Es hagelt Kritik an der Schulbuchausleihe

Wittlich · Holprig ist der Start für die Schulbuchausleihe vor einem Jahr verlaufen. Nach dem Pilotjahr des Systems klagen vor allem Eltern, Lehrer und Schulleitungen im Landkreis Bernkastel-Wittlich. Trotz des enormen Verwaltungsaufwands zieht die Kreisverwaltung hingegen ein positives Fazit.

 Bücherberge, die zu individuellen Paketen für jeden Schüler zusammengestellt werden müssen, warten darauf, gepackt zu werden. Foto: dpa

Bücherberge, die zu individuellen Paketen für jeden Schüler zusammengestellt werden müssen, warten darauf, gepackt zu werden. Foto: dpa

Wittlich. "Wir alle klagen über das System. Ich verfluche es sogar ein kleines bisschen", verschafft Alfred Johann Schmitt, Schulleiter des Nikolaus-von-Kues-Gymnasiums in Bernkastel-Kues, seinem Unmut Luft. Schmitt ist nicht der Einzige, der mit seiner Kritik an der Schulbuchausleihe nicht hinterm Berg hält. Kritik an dem bürokratischen Monster hagelt es von vielen seiner Kollegen. "Natürlich ist das Schulbuch-Ausleihsystem ein Riesenaufwand. Da ist klar, dass es bei der Einführung nicht nur Lob geprasselt hat, sondern auch viel Kritik - manchmal auch zu Recht", gesteht Wolf-Jürgen Karle, Sprecher beim Pädagogischen Landesinstitut in Mainz, dass das System seine Schwächen hat.

