Europa und die Region Die weiteren Aussichten: bewölkt

Prüm · Treffen in der „Herzkammer Europas“: Beim Prümer Neujahrsgespräch bringt der deutsche Botschafter in Luxemburg, Heinrich Kreft, nur bedingt hoffnungsfrohe Prognosen für den Kontinent mit.

 Botschafter Heinrich Kreft in Prüm.

Botschafter Heinrich Kreft in Prüm.

Foto: TV/Fritz-Peter Linden

Jawohl, „Europas Herzkammer“: Genau das ist das Prümer Land für Aloysius Söhngen, Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Prüm. Der Kommunalchef hat zum 26. Neujahrsgespräch in den Ratssaal eingeladen. 200 Gäste sind dabei und hören sich im Anschluss an Söhngens Rede – wie immer eine analytische Ansprache zur Lage der Prümer Nation – an, was Heinrich Kreft, deutscher Botschafter im benachbarten Luxemburg, über die Perspektiven Europas zu sagen hat.

Die sind allerdings nicht allzu rosig: „Wir leben in einer unruhigen Zeit“, sagt Kreft, „in einer unruhigen Welt, die geprägt ist vom Zerfall der Ordnung, die uns allen bekannt ist“. Da sei es verständlich, dass viele sich Sorgen machten um die Zukunft. Also sei eine „nüchterne Analyse“ der Lage angeraten.

 Gut besucht: Publikum beim Neujahrsgespräch im Ratssaal der Verbandsgemeinde Prüm.

Gut besucht: Publikum beim Neujahrsgespräch im Ratssaal der Verbandsgemeinde Prüm.

Foto: TV/Fritz-Peter Linden

„Ernüchternd“ hätte auch gepasst: Der transatlantische Freund USA sehe unter seinem Präsidenten Donald Trump Deutschland und Europa eher als Gegner denn als Partner, da drohe eine wichtige Säule zu brechen. Auf dem alten Kontinent wachse vor allem im Osten die Zahl populistischer Regierungen.

 Gut aufgelegt: Die Jungs von „Acoustic Activity, Marius Wagner (links) und Michael Raskopp.

Gut aufgelegt: Die Jungs von „Acoustic Activity, Marius Wagner (links) und Michael Raskopp.

Foto: TV/Fritz-Peter Linden

Und dann gehen auch noch die Briten stiften – der Brexit ist für Heinrich Kreft die gößte aller aktuellen Herausforderungen. Und er wird, sofern man sich nicht gütlich einigt, „einen großen Schaden“ verursachen. Und in den Regionen rundherum, von der Ostukraine und der Krim bis nach Syrien und in den Sinai, brennt es an allen Ecken, einen „Ring of Fire“, Feuerring, nennt es Kreft.

Der Ausblick? Trist, denn die Fliehkräfte wirken überall: In Italien wird im März gewählt, und Bungabungamann Silvio Berlusconi steht, umfragengestärkt, schon wieder ante portas. „Auch die rechtspopulistische Lega Nord dürfte ein hohes Ergebnis erzielen“, sagt Kreft. Zugleich höre er in Luxemburg nahezu täglich die besorgte Frage, wann denn die Deutschen jetzt endlich eine vernünftige Regierung zustandebekämen. Kreft gibt sich zuversichtlich, dass das „bis Ostern“ geschafft sei. Wie gut, dass da am Freitagmorgen ein angeblicher Durchbruch bei den Sondierungsgesprächen für eine erneute große Koalition in Berlin gemeldet wird.

Immerhin aber: „All diese Bewährungsproben“, sagt Kreft, „finden 2018 unter sehr günstigen ökonomischen Rahmenbedingungen statt.“ Die deutsche Wirtschaft gedeiht, bleibt stark und dürfte sogar weiterwachsen: „Deutschland“, sagt der Botschafter, „wird in diesem Jahr ein ökonomisches Powerhouse bleiben“. So viel gute Nachricht muss dann doch sein.

Aloysius Söhngen hat zuvor das Gemeinsame beschworen: Nach den großen Verletzungen des Zweiten Weltkriegs hätten „die Menschen unserer Region und unserer Nachbarländer unsagbar viel gemeinsam erreicht“.

Das beginne bei der Freizügigkeit dank Öffnung der Grenzen  und münde in der guten Kontaktpflege mit den Nachbarn – wie auch beim Neujahrsgespräch, bei dem die Vertreter der Gemeinden im Grenzgebiet ebenfalls, wie in den 25 Jahren zuvor, dabei sind.

Hinzu kommen gemeinsame Einrichtungen wie der Naturpark Hohes Venn-Eifel, die Europäische Vereinigung Bildender Künstler aus Eifel und Ardennen und deren Jahresausstellungen in Prüm oder Handelsmessen wie die Grenzlandschau. Dies alles habe „maßgeblich zu diesem guten Miteinander beigetragen“.

Einem Miteinander, das dennoch bedroht sei: Denn es gebe „immer mehr Nischen“ und digitale Echokammern, in denen man nur noch zu hören bekomme, was man sowieso schon denke. Gemeinschaft aber brauche echten Austausch und Diskussion.

Zurück zum Guten vor allem im Prümer Land: Eine Arbeitslosigkeitsquote von unter zwei Prozent zeige, „dass man bei uns offensichtlich gut miteinander arbeiten kann“. Die Unternehmen investieren, schaufeln Steuern rüber, „davon lebe nicht nur ich, sondern unser gesamtes Gemeinwesen“. Die Finanzkraft der Gemeinden steige, und überall sehe man Bürger, die sich ehrenamtlich engagieren. Und deshalb hoffe er auch, dass man in zwölf Monaten „nicht im Ärger“ auf 2018 zurückblicken werde.

Da passen dann auch wunderbar die Lieder des – bestens bei den Zuhörern ankommenden – Eifeler Musikduos „Acoustic Activity“ mit Marius Wagner und Michael Raskopp: „Don’t Look Back In Anger“ von Oasis und „Ein Hoch auf uns“ von Andreas Bourani.

Was sagen die Besucher? „Interessant, kurz, zackig“ habe der Botschafter gesprochen, findet Josef Junk, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bitburg-Land. Und der Chef der Prümer Polizeiinspektion, Christoph Cremer, fand die Musik richtig klasse. Er ist nicht der Einzige.

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