Es gibt sie noch, die Perlen der Eifel

Zu den seltenen und extrem gefährdeten Tierarten gehört die unscheinbare Flussperlmuschel, von der es nur noch wenige Exemplare im Perlenbach bei Höfen/Monschau oder in den Bächen der Eifel gibt. Inzwischen wächst die Hoffnung, dass die Weichtiere mit der harten Schale über ein vor einigen Jahren gestartetes Artenschutzprogramm, das unter anderem von der NRW-Stiftung gefördert wurde, vor dem Aussterben bewahrt werden können.

Monschau. Nicht nur in der Südsee, auch in der Eifel gab es Perlenfischer. Die Muscheln leben im Schwalmbach, dem man wegen seiner Perlmuschelbänke den Namen Perl- oder Perlenbach gab. Die Perlmuschelvorkommen in der Schwalm wurden schon im 14. Jahrhundert urkundlich erwähnt. Die Perlenfischerei galt über Jahrhunderte als ein streng gehütetes Privileg der Landesherren, als sogenanntes "Perlregal".

Das wurde anders, als die Franzosen 1794 in die Eifel einmarschierten. Nun durfte jedermann nach Perlen fischen. Die Folge: Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Muschelbänke weitgehend ausgeplündert. Weitere Bestandseinbußen gab es im Trockenjahr 1921 und beim Bau der Westwall-Bunker 1938/39, als der Arbeitsdienst tonnenweise Kies aus dem Perlenbach entnahm. Von den ehemals unzähligen Perlmuscheln, die früher das Gewässer besiedelten, blieben Ende der 1980er Jahre nur noch wenige erwachsene Tiere übrig. Und in den vergangenen 50 bis 60 Jahren sind nur ganz wenige Jungmuscheln aufgewachsen.

Für Experten lag die Hauptursache darin, dass der Perlenbach nach starken Regenfällen zu viele Schwebstoffe vom nahegelegenen belgischen Truppenübungsplatz Elsenborn mitführte. Hinzu kam, dass in den 50er Jahren Fichtenanpflanzungen den bis dahin üblichen Auenwald verdrängten. Es gelangten nur noch saures Sickerwasser und die harzige Nadelstreu ins Gewässer, beide keine Lebensgrundlage für die Bachtiere. Zudem wurde der Boden jetzt unter den flach wurzelnden Fichten bei jedem Hochwasser weggeschwemmt.

Die ersten wesentlichen Beiträge zur Renaturierung der Bachtäler begannen 1988 als die Fichten in den Bachauen gerodet wurden, um die Narzissenwiesen zu retten. Nebenbei kam die Maßnahme auch der Wasserqualität der Bäche zugute und schuf so eine wesentliche Voraussetzung für das Überleben der Flussperlmuschel. Denn die Nahrung für die Muscheln komme aus den Grünlandflächen, sagt Josef Wegge, Leiter der Biologischen Station im Kreis Aachen.

Dort gelingen inzwischen erste Erfolge bei der Nachzucht der gefährdeten Tiere. "Aktuell werden die trächtigen Altmuscheln in unseren Aquarien im Labor bis zur Abgabe der Larven gehalten", berichtet Gewässerbiologin Heidi Selheim. Denn neben der Verbesserung des Lebensraums der Tiere werde parallel eine geschützte Aufzucht in der Biologischen Station betrieben. Denn obwohl eine Muschel rund eine Million Eier produziere, liege der Verlust in der freien Natur bei weit über 90 Prozent. Die mikroskopisch kleinen Muschellarven verbringen ihre ersten Lebensmonate in den Kiemen junger Forellen. "Ist keine Bachforelle da, gibt es keine Muscheln", weiß Wegge. Im Aquarium wird das Verfahren imitiert, Bachforellen mit den Larven sozusagen "infiziert". "So haben wir es geschafft, Muscheln bis 1,5 Millimetern Größe sehr gut nachzuziehen", berichtet Wegge. Das Problem sei, sie auf eine Größe von zwei Zentimeter zu bekommen.

Dafür werde ein Teil in sogenannte Lochplatten überführt, die an geeigneten Stellen in Fließgewässern platziert würden. Das sei allerdings sehr aufwendig, weil sie zweimal in der Woche gereinigt werden müssten. "Dort sind die Tierchen vor Strömungen und Fressfeinden geschützt. Später dann, wenn sie etwa einen halben Zentimeter groß sind, kommen sie in einen engmaschigen Drahtkorb, der mit Feinkies gefüllt ist. Da können sie sich einbuddeln wie im Bachbett", erläuterte Selheim.

Für die Biologische Station gab es allerdings einen unerwarteten Rückschlag: Die finanzielle Förderung durch die EU wurde abgelehnt, weitere Förderanträge nicht bewilligt. Nun suchen Kreis und Station sowie die NRW-Stiftung neue Mittel zur Fortführung des Projekts. Bis zum Ende des Jahres sei das Projekt noch gesichert. Wegge: "Danach hoffen wir, ein Großprojekt gefördert zu bekommen." Extra Die Perltragende (Margaritifera margaritifera) gilt als die einzige Perlen bildende Süßwassermuschel. Sie bevorzugt klare, kalte, kalk- und eisenarme Fließgewässer mit kiesigem Untergrund. Perlen bilden Muscheln nur, wenn ein Sandkorn zwischen Schale und Mantelhaut stecken geblieben ist. Dann wird der Fremdkörper nach und nach mit hauchdünnen Perlmuttschichten bezogen. Bis daraus eine erbsengroße Perle geworden ist, vergehen zehn und mehr Jahre. Nur rund eine von zweitausend Flussperlmuscheln ist Perlenträgerin. Ausgewachsene Exemplare können bis zu 15 Zentimeter lang und 120 Jahre alt werden.

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