System mit Schwächen


Fünf Schulen in Trägerschaft des Kreises nehmen seit einem Jahr an der Schulbuchausleihe teil, bei der Schüler im Zuge der sogenannten Lernmittelfreiheit Schulbücher kostenlos oder zu einem Drittel des Buchpreises online ihren Schulbuch-Kanon ausleihen können. Von 3422 Schülern der kreiseigenen Schulen haben 1889 im ersten Schuljahr teilgenommen - das sind 55 Prozent. Mit Beginn des neuen Schuljahrs 2011/12 werden es im Landkreis sogar acht Schulen in Trägerschaft des Kreises sein, da nun auch die Oberstufen und die Berufsbildenden Schulen an das System angeschlossen werden.
Rund 17 000 Bücher mussten letztes Jahr zu einzelnen Buchpaketen verpackt und an die Schüler ausgegeben werden. 12 000 davon kommen nun wieder zurück. Bis zum 22. Juni soll der Rückfluss der Bücher vonstattengegangen sein. Und die müssen alle gesammelt, auf Eselsohren, Flecken und fehlende Seiten hin begutachtet werden. "Wie das funktionieren soll, wissen wir noch nicht, das weiß noch niemand", sagt Schulleiterin Doris Hermesdorf von der Friedrich-Spee-Realschule plus in Neumagen-Dhron, bei der 30 Prozent der 455 Schüler an der Leihe teilgenommen haben. "Ich vermute aber, dass es im nächsten Schuljahr weniger sind - weil dann die Bücher nicht mehr neu sind, sagt Hermesdorf und meint: "Ein Gutschein-System wäre einfacher zu händeln gewesen."
Der Verwaltungsaufwand, um das Ausleihsystem zu stemmen, kostet Geld. Für den Personal- und Verwaltungsaufwand bekommt der Kreis eine Pauschale von rund 17 000 Euro. Da die tatsächlichen Kosten für die Abwicklung der Schulbuchausleihe allerdings bei rund 45 000 Euro liegen, muss der Kreis die Differenz von 28 000 Euro selbst tragen. Trotz aller Häme für das Ausleihsystem zieht der Kreis eine positive Bilanz. "Die Abwicklung des Ausleihverfahrens hat sich bewährt", teilt Manuel Follmann, Sprecher der Kreisverwaltung, mit, obwohl das Ganze mit einem hohen Aufwand verbunden sei. 24 Schüler und Studenten in Dreier-Teams werden vom Kreis in den Ferien eingestellt, die Buchpakete für die Schulen zusammenzustellen und die Sichtung der Bücher vornehmen. "Das hat im letzten Jahr gut funktioniert", sagt Schulleiter Alfred Johann Schmitt vom Nikolaus-von-Kues-Gymnasium in Bernkastel-Kues. Zwar gibt es für die Beurteilung des Buchzustandes Richtlinien vom Pädagogischen Landesinstitut, doch ab wann für Schäden am Buch Strafe gezahlt werden muss, bleibt an den Schulen und dem Fingerspitzengefühl der Aushilfsjobber hängen. Die Kreisverwaltung rät den Eltern daher, die ausgeliehenen Bücher mit Schutzumschlägen zu versehen. Damit das nächste Schuljahr nicht wieder im Chaos beginnt und Schüler tagelang ohne Bücher herumsitzen, offeriert das Nikolaus-von-Kues-Gymnasium Eltern und Schülern einen Service: "Bei uns können die Buchpakete schon in den Ferien abgeholt werden." Auch wenn alle Bücher bereits eine Woche vor den Ferien eingesammelt sind: "Sieben Tage ohne Bücher kriegen wir hin."
Die Beteiligung an der Schulbuchausleihe: Kurfürst-Balduin Realschule in Wittlich: 429 von 850 Schülern (50 Prozent), Peter-Wust-Gymnasium Wittlich: 365 von 610 Schülern (60 Prozent) Gymnasium Traben-Trarbach: 340 von 570 (60 Prozent), Cusanus-Gymnasium in Wittlich: 379 von 616 Schülern (62 Prozent), Nikolaus-von-Kues-Gymnasium Bernkastel-Kues: 376 von 776 Schülern (48 Prozent).An der Schulbuchausleihe teilnehmen dürfen Schüler der Klassen 5 bis 13 sowie Vollzeitschüler von Fachoberschulen und Berufsschulen. Die Grundschulen kommen erst im kommenden Jahr dazu. Die Einkommensgrenze, bis zu der Eltern für ihre Kinder kostenlos Schulbücher leihen können, ist variabel. Bei einem Paar mit einem Kind darf das Jahreseinkommen 26 500 Euro brutto nicht übersteigen (Alleinerziehende: 22 750 Euro). Für jedes weitere Kind erhöhen sich diese Einkommensgrenzen um 3750 Euro. Bei der kostenlosen Ausleihe werden den Schülern außer den Büchern auch alle Lernmaterialien wie Arbeitshefte oder Grammatiken zur Verfügung gestellt. Familien, die mehr verdienen, können auch an dem Ausleihsystem teilnehmen, müssen für die Bücher allerdings ein Drittel des Ladenpreises als Leihgebühr für ein Jahr zahlen. Bücher, die während der ganzen Schulzeit genutzt werden (Atlanten, Bibeln) sowie Arbeits- und Übungshefte müssen komplett selbst gezahlt werden. Alle müssen sich zur Teilnahme an der Schulbuchausleihe anmelden: Stichtag für die kostenlose Ausleihe war der 15. März. Wer die Einkommensgrenze überschreitet und am kostenpflichtigen Ausleihsystem teilnehmen will, musste sich bis zum gestrigen Dienstag im Internet unter http://lmf-online.rlp.de anmelden. Die Schulträger stellen die Bücher für jeden einzelnen Schüler zusammen, ausgegeben werden diese Buchpakete nach den Sommerferien in den Schulen. Per Computer-Strichcode-System wird jedes Buch exakt einem einzelnen Schüler zugeordnet. Die Entgegennahme müssen die Schüler quittieren. Am Ende des Schuljahres müssen die Bücher zurückgegeben werden. Bei Beschädigungen wie Feuchtigkeitsflecken oder Markierungen verlangt der Schulträger Schadenersatz. Infos: http://lmf-online.rlp.de woc

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