Eupen feiert erste Erwähnung vor 800 Jahren

Eupen · Dass die ostbelgische Stadt Eupen in diesem Jahr ihr 800-jähriges Bestehen feiern kann, verdankt sie einem Zufall. Zum Geburtstag besinnen sich die knapp 19 000 Einwohner auf ihre wechselvolle Geschichte. Ein historischer Abriss.

Eupen. Die Kirche brauchte Geld. Die Kapelle, dem Heiligen Nikolaus gewidmet, musste restauriert und auch der Pfarrer besoldet werden, der Sprengel Baelen wurde also zur Geldsammlung aufgerufen. Der Vorgang aus dem Jahr 1213 wäre wohl längst aus jeder Erinnerung geschwunden - hätte nicht der Chronist der Kirche erwähnt, dass sich die Kapelle in einem Ortsteil namens Oipen befinde. Welch ein Glück für die heutige Hauptstadt der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. So darf sie in diesem Jahr ein respektables Jubiläum begehen: 800 Jahre Eupen.Wechselnde Herren


Der Abt von Rolduc ist es, der den Namen Eupen urkundlich festhält. Kirchlich gehört der Flecken damals zum Bistum Lüttich, politisch zum Herzogtum Limburg. Zwar macht sich Eupen nach seiner Ersterwähnung 1213 die nächsten dreieinhalb Jahrhunderte historisch kaum bemerkbar. Es fällt nur - schließlich bis ins 20. Jahrhundert - zeit- und regionstypisch immer wieder einmal einer anderen Herrschaft zu. Die Herren wechseln öfter: nach der Schlacht von Worringen 1288 an Brabant, 1387 an Burgund, 1477 an die österreichischen, 1555 an die spanischen Habsburger, 1794 an die Franzosen, 1815 an die Preußen. Bis Eupen im Jahr 1920 zum ersten Mal belgisch wird.Feine Tuchqualität


Die historische Rolle Eupens gründet in der Tuchproduktion und ihren - zahlreich erhaltenen - architektonischen Zeugnissen. Doch bevor das Gewerbe im Laufe des 17. Jahrhunderts entscheidend an Bedeutung gewinnt, wird Geschichte hierorts zum ersten Mal sehr greifbar, als sich im Zusammenhang mit dem reformatorischen Bildersturm, der sich 1566/67 in den Niederlanden austobt, eine reformatorische Gemeinde im gut 2000 Einwohner zählenden Eupen formiert. Später von reichen Tuchmacherfamilien unterstützt, existiert die kleine Minderheit ohne Unterbrechung bis heute. Ab dem Jahr 1680 - sechs Jahre zuvor waren Eupen die Stadtrechte verliehen worden - bestimmen die Herstellung und der Export von Tuchen die Geschicke der schon 4000 Einwohner starken Stadt bis ins 19. Jahrhundert, wobei sich ab 1830 der Niedergang beschleunigt. "Relativ plötzlich", erzählt der Eupener Kirchengeschichtler Alfred Minke, wächst den Eupener Tuchmachern zum Ende des 17. Jahrhunderts neues Know-how zu: Statt der eher groben, schweren Ware ist man nun imstande, feines, leichtes und buntes Tuch herzustellen. "Das war ein großer Einschnitt", Eupener Tuch wird international bekannt. Begünstigt wird die - überwiegend in Heimarbeit getätigte - Feintuchmanufaktur hochwertiger Stoffe aus spanischer Merinoschafwolle durch das weiche, kalkarme Wasser. Die Blütezeit setzt sich durch das ganze 18. Jahrhundert fort, in dem auch die Prachtbauten der reichen bis sehr reichen Fabrikanten entstehen.
Zum Ende des Jahrhunderts wird Eupen französisch, zum Departement Ourthe gehörend, und lebt in der Folge eine Zeit lang nicht schlecht von Rüstungsaufträgen für die Armeen Napoleons.Rüstung für Napoleon


Zum Ende der napoleonischen Zeit sind von etwa 9500 Einwohnern 7000 in der Textilherstellung tätig, davon 5500 hauptberuflich. Ein Teil der Fabrikanten wird superreich. Nach dem Wiener Kongress wird Eupen der Rheinprovinz des Königreichs Preußen zugeschlagen. 1918 verfügt der Versailler Vertrag, dass Eupen dem belgischen Staat eingegliedert wird. 1920 findet die größte Demonstration statt, die die Stadt jemals erlebt hat, erzählt Minke, "10 000 Menschen protestierten für eine freie Volksabstimmung", mit dem Ziel, deutsch zu bleiben. Im Ergebnis ist das Verfahren jedoch alles andere als frei: Wer gegen Belgien stimmen will, muss sich unter den Augen eines belgischen Beamten in eine Liste eintragen. 271 Bürger entscheiden sich dafür.
Es folgt eine Phase der Zerrissenheit und Identitätskrise - nicht richtig deutsch, nicht richtig belgisch. Das wirkt mitunter bis heute.
1963 werden die Sprachregionen eingeteilt, 1973 der Rat der Deutschen Kulturgemeinschaft eingesetzt. Mit der ersten parlamentarischen Vertretung beginnt eine neue Phase. Die Deutschsprachige Gemeinschaft entwickelt sich mehr und mehr zu einer kulturell und politisch selbstbestimmten Einheit. Heute hat die Stadt knapp 19 000 Einwohner.

Axel Borrenkott, Aachener ZeitungExtra

Drei Gründe, die Stadt Eupen im Jubiläumsjahr zu besuchen, nennt Alfred Minke, Kirchengeschichtler, passionierter Eupener und pensionierter Lehrer sowie Professor der Universität Löwen: Erstens lohnt ein Besuch, um die Architektur zu besichtigen. Wir haben hier die größte Konzentration an Couven-Bauten pro Quadratmeter. In Aachen ist ja das meiste zerstört. Zweitens: Im Laufe des Jahres 2013 wird die Innenstadt gänzlich renoviert sein, und es wird eine viel größere Begegnungszone für Fußgänger geben. Drittens: Der Besuch lohnt wegen der kulinarischen Genüsse, Cafés und Restaurants. Wir bieten französische Qualität bei deutscher Quantität. Aber es gibt noch einen Grund: Karneval!Extra

Die 800-Jahr-Feier: Die Stadt Eupen will ihr Jubiläum nicht prunkvoll, sondern informativ feiern. "Unser Ziel ist es, den Leuten die jahrhundertelange Geschichte von Eupen bewusst zu machen - mit allen Höhen und Tiefen", sagte vor der Kommunalwahl Bürgermeister Elmar Keutgen. Neben einigen Veranstaltungen ab Mai soll dafür vor allem eine von Professor Albert Minke (siehe Foto rechts) entworfene Ausstellung sorgen, die unter dem Titel "Von Oipen nach Eupen" den Alltag der Bürger widerspiegelt. red

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