Europa: Jetzt erst recht! - Museumsverein Welchenhausen organisiert am Wochenende Symposion und Ausstellung

Burg Reuland/Lützkampen · Zuerst wollten sie nur eine kleine Feier machen - zum Abschluss ihrer "Grenzrosen"-Kunstaktion am Dreiländerpunkt in Ouren. Aber dann kam den Mitgliedern vom Museumsverein der Wartehalle in Welchenhausen der ganze aktuelle Europa-Hader dazwischen. Und deshalb wird am Wochenende noch viel mehr gemacht - um ein Zeichen gegen die Spalter zu setzen.

Burg Reuland/Lützkampen. Es war eine schöne Aktion, die sich der Museumsverein der Wartehalle im Dörfchen Welchenhausen voriges Jahr ausgedacht hatte: das Grenzrosen-Projekt (der TV berichtete). Der Essener Künstler Thomas Rother schuf die stilisierten Blüten, danach mauerten Kinder und Erwachsene aus Belgien, Deutschland und Luxemburg gemeinsam die Ziegelsteinsäulen, auf denen die Rosen montiert wurden.Mit eigens komponiertem Choral


Am Wochenende wird das Gesamtwerk nun feierlich eingeweiht, an seinem endgültigen Standort: der Georges-Wagner-Brücke am Dreiländerpunkt bei Ouren. Zu hören wird es auch etwas geben, nämlich den "Grenzrosen-Choral", den der Komponist Wolfgang Geiger eigens dafür schrieb. Das Ganze geschieht am Sonntag, 22. Mai, 14 Uhr. Mit dabei sind die Bürgermeister, Kinder und Jugendlichen aus den Gemeinden Clervaux, Burg Reuland und Arzfeld.
Schöne Aktion, wie gesagt. Aber an diesem Wochenende passiert dann doch noch ein bisschen mehr. Denn inzwischen, sagt Christof Thees, der Vorsitzende des Museumsvereins, sei den Planern etwas in die Quere gekommen: All die schlechten Nachrichten der vergangenen Monate - "Grexit, Flüchtlingsdrama, erneute Grenzkontrollen, Abstimmung über EU-Austritt in Großbritannien, wieder aufkeimendes Nationalstaatsgebaren, Terroranschläge" - und noch manches mehr, sagt Thees.

Und deshalb sei es Zeit, Position zu beziehen "für ein friedliches und wirklich freies Europa, nicht nur politisch, sondern auch für eine echte Freiheit von Presse, Kunst und Kultur, die in zunehmendem Maße und schleichend beschränkt wird". Thees erzählt von Ausstellungen, die etwa in Köln oder Brüssel abgesagt wurden im vorauseilenden Gehorsam - es könnte sich ja jemand auf den Schlips, den Schnäuzer oder den Ziegenbart getreten fühlen.

Anderes Beispiel: die neue polnische Regierung, der ein Theaterstück von Elfriede Jelinek nicht passte - und die nun beschlossen hat, Kulturförderung am Inhalt der Projekte auszurichten. Das bedeute: "Wer nicht spurt, kriegt kein Geld", sagt Christof Thees.
Kurz: Es ist alles nicht so einfach - und so ist denn auch das überschrieben (in drei Sprachen), was am Wochenende zusätzlich geplant ist. Denn am Samstag, 21. Mai, beginnt um 14.30 Uhr im Kulturhaus Burg Reuland ein internationales Symposium zu Geschichte, Politik und Kultur im Dreiländereck.

Dazu gibt es Vorträge von Erny J. Lamborelle aus Luxemburg, von Klaus-Dieter Klauser, dem Vorsitzenden des belgischen Geschichtsvereins zwischen Venn und Schneifel, von Albert Gehlen, dem Ehrenvorsitzenden der Europäischen Vereinigung für Eifel und Ardennen, und von Marie-Louise Niewodniczanska, der Präsidentin der Europäischen Vereinigung Bildender Künstler.Erschütternde Geschichte


Erny Lamborelle zum Beispiel wird eine Geschichte erzählen, die viele erschüttert hat und auch als Buch unter dem Titel "Firwat?" ("Wofür?") im Ländchen Furore machte: von der Zwangsrekrutierung seiner beiden Onkel während des Zweiten Weltkriegs - und deren Fahnenflucht. Dann aber verrieten ihre Landsleute sie an die Deutschen. SS-Soldaten holten sie ab und erschossen sie in einem Wald. Gemeinsam mit ihrem Vater.
Grauenvoll - und eines von vielen Beispielen dafür, warum noch lange nach dem Krieg die Ressentiments zwischen den Nachbarn blieben.

Klaus-Dieter Klauser spricht über das jahrzehntelange "Zwischen-den-Stühlen-Sitzen" der Ostbelgier, nachdem sie 1920 von Preußisch-Eupen-Malmedy zu Belgien kamen. Egal, wozu sie gerade gehört hätten, sagt Thees, "sie galten immer als Verräter".
Gegen 17 Uhr eröffnet im gleichen Haus eine Ausstellung unter dem kämpferischen Titel "Europa? Europa!" mit Werken von 18 Künstlern aus den drei Nachbarländern, die sich auf unterschiedlichste Weise mit den Themen "Europa" und "Grenzen" befassen - alle Arbeiten sind für die Ausstellung entstanden.
Da wäre also einiges zu erleben am Wochenende - und eingeladen ist dazu jeder, der sich für Geschichte, Kultur und das Gemeinsame im Dreiländereck interessiert.

Es gehe darum, den Spaltern etwas entgegenzusetzen, sagt Christof Thees - zu zeigen, dass es auch anders gehe "und dass man etwas dafür tun muss". Erst recht in diesen Zeiten, die auch dazu beitrugen, dass der Titel des Symposions geändert wurde: Zuerst sollte es nämlich heißen: "Es war nicht so einfach …"
Nein, es musste die Gegenwartsform sein, aus viel zu vielen besorgniserregenden Anlässen: Es ist nicht so einfach. Trotzdem wolle man alles mit größtmöglicher Lockerheit angehen. Und deshalb gibt es am Wochenende auch "Kaffee, Kuchen und Stubbis", sagt Christof Thees.Meinung

Das Große im Kleinen
Man meint ja wirklich, Europa gehe gerade den Bach runter: Mit der Freiheit, sofern es nicht um die eigene geht, nehmen es viele Regierende nicht unbedingt genau, überall scheinen die Extremisten, die Unterdrücker, die Parolenschwinger und die Spalter zu triumphieren. Und so ein kleiner Eifeler Verein will dagegen anstinken? Aber ja! Recht so. Gerade hier, wo wir Europäer einander so nah sind - und aufeinander angewiesen. f.linden@volksfreund.de

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