"Es hilft nur Sprachförderung"

BITBURG/GEROLSTEIN/TRIER. "Jugendliche Aussiedler zwischen ethnischer Diaspora und neuer Heimat" heißt eine Studie der Universität Trier. Basis der Sozialstudie sind junge Migranten aus dem Kreis Daun, der Stadt Trier und der Hunsrückgemeinde Sohren. Auch im Kreis Bitburg-Prüm spielt das Thema eine wichtige Rolle.

"Viele Vermutungen wurden bestätigt. Schulbildung und Arbeit sind das einzige, was den jugendlichen Aussiedlern hilft." Mit diesem Satz fasst Landrat Heinz Onnertz die Ergebnisse einer neuen Aussiedler-Studie der Universität Trier zusammen. Professor Waldemar Vogelgesang stellte die Ergebnisse im Gerolsteiner Rathaus vor. Ein Thema der Studie sind die Sprachbarrieren. Vogelgesang: "Der Erfolg ist abhängig von der Sprachkompetenz. Wichtig ist es, die Muttersprache zu fördern. Nur wer darin fit ist, kann Deutsch als Fremdsprache lernen." Julia Küker, Leiterin des Dauner Hauses der Jugend, unterstützt die These: "Wenn wir mit den Jugendlichen die drei Alphabete in Deutsch, Russisch und Englisch üben wollen, merken wir, dass sie keines richtig können". Bruno Esch, Leiter der Hauptschule Hillesheim, meint: "Es hilft nur Sprachförderung. Das kann aber nicht jede Schule leisten". Laut Studie besuchen die Hälfte der jungen Aussiedler die Hauptschule und ein Drittel die Realschule. Von den Einheimischen gehen elf Prozent zur Haupt- und 52 Prozent zur Realschule. Noch weiter klafft die Schere beim späteren Berufsweg auseinander. Die Hälfte der Aussiedler bis 25 Jahre hat keinen Berufsabschluss (32 Prozent) oder ist arbeitslos (18 Prozent). Bei den ausländischen Jugendlichen beträgt dieser Anteil "nur" ein Drittel. Bei den Einheimischen ein Fünftel. Vogelgesang kritisiert, dass das Arbeitsamt keine Sprachkurse mehr zahle, wenn der Aussiedler einmal in Deutschland gearbeitet hat. Das Team um den Soziologen hat allerdings festgestellt, dass das Arbeitsamt bei den Stellenausschreibungen verstärkt auf die Zweisprachigkeit der Aussiedler achtet. Immer mehr regionale Firmen profitieren vom osteuropäischen Markt und brauchen russisch-sprechende Mitarbeiter. 32 Prozent fühlen sich als "Deutsche"

71 Prozent der jungen Aussiedler fühlen sich hin- und her gerissen, bei der Frage, ob der Wohnort in Deutschland "neue Heimat" sei. 32 Prozent fühlen sich in der Gesellschaft "als Deutsche", fünf Prozent als "Fremde" und 63 Prozent "als irgendwas dazwischen". Dass die Integration noch zu wünschen übrig lässt, machen die Ergebnisse nach den Freundeskreisen deutlich. Bei den einheimischen Jugendlichen stehen die Aussiedler erst an fünfter Stelle auf der Liste. Junge Migranten wünschen sich Einheimische neben Aussiedlern in der Clique. Vogelgesang gewinnt der Ghettobildung jedoch auch Vorteile ab: "Das ist Verwandtschaftssolidarität, wie es sie bei uns nur in der Nachkriegszeit gab." Eine neue Heimat könne deshalb auch ein "Russenviertel" sein. Sucht, Drogen und Delinquenz bleiben in der Studie der Universität Trier nicht außen vor. Nach Zahlen der rheinland-pfälzischen Polizei sind 8,7 Prozent aller Tatverdächtigen Aussiedler bis 30 Jahre. Sozialarbeiterin Küker: "Jugendliche Aussiedler kommen nicht mit krimineller Energie nach Deutschland. Sie entwickelt sich erst durch den Frust, die Sprachbarrieren und die Schwierigkeiten in der Schule. Oft sind sie vier bis fünf Jahre vor den Straftaten völlig unauffällig."

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