auto rast an mir vorbei. Sekunden später sehe ich nur noch die Rücklichter, dann biegt es um die Kurve. Diesmal hatte ich gar keine Zeit, den Daumen auszustrecken. Zu lange habe ich nicht zurückgeschaut, habe nicht bemerkt, wie der Wagen sich nähert.

Ich bin inzwischen schon eine gute halbe Stunde unterwegs, folge der B 257. Und es geht stetig bergauf zwischen Erdorf und Bitburg. "Wrumm" - noch ein Auto, "Wrumm." Spätestens als es zu regnen beginnt, denke ich, dass ich wohl doch besser auf den Bus gewartet hätte. Die Tropfen prasseln auf meine Jacke, die Kälte kriecht in die Knochen, Strümpfe und Füße sind völlig durchnässt. Doch ich trotte weiter. Dann endlich: eine überdachte Haltestelle. Dort suche ich für einen Moment Schutz vor dem Regen. Ich schaue auf den Zettel. Bis der nächste Bus kommt, dauert es immer noch mehr als eine Stunde. Also stelle ich mich raus und hebe wieder den Daumen. 20, vielleicht 30 Autos fahren an mir vorbei.

Gerade als ich die Hoffnung aufgeben will, bremst ein dunkelblauer BMW vor mir ab: schicker Wagen, denke ich. Und die Fahrerin? Nicht minder schick in ihrem schwarz-grauen Mantel. "Wo wollen Sie den hin, junger Mann?", fragt sie. "Nach Bitburg", antworte ich. Sie öffnet die Tür. Ich steige ein und habe Angst, mit meinen dreckigen Schuhen ihre Polster zu versauen. Im Auto erzähle ich ihr von meiner Odyssee. Sie lacht. Der Name meiner Retterin übrigens: Marion Hill-Wadem aus Kattern. Nach fünf Minuten bin ich dann endlich in Bitburg. Sie fährt mich sogar bis zur Fußgängerzone.

Ich schaue kurz auf mein Handy - es ist 11.18 Uhr. Fast zwei Stunden habe ich für die Strecke gebraucht, die ich sonst in 35 Minuten schaffe: Ich muss mich beeilen. Also bedanke ich mich, steige aus, haste die Treppen zur Redaktion hoch, setze mich an den Computer und tippe diesen Text. Morgen kommt dann hoffentlich mein Auto aus der Werkstatt.Extra

 Es dauert lange, bis hier auf der B 257 jemand anhält, um mich nach Bitburg mitzunehmen.

Es dauert lange, bis hier auf der B 257 jemand anhält, um mich nach Bitburg mitzunehmen.

Foto: (e_eifel )
 Hier in Trier, auf Gleis 12 Süd, und nicht 9, beginnt meine Odyssee nach Bitburg.

Hier in Trier, auf Gleis 12 Süd, und nicht 9, beginnt meine Odyssee nach Bitburg.

Foto: (e_eifel )
 Gähnende Leere: Zu Beginn bin ich der einzige Fahrgast im Zug.

Gähnende Leere: Zu Beginn bin ich der einzige Fahrgast im Zug.

Foto: (e_eifel )

"Warum hast du nicht den Schnellbus genommen", fragt die Arbeitskollegin. Ich denke: "Welchen Schnellbus?" Aber es gibt ihn tatsächlich. Der fährt etwa alle zwei Stunden vom Hauptbahnhof Trier ab und braucht nur eine Dreiviertelstunde über die B 51. Je nachdem wo man im Internet schaut, bleibt einem diese Information allerdings verborgen. Die Seite "Saarfahrplan.de", die bei der Google-Suche zuerst aufpoppt, kennt beispielsweise nur die Verbindung über Erdorf. Jede Stunde fährt ein Zug von Trier dorthin. Doch von dem Bitburger Stadtteil aus ist die Anbindung mit dem Bus eine Katastrophe - er kommt zwar 13 Mal am Tag, wie es scheint aber zu völlig willkürlichen Zeiten. Ein Beispiel: Gegen 9 Uhr halten gleich zwei Busse am Erdorfer Bahnhof, zwischen 10 und 12 dann wieder gar keiner. Und nach 17 Uhr kommt man von dort überhaupt nicht mehr weg. Apropos nicht mehr wegkommen - wer abends von Trier nach Bitburg will, braucht ein Auto. Der Bus fährt nur bis 20.15 Uhr. Im Augenblick prüft der Landrat einen Vorschlag der Jungen Union, auf dieser Strecke einen Nachtbus einzusetzen. cha

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