Europa am Scheideweg

Im Rahmen seiner Vortragsreihe "Brennpunkt Geschichte" holte der Geschichtsverein Prümer Land Udo van Kampen, den Leiter des ZDF-Studios in Brüssel, nach Prüm. Der Journalist referierte über die Zukunft der Europäischen Union. 160 Gäste hörten interessiert zu.

Mehr als 150 Besucher hörten den Vortrag des Journalisten Udo van Kampen in der Kapelle des ehemaligen Konvikts. TV-Foto: Lothar Kolling

Mehr als 150 Besucher hörten den Vortrag des Journalisten Udo van Kampen in der Kapelle des ehemaligen Konvikts. TV-Foto: Lothar Kolling

Prüm. (lk) Von der einstigen Europa-Euphorie ist nur noch wenig zu spüren. Das war beim Besuch von ZDF-Korrespondent Udo van Kampen nicht anders. Die mangelnde Durchschaubarkeit der politischen Vorgänge macht EU-Politik für die meisten zu einem schwierigen Feld. Erst Beziehungen vertiefen, dann weiter erweitern

 Volker Blindert (rechts) dankte dem Journalisten Udo van Kampen für dessen Vortrag. TV-Foto: Lothar Kolling

Volker Blindert (rechts) dankte dem Journalisten Udo van Kampen für dessen Vortrag. TV-Foto: Lothar Kolling

"Vereintes Europa - Glücksfall der Geschichte?" lautete der Titel von Udo van Kampens Vortrag. Van Kampen bestätigte die Bedenken, die auch viele der Zuhörer artikulierten: "Die Europäische Union befindet sich in einer Identitäts- und Vertrauenskrise." Dennoch - gleich zu Beginn seines Vortrags beantwortete er die Frage, die er im Titel seines Vortrags stellt: "Das Fragezeichen gehört da weg vor dem Hintergrund der kriegerischen europäischen Vergangenheit." Er sieht die Möglichkeit, dass sich Europa weiter positiv entwickelt: "Europa hat die Kraft aus allen Krisen voran zu schreiten." In der Vergangenheit seien allerdings Fehler gemacht worden. Das Prinzip, dass Vertiefung der Beziehungen Vorrang vor der Erweiterung der Union hat, sei nicht befolgt worden. Derzeit befinde sich die EU an einem Scheideweg. Mit der Neuauflage der EU-Verfassung als "Änderungsvertrag" und der Abstimmung darüber in 2009 entscheide sich die Zukunft der EU. Seine Prognose: "Der Änderungsvertrag steht auf tönernen Füßen und wird nicht durchkommen. Es wird sich ein Kerneuropa herausbilden, um eine dauerhafte Lähmung zu vermeiden." Das werde die EU "politische aushalten", sofern der "Kreis offen" bleibe. Dann könne sich Europa auch gegenüber neuen Machtzentren auf globaler Ebene behaupten. Für die Zukunft der EU seien identitätsstiftende Visionen von eminenter Bedeutung. Das sei gerade für die jüngere Generation wichtig. "Die Politiker drücken sich um diese Frage jedoch herum", sagte van Kampen. Den Strömungen, nach denen die EU ausschließlich als Freihandelszone betrachtet wird, erteilte van Kampen eine Absage: "Europa ist kein neoliberales, sondern ein kulturelles Projekt." Vor allem bewegten die Anekdoten des Journalisten aus dem politischen Tagesgeschäft das Publikum; insbesondere die Unstimmigkeiten zwischen Deutschland und Polen bezüglich der Frage über das künftige Abstimmungsverfahren. Die Auseinandersetzungen führten seinerzeit zu Aufregung unter den Reportern: "Als Angela Merkel sagte, sie würde den Weg notfalls auch ohne Polen weiter gehen, sind die Journalisten über die Tische gesprungen. Das gab es bis dahin noch nie." Der Vorsitzende des Geschichtsvereins Prümer Land, Volker Blindert, versprach, dass die Vortragsreihe "Brennpunkt Geschichte" nächstes Jahr fortgesetzt wird - mit dem Schwerpunkt-Thema Terrorismus.

